«Diese Minderjährigen fühlen sich nicht viel mehr wert als ein Paar Markenturnschuhe», sagt Cornelia Bessler, Chefärztin am Zentrum für Kinder- und Jugendforensik an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich, in der SonntagsZeitung. Sie bezieht sich auf Fälle wie jenen, der sich im März 2016 in der Ostschweiz abgespielt hat.
Ein 14-Jähriger traf sich in einer Waldhütte mit einem Mann, den er nie zuvor gesehen hatte. Die beiden hatten sich im Internet kennengelernt. Der Erwachsene versprach dem Jugendlichen, ihm im Internet neue Nike-Schuhe für 150 Franken zu bestellen – als Gegenleistung für Oralsex.
Der Teenager gab gegenüber dem 49-Jährigen an, bereits 16 Jahre alt und damit aus dem Schutzalter heraus zu sein. Der Mann, ein Angestellter eines staatsnahen Betriebes, verlangte keinen Ausweis.
Ende März verurteilte die Zürcher Staatsanwaltschaft den Mann zu einer Geldstrafe von 27'200 Franken – wegen sexueller Handlungen mit einem Minderjährigen gegen Entgelt sowie wegen Pornografie.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit noch in einem weiteren ähnlich gelagerten Fall, wie die «SonntagsZeitung» schreibt. Auch Bessler, die Jugendforensikerin, kennt das Muster. Das Angebot «Sex gegen Geld» sei für einzelne Kinder eine Möglichkeit, um an Geld zu kommen, lässt sie sich im Artikel zitieren.
Oft seien Schulden das Motiv oder der Gruppendruck, teure Markenprodukte zu besitzen. «Der Wunsch kann besonders bei im Selbstwert verunsicherten Jugendlichen hoch sein», so Bessler.
Laut einer Studie des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich soll sich jeder 14. Jugendliche in der Schweiz bereits einmal mit einem Wildfremden aus dem Netz getroffen haben. Davon gab knapp jeder Dritte an, «eine beunruhigende Erfahrung» gemacht zu haben.
(jbu)