Zum wiederholten Male sei VW die meistverkaufte Automarke in der Schweiz, liess VW-Generalimporteur Amag letzte Woche verlauten.
Was in der Mitteilung nicht steht: Im letzten Jahr verkaufte VW über 6000 Autos weniger als ein Jahr zuvor. Damit musste der Autokonzern bei seiner Hausmarke einen Rückgang von über 14 Prozent hinnehmen. Kein anderer Hersteller, der 2017 in der Schweiz mehr als 10 000 Autos verkaufte, erlitt auch nur annähernd einen solchen Einbruch. Zum Vergleich: Renault verzeichnet mit 3 Prozent den zweithöchsten Rückgang. Im 2016 sah es so aus, als würde der Dieselskandal VW in der Schweiz nicht allzu sehr schaden.
Zum Verkaufsrückgang kommt ein Vorgang mit symbolischer Tragkraft: Der VW Golf ist das erste Mal seit 1992 nicht mehr das meistverkaufte Auto in der Schweiz. Den prestigeträchtigen Platz an der Spitze holte sich der Skoda Octavia. Damit ist der Golf ausgerechnet von seinem Bruder aus dem gleichen Konzern geschlagen worden.
Eine Erklärung für den generellen Einbruch bei VW: Eine verzögerte Reaktion auf den Dieselskandal. «Ganz klar hat VW einen Imageschaden aus dem Abgasskandal davongetragen», sagt Harry Meier, Automobilexperte beim Internetvergleichsdienst Comparis auf Anfrage. Nicht nur bei VW hat sich nach dem Dieselskandal ein negativer Effekt eingestellt.
Bei Audi sei dieser ein Jahr früher eingetreten, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Uni Duisburg-Essen. Bei Amag heisst es, dass der Abgasskandal, der damit verbundene Vertrauensverlust und die gesunkene Nachfrage beim Golf Wirkung auf den Absatz gezeigt haben. Und der Dieselskandal ist noch nicht ausgestanden: Erst vor einer Woche haben 6000 Schweizer VW-Kunden gegen den Konzern geklagt.
Die Schwierigkeiten beim Verkauf jedoch rein auf den Dieselskandal zurückzuführen, sei falsch, sagt Meier. Vielmehr sei es eine Kombination von vielen Gründen. So könnte auch weniger ausgeprägtes Marketing im Gegensatz zu 2016 zum Rückgang beigetragen haben. Der Branchenverband Auto Schweiz verweist darauf, dass bei VW im nächsten Jahr relativ viele Modellwechsel anstehen würden und darum die Kunden mit einem Neukauf abgewartet hätten.
Der gesamte Absatz an Neuwagen in der Schweiz sank um 1 Prozent und blieb damit einigermassen stabil. Unter den rund 314 000 gesamthaft verkauften Autos war Volkswagen mit fast 36 000 Fahrzeugen die beliebteste Marke. Solch tiefe Verkaufszahlen erzielte die deutsche Automarke das letzte Mal 2010. Der Marktanteil von VW schrumpfte im letzten Jahr um 1.8 Prozentpunkte. Nicht nur in der Schweiz büsste VW im Nachgang zum Dieselskandal Marktanteile ein, sondern auch in vielen anderen Ländern wie etwa Deutschland.
Mit der Ablösung an der Spitze der meistverkauften Autos geht für den VW Golf eine langjährige Phase der Dominanz zu Ende. Laut Auto Schweiz stand 1992 der Opel Astra dem VW Golf vor der Sonne. Davor war der Golf bereits seit 1976 jedes Jahr das meistverkaufte Auto in der Schweiz.
Es sieht danach aus, als wäre der neue Spitzenreiter keine Eintagsfliege wie der Astra 1992. Das hat gute Gründe. Der Octavia habe aufgeholt, weil er ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis habe, sagt Dudenhöffer. Zudem habe es mit der Markenpolitik von Skoda zu tun. «Das Bessere ist eben des Guten Feind», sagt Dudenhöffer.
Seit Jahren belegen Octavia und Golf die Spitzenplätze in der Rangliste der meistverkauften Autos. Nun mit besserem Ausgang für Skoda. Die Marke hat sich in den letzten Jahren endgültig etabliert. Und profitiert etwa auch vom 4×4-Boom in der Schweiz. «Die Zeiten, in denen Skoda so was wie der arme Ost-Bruder war, sind lange vorbei», sagt Ferdinand Dudenhöffer.
Mittlerweile sei bei den Kunden angekommen, dass in Skoda VW-Technologie steckt, sagt Harry Meier. Und das zu günstigeren Preisen. Der kleine Bruder gewinnt, während der grosse Bruder verliert. «Das ist eine Kannibalisierung», sagt Meier. Insgesamt werde in den nächsten Jahren sowohl der Octavia als auch der Golf weiter Kunden an SUV abgeben, sagt Dudenhöffer. «Der Karoq bei Skoda und der T-Roc bei VW machen Golf und Octavia das Leben schwerer.» Die Kannibalisierung geht weiter. (aargauerzeitung.ch)