Am letzten Samstag fand in Basel die Veranstaltung «Basel tickt bunt» statt. Das Motto der Pride: «Queer rights are human rights». Gemäss Veranstalter nahmen daran rund 3000 Menschen teil. Am Pride Walk durch die Basler Innenstadt nahm auch Flavio Miletta teil.
Um etwa 16.45 Uhr bewegten sich die Teilnehmenden des Pride Walks vom Theodorsgraben in Richtung Claraplatz. Flavio Miletta lief ganz an der Spitze des Zuges. Am Claraplatz musste der Umzug kurzzeitig halten, um die Trams durchzulassen.
Zu diesem Zeitpunkt ereignete sich der Angriff, sagt Miletta: «Plötzlich kam ein Mann auf mich zu, ungefähr Mitte zwanzig. Zuerst hat er mich aufs Übelste homophob beleidigt.» Darauf sei er noch nicht eingestiegen, sagt Miletta, weil das leider immer noch eine alltägliche Erfahrung sei, die queere Menschen in der Schweiz machen würden.
«Dann aber hat er mich bespuckt und seine brennende Zigarette auf mein Outfit geschmissen», berichtet Miletta. Dazu muss man wissen: Miletta trug eine acht Meter lange Schleppe in den Regenbogenfarben. «Hätte die Feuer gefangen, ich hätte eine ganze Weile gebraucht, um sie abzuziehen», sagt Miletta. Denn er habe neben der Schleppe noch andere Kleidungsstücke getragen – ein Oberteil, eine Bauchtasche, Musikboxen und einen Fächer.
«Ich habe sofort um Hilfe gerufen», sagt Miletta. Gemäss seinen Aussagen so laut, dass ein Polizist, der den Umzug begleitete, es mitbekommen habe. Trotzdem habe dieser nicht eingegriffen, sodass der Mann sich nach dem mutmasslichen Angriff unerkannt aus dem Staub machen konnte.
Die Kantonspolizei Basel-Stadt schreibt auf Anfrage, dass eine polizeiliche Sicherheitsassistentin am Claraplatz von einer «aufgebrachten Person» auf einen Vorfall aufmerksam gemacht worden sei. Die Assistentin selbst habe diesen Vorfall nicht beobachtet.
Sie habe daraufhin umgehend eine Polizeipatrouille an den Ort beordert. «Auch diese konnte vor Ort keine Situation feststellen, die ein polizeiliches Einschreiten erforderlich gemacht hätte – zudem wurde die Patrouille von niemandem auf einen aktuellen oder zurückliegenden Vorfall angesprochen», sagt die Kantonspolizei.
Lukas Tobler ist Teil des Organisationskomitees von «Basel tickt bunt». Gegenüber watson bestätigt er den Vorfall am Claraplatz. «Das Ziel von ‹Basel tickt bunt› war es schon immer, Sichtbarkeit zu schaffen», sagt Tobler. «Sichtbarkeit bedeutet nach diesem Vorfall leider auch, dass solche Angriffe ein Teil der gesellschaftlichen Realität für queere Menschen in der Schweiz sind.»
Gerade deshalb wollen die Organisatorinnen und Organisatoren von «Basel tickt bunt» auch die Rolle der Polizei beim Vorfall genauer anschauen. «Wir nehmen die Polizei als beschützende Instanz wahr. Da dies im vorliegenden Vorfall nicht der Fall war, werden wir mit der Polizei in den Dialog treten und zusammen den Vorfall aufarbeiten.»
Flavio Miletta hat sich nach dem Angriff entschieden, den Pride Walk fertig zu laufen. Spass habe es ihm aber keinen mehr gemacht. Jetzt, mit einigen Tagen Distanz, empfindet er: Wut und Angst. «Früher wurden wir einfach beleidigt, jetzt schon bespuckt und mit Zigaretten beworfen. Was kommt als Nächstes? Steine?»
Und wütend sei er auch auf die Polizei: «Wie kann es sein, dass diejenigen, die eigentlich zu meinem Schutz da sein sollten, nicht eingreifen?» Das macht die Sache für ihn nur noch schlimmer. Deshalb haben er und sein Partner auch einen Beschwerdebrief an den Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt formuliert.