Der Vorschlag ist brisant und erhitzt die Gemüter: Die Städtekonferenz Mobilität (SKM) will, dass Tempo 30 zur neuen Norm wird in den Städten – auch auf Hauptverkehrsachsen. Tempo 50 soll weiterhin möglich sein, allerdings nur als Ausnahme. Dies geht aus dem Positionspapier hervor, welches die SKM im Mai veröffentlichte.
Doch was hält die Bevölkerung von diesem Vorschlag? Gemeinsam mit dem Sozialforschungsinstitut DemoSCOPE ging watson dieser Frage nach und führte eine Umfrage durch. Diese lief zwischen dem 1. und 7. Juni und hatte 8636 Teilnehmende. Sie ist für die deutschsprachige Schweiz repräsentativ (mehr zur Methodik am Ende des Artikels).
Die Umfrage hat ergeben, dass eine Mehrheit nicht will, dass Tempo 30 zur neuen Norm in den Städten wird. 56 Prozent sind (eher) gegen das Vorhaben der SKM. 43 Prozent sind (eher) dafür. Bei den Geschlechtern gibt es signifikante Unterschiede. Bei den Männern sagen 60 Prozent (eher) Nein, bei den Frauen 50 Prozent.
Bemerkenswert sind die Unterschiede bei der politischen Ausrichtung der Befragten. Personen, die sich den linken Parteien zugehörig fühlen, sind klar für Tempo 30 in den Städten. Besonders gross ist die Zustimmung bei der Wählerbasis der Grünen. Dort sind 90 Prozent (eher) für die Temporevolution.
Gespalten sind die GLP-Wählerinnen und -Wähler. 52 Prozent befürworten die Pläne der SKM, 47 Prozent sind dagegen. Bei FDP, SVP und Mitte ist die Ablehnung gross.
Zwischen Stadt und Land gibt es zwar Unterschiede, doch abgelehnt wird Tempo 30 überall. In den Städten ist der Vorschlag der SKM etwas populärer als auf dem Land. Aber auch hier reicht es mit 46 Prozent nicht für eine Mehrheit.
Je nach Alter beurteilen die Befragten den Vorschlag der SKM anders. Bei jungen Leuten findet der Paradigmenwechsel betreffend Tempo am meisten Zustimmung. Die grösste Ablehnung erfährt Tempo 30 bei Personen, die 55 Jahre oder älter sind.
Erfreut über die Ergebnisse zeigt sich Walter Wobmann. Der SVP-Nationalrat ist Präsident der Föderation der Motorradfahrer der Schweiz. Er habe erwartet, dass eine Mehrheit der Bevölkerung gegen Tempo 30 sei, sagt Wobmann gegenüber watson. «Ich höre das fast täglich.»
Er könne sich gut erklären, weshalb die Leute kein Tempo 30 wollten. «Die Temporeduktionen werden heute völlig übertrieben», so Wobmann. «Die Leute haben genug vom rot-grünen Wahn gegen den motorisierten Privatverkehr.» Es gehe bei diesen Forderungen darum, den motorisierten Individualverkehr aus den Städten zu drängen, meint Wobmann.
Der SVP-Nationalrat ist der Meinung, dass Tempo 30 punktuell Sinn ergeben kann, aber nicht flächendeckend. «Wenn aus Sicherheitsgründen eine Tempo-30-Zone nötig ist, weil dort beispielsweise viele Kinder sind oder ein Spital in der Nähe ist, dann braucht es das. Bereits heute kann man in diesen Fällen vereinfacht die Geschwindigkeitsbegrenzung einführen.»
Adrian Borgula, Präsident der SKM, lässt sich durch die Umfrageergebnisse nicht entmutigen. «Das Thema ist relativ frisch, daher sind 43 Prozent Zustimmung eine positive Rückmeldung.»
Tempo 30 sei eine günstige Methode, um die Lärmschutzziele zu erreichen, die Verkehrssicherheit zu erhöhen und die Aufenthaltsqualität in den Städten zu steigern, sagt Borgula. «Zudem wird der Verkehr zu den Stosszeiten bei Tempo 30 flüssiger.»
Borgula widerspricht Wobmann vehement. «Es gibt niemanden in der SKM, der den motorisierten Individualverkehr aus der Stadt verbannen will», so der Grüne-Stadtrat von Luzern. «Wir haben klimapolitische Ziele und Ziele, was den Lärm betrifft. Wollen wir die Städte aufwerten und diese Ziele erreichen, brauchen wir mehr Platz.»
Während 50 Jahren seien die Städte für den Autoverkehr umgebaut worden, nun gehe es der SKM darum, ein gewisses Gleichgewicht herzustellen. «Es geht überhaupt nicht darum, null Autos in der Stadt zu haben, aber 10 bis 30 Prozent weniger an gewissen Stellen ist realistisch.»
Ganz einfach: Wenn ich zum Beispiel zu meiner Schwester fahre, dann ist die Hauptstrasse der beste/schnellste Weg, weil ich dank der höheren Geschwindigkeit trotz der längeren Strecke schneller bin.
Wird die Hauptstrasse auch 30, dann macht es für mich mehr Sinn, durch die Quartierstrassen zu fahren. Und das bin ja nicht nur ich, sondern alle, die ein GPS nutzen.
Kann man gut finden, muss man aber nicht.
Würde das auch für Velos und E-Bikes auf der Velospur gelten?
Und den ÖV auf der Busspur?