Der Aufenthalt war schon länger geplant. Nun verlieh der Ukraine-Krieg dem dreitägigen «Arbeitsbesuch» von General Charles Q. Brown jr., Kommandant der US-Luftwaffe, in der Schweiz eine unerwartete und unerwünschte Aktualität. Den Abschluss bildete am Dienstag eine Medienkonferenz auf dem Militärflugplatz Payerne (VD).
Eigentlich ging es um «die guten Beziehungen zwischen den USA und der Schweiz» sowie «die Erfahrungen der USA mit dem Kampfjet F-35A», wie es in der Einladung hiess. Fragen zur Ukraine sollten dem ersten afroamerikanischen US-Luftwaffenchef, der in den USA als Topfavorit für die Nachfolge von Generalstabschef Mark Milley gilt, nicht gestellt werden.
Ganz entziehen konnte sich der 60-jährige Viersterne-General, der im Piloten-Overall und mit «Gefolge» samt Bodyguards in Payerne erschien, dann doch nicht. «Die jüngsten Ereignisse zeigen die Wichtigkeit der Zusammenarbeit», erklärte Brown. Das betrifft für ihn auch die neutrale Schweiz: «Wir begrüssen den Entscheid für den F-35.»
Das Geschäft ist umstritten, seit der Bundesrat es im letzten Juni verkündet hat. Er will 36 Flugzeuge vom Typ F-35 beschaffen, als Ersatz für die F/A-18. Der Tarnkappenjet ist das wohl modernste Kampfflugzeug der Welt, ein «Ferrari der Lüfte» und «fliegender Computer», der für verschiedene Aufgaben eingesetzt werden kann.
Der US-Kampfjet sorgt jedoch für Kontroversen. Die Kostenexplosion bei der Entwicklung und Beschaffung sorgt im Herstellerland für rote Köpfe, obwohl bereits rund 2500 Maschinen ausgeliefert wurden. Derzeit sammeln SP, Grüne und die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GSoA) Unterschriften für eine Volksinitiative, um den F-35-Kauf zu verhindern.
Der russische Angriff auf die Ukraine macht ihnen nun einen Strich durch die Rechnung, unabhängig vom – staatspolitisch fragwürdigen – Appell von Verteidigungsministerin Viola Amherd, die Initiative zurückzuziehen. Jedenfalls hat der F-35 gerade sehr viel Rückenwind. Am Montag entschied sich auch die deutsche Regierung für den Mehrzweck-Kampfjet.
«Bereits 14 Länder nutzen den F-35», betonte Brown. Bei der Stückzahl in der US Air Force sei er die Nummer zwei hinter dem F-16, dem «Arbeitspferd» vieler Luftstreitkräfte. Mit dem Konflikt im Osten habe man zusätzliche Maschinen in Europa stationiert. «Der F-35 ist ein Grundpfeiler unserer Luftwaffe, er soll für einige Jahrzehnte im Einsatz bleiben.»
Kritische Fragen parierte der Luftwaffenchef routiniert. Braucht die Schweiz einen Ferrari? «Der F-35 verfügt über grossartige Fähigkeiten.» Ist er nicht zu teuer? «Wir werden die Kosten weiter senken.» Was ist mit dem befürchteten Datentransfer in die USA? «Die Schweiz hat die Kontrolle, sie kann entscheiden, welche Daten sie teilen will.»
Schliesslich gab es noch ein paar Nettigkeiten für Gastgeber Peter «Pablo» Merz, den Kommandanten der Schweizer Luftwaffe: «Eine grosse Air Force wie unsere kann auch von den Kleinen lernen», sagte Charles Brown zum Abschluss des kurzen Medienauftritts. Weitere Ausführungen zum Krieg und zum Kampfjet überliess er Divisionär Merz.
«Die aktuelle Lage hat uns brutal und schockartig vor Augen geführt, dass ein Krieg mit konventionellen Mitteln in Europa stattfinden kann», erläuterte der Schweizer Luftwaffenchef. Er bestätigte, dass Russland die Lufthoheit über der Ukraine nicht erobern konnte: «Die ukrainische Luftwaffe ist reduziert, aber immer noch in der Luft.»
Es wäre ein weiteres Indiz, dass die vermeintlich kampfstarke russische Armee längst nicht so gut aufgestellt ist wie gedacht. Ins Detail wollte Merz nicht gehen. Vielmehr sieht er im Ukraine-Krieg einen weiteren Beleg für die Richtigkeit des Kampfjet-Kaufs: «Deutschland ist das zehnte Land in Europa, das sich für den F-35 entschieden hat.»
Peter Merz verbarg seine Sorgen wegen der Volksinitiative nicht, denn im März 2023 läuft die Offerte von Hersteller Lockheed Martin aus. Nur wenn die Initiative rasch eingereicht und im Eiltempo durchs Parlament geschleust wird, kann rechtzeitig abgestimmt werden. «Die Zeit läuft uns davon», fürchtet Merz, denn bis 2030 müssten die F/A-18 ersetzt werden.
Riskieren wollen die Armee und das Verteidigungsdepartement VBS jedenfalls nichts. Die PR-Show für den F-35 geht nach dem Besuch von General Charles Brown schon nächste Woche weiter. Dann landet der Tarnkappenjet auf dem Flugplatz Emmen (LU).