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Schweiz: Die Munitions-Milliarde für die Armee steht auf der Kippe

Die Munitions-Milliarde für die Armee steht auf der Kippe

Die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) will in der Rüstungsbotschaft eine zusätzliche Milliarde Franken für Munition verankern. Die Finanzkommission lehnt das ab. Vieles deutet darauf hin, dass der Nationalrat Nein sagt.
05.06.2025, 05:5605.06.2025, 09:19
Othmar von Matt / ch media
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Das Lobbying in letzter Sekunde war beträchtlich. Das Verteidigungsdepartement VBS hatte für Dienstagmorgen um 7 Uhr in den Bernerhof eingeladen. Gegen 60 Parlamentsmitglieder folgten dem Ruf. Rüstungschef Urs Loher hielt einen Vortrag – und sprach sich dabei indirekt auch für mehr Munition für die Armee aus. Die Wartefristen bei der Munition für die Luftverteidigung seien heute sehr lang. Ebenfalls anwesend war Verteidigungsminister Martin Pfister.

ARCHIV - ZUR EINREICHUNG DER KORREKTUR-INITIATIVE STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - 9-Millimeter-Patronen laufen am Donnerstag, 25. Juli 2002 in Thun in der Munitionsabteilung  ...
Der Nationalrat stimmt in Kürze über den Munitionskauf ab.Bild: KEYSTONE

Lohers Worte konnten als Wink verstanden werden. Am Donnerstag diskutiert der Nationalrat die Armeebotschaft 2025. Der Bundesrat beantragt dabei Verpflichtungskredite im Umfang von 1,5 Milliarden Franken. Hauptpunkt des Programms ist ein neues radgestütztes Artilleriesystem für 850 Millionen. Die Sicherheitspolitische Kommission (SiK) will das Rüstungsprogramm aber um einen Verpflichtungskredit über 1 Milliarde Franken für Munition im Bereich der Luftverteidigung ergänzen.

Diese Milliarde ist heftig umstritten. Die Finanzkommission lehnt sie ab, genauso wie SP, Grüne und GLP. Damit kündigt sich ein Showdown an zwischen Sicherheits- und Finanzkommission einerseits und Mitte-Links und Mitte-Rechts andererseits.

Dass das VBS-Treffen mit Rüstungschef Loher ausgerechnet im Bernerhof stattfand, wo Finanzministerin Karin Keller-Sutter logiert, entbehrt nicht der Ironie. Keller-Sutter lobbyierte nämlich am Dienstagnachmittag in der Fraktionssitzung der FDP vehement gegen die Munitions-Milliarde.

Bundesraetin Karin Keller-Sutter an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 4. Juni 2025 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Til Buergy)
Kein Geld für Munition: Finanzministerin Karin Keller-Sutter.Bild: keystone

Mitte und FDP sind gespalten, und auch die SVP ist nicht geschlossen

Mitte-Rechts hat allerdings schlechte Karten. FDP und Mitte – sie entscheiden das Geschäft – sind gespalten. Bei der FDP spricht sich zwar eine Mehrheit für die Milliarde aus. Mit Nationalrat Heinz Theiler hat auch ein Freisinniger den entsprechenden Antrag in der SiK eingereicht.

«Die Armee verfügt heute bei der Munition über keine genügenden Reserven», sagt Theiler. «Die Durchhaltefähigkeit ist in keiner Art und Weise für den Einsatz sichergestellt. Deshalb habe ich den Antrag eingebracht.» Der Verpflichtungskredit müsse nicht sofort finanziert werden und sei ein wichtiges Zeichen für die Rüstungsindustrie. «Heute wartet man vier bis fünf Jahre auf Munition, die man bestellt hat», sagt Theiler.

«Und je länger man wartet, desto teurer wird sie.»

Die Partei von Verteidigungsminister Pfister hatte sich schon vor der Session gegen die Munitions-Milliarde ausgesprochen, im Verhältnis von einem Drittel zu zwei Dritteln. Und selbst die SVP hat einige Abweichler, wie Recherchen zeigen. Einer, der Ja sagt, ist Sicherheitspolitiker Mauro Tuena. «Heute hätten wir im Falle eines Krieges keine Munition für die Luftabwehr», sagt er. «Das ist verheerend.» Die Finanzierung solle aus dem Konto der internationalen Zusammenarbeit heraus erfolgen. Er weiss aber:

«Der Entscheid im Nationalrat ist auf des Messers Schneide.»

Vieles deutet darauf hin, dass Mitte-Links eine Mehrheit gegen die Munitions-Milliarde hat, weil Mitte-Rechts nicht geschlossen auftritt. Mit 41 Stimmen von SP, 23 von den Grünen, 11 von der GLP, etwa 15 von der Mitte, 9 von der FDP und 5 von der SVP kommt Mitte-Links auf ein Potenzial von rund 104 Stimmen. Das reicht deutlich für ein Nein.

Die Finanzkommission war einstimmig für Ablehnung

Schon vor zwei Wochen hat sich die Finanzkommission gegen die Munitions-Milliarde ausgesprochen. Das sei einstimmig und ohne Gegenantrag geschehen, sagt Präsidentin Sarah Wyss (SP). Ein zusätzlicher Verpflichtungskredit «würde zu Planungsüberhängen» führen, betont sie.

«Das heisst, es würden mehr finanzielle Verpflichtungen für Rüstungskäufe eingegangen als im Rahmen der künftigen Voranschläge bezahlt werden könnten.»

Am Mittwochabend hat GLP-Nationalrat Beat Flach als Gegenentwurf zur Milliarde noch einen Einzelantrag eingereicht. Er fordert 500 zusätzliche Millionen für dringliche, beschaffungsreife Armeeprojekte und 500 Millionen für den Wiederaufbau der Ukraine.

Keinen Einzelantrag einreichen wird hingegen Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner. Er hatte vorübergehend damit geliebäugelt, dem Nationalrat einen Kompromissvorschlag zu unterbreiten: 500 Millionen für Munition statt eine Milliarde. Davon hat er sich inzwischen verabschiedet. Er sagt: «Eine Milliarde für Munition ist richtig.» (aargauerzeitung.ch)

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108 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Joshzi
05.06.2025 06:02registriert September 2014
Schon seltsam, hier soll plötzlich sehr viel Geld vorhanden sein, aber eine anständige AHV ist der Untergang des Abendlandes.
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_kokolorix
05.06.2025 06:50registriert Januar 2015
Die Bürgerlichn überbieten sich wieder mal in Sachen Inkompetenz.
Genau jetzt, wo Munition wegen des russischen Angeiffskrieges am teuersten ist, soll das Geld zum Fenster hinausgeworfen werden.
Wenn schon, sollten Patriot Raketen für die Ukraine gekauft werden. Die Schweizer Armee ist eh nicht fähig die Schweiz zu verteidigen, dafür hat der Ueli gesorgt, als er sämtliche Beschaffungen an die Wand fuhr. Die Schweiz hat seit vielen Jahren keine Luftverteidigung mehr. Da nützen ein paar Artilleriegranaten und GP 90 auch nichts mehr.
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Tante Karla
05.06.2025 07:19registriert März 2024
Im Ernstfall wäre die Schweiz sowieso auf permanente Waffenlieferungen aus dem Ausland angewiesen.

Alle wichtigen Ersatzteile für F-35 und andere Systeme werden ja gar nicht hier hergestellt.

Die Vorstellung, die Schweiz könne als Insel funktionieren, ist eine Gaga-Illusion.
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