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Die SP-Bundesräte sind seit einem Jahrzehnt im Amt: Mögliche Nachfolger

Die SP-Bundesräte dürften bald nicht mehr im Amt sein: 7 Gedanken zu möglichen Nachfolgern

Die beiden SP-Bundesräte Simonetta Sommaruga und Alain Berset sind schon ein Jahrzehnt im Amt. In ihrer Partei tuschelt man über Rücktritte. Einfach ist die Nachfolgesuche nicht. Ein Personenkarussell.
03.10.2021, 08:31
Lucien Fluri und Sven Altermatt / ch media
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Zwar spricht die ganze Welt von SVP-Langzeitmagistrat Ueli Maurer. Aber die Bundesratssitze werden demnächst auch bei der SP zum Thema: Seit nunmehr einem Jahrzehnt sitzen ihre beiden Vertreter in der Landesregierung: Sommaruga seit 2010, Berset seit 2011. Die durchschnittliche Amtsdauer aller bisherigen Bundesräte beträgt just zehn bis elf Jahre.

Bundespraesidentin Simonetta Sommaruga, links, und Bundesrat Alain Berset erscheinen zu einer Medienkonferenz zu weiteren Massnahmen waehrend der Covid-19 Pandemie, am Mittwoch, 12. August 2020, in Be ...
Simonetta Sommaruga ist seit 2010 Bundesrätin, Alain Berset seit 2011 Bundesrat.Bild: keystone

Das Tuschelthema: Die SP hat ein Altherren-Problem

Hinter vorgehaltener Hand denken Sozialdemokraten durchaus an den Tag, an dem ihre Bundesräte aufhören. Das zeigen Gespräche, die diese Zeitung im Bundeshaus zur Halbzeit dieser Legislaturperiode geführt hat. Man hört schon mal: Langsam wäre es an der Zeit, über einen Rücktritt nachzudenken. Berset wird zwar attestiert, die Coronakrise gut zu managen. Man kritisiert jedoch auch, in der Machtfülle verliere er an Kompromissbereitschaft. Sommaruga kränkelte zuletzt beim CO2-Gesetz und im Energiedossier.

Eigentliche Kronprinzen kennt das Schweizer Politsystem keine. Aber eine so grosse und stolze Partei wie die SP muss für den Fall der Fälle gerüstet sein. Wer also dürfte in den Fokus rücken, wenn ihre Bundesrätin oder ihr Bundesrat abtritt?

Wer SP-Parlamentarier etwas nervös machen will, muss nur ein Stichwort nennen: Altherren-Problem. Das eher uncharmante Label hat sich etabliert, um die Schwierigkeiten der Sozialdemokraten im Ständerat zu beschreiben: Seit 2015 haben sie dort einen Drittel ihrer Sitze verloren. Und die verbleibende SP-Deputation krankt an einem Altersproblem.

Der Sachzwang: Das Wechselmodell ist überholt

Die Kandidatenkür war in der Partei zuletzt mit gewissen Regeln verbunden: Ein Deutschschweizer Mann wurde durch eine Deutschschweizer Frau ersetzt, um dann eine Westschweizer Frau durch einen Westschweizer Mann zu ersetzen.

«Von solchen Sachzwängen dürfen wir uns bei den nächsten Vakanzen aber nicht zu sehr einschränken lassen», warnt eine erfahrene SP-Vertreterin schon mal. Erst recht, weil nach dem Erstarken der Grünen auch die Vorherrschaft im linken Lager abgesichert werden müsse. Mit dem Wechselmodell dürfte es für die SP schwierig werden, bei zwei kurz aufeinander folgenden Rücktritten die besten Köpfe in die Landesregierung zu hieven.

Das Problem: Keine Schwergewichte, die mehrheitsfähig sind

AVIS --- ZUM CO-PRAESIDIUM DER SP SCHWEIZ STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUES PORTRAIT ZUR VERFUEGUNG. WEITERE BILDER FINDEN SIE AUF visual.keystone-sda.ch --- Cedric Wermuth, links, und Mattea Meyer, C ...
Mattea Meyer und Cédric Wermuth, die beiden Parteichefs haben eine Juso-Vergangenheit, was sie in den Augen vieler Bürgerlicher wohl disqualifiziert.Bild: keystone

Selbstverständlich fallen die Namen der Parteichefs, Mattea Meyer und Cédric Wermuth. Ebenso rasch fallen sie auch wieder aus dem Rennen: Mit ihrer Juso-Vergangenheit sind sie für viele Bürgerliche wortwörtlich ein rotes Tuch.

Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr gilt zwar als pointierte und wichtige Stimme der Partei. In der Coronapandemie fiel sie mit Alleingängen auf und zeigte ein eigenartiges Kollegialitätsverständnis. Jacqueline Badran (ZH) gilt nicht nur als intelligent, sondern ist auch eine der beliebtesten und medienwirksamsten Figuren in der ganzen Partei. Gleichzeitig verfügt die IT-Unternehmerin über Wirtschaftskompetenz. Mit ihrer forschen, bisweilen ungestümen Art dürfte sie sich allerdings für ein Exekutivamt selbst im Weg stehen.

ARCHIV - Nationalraetin Jacqueline Badran (SP/ZH) an der Abdankungsfeier des Glarner alt Staenderates This Jenny (SVP), am Freitag, 21. November 2014, in Glarus. - Zur MK "Unternehmer/-innen sgen ...
Jacqueline Badran verfügt zwar über Wirtschaftskompetenzen, dürfte mit ihrer forschen Art für ein Exekutivamt aber nicht infrage kommen.Bild: KEYSTONE

Auch ein Problem: Viele Neu-Parlamentarier seit 2019

Das Parlament erfuhr 2019 eine grosse Veränderung. Viele neue Köpfe zogen im Nationalrat ein. Und so ist ein beachtlicher Teil der SP-Fraktion erst kurz im Amt.

Das schmälert per se die Wahlchancen sich etablierender Stimmen, egal ob es sich nun um Franziska Roth (SO), Céline Widmer (ZH) oder den Bündner Jon Pult handelt, dem Orakel eine Karriere voraussagen: Die Zeit ist wohl noch nicht reif. Sollte sie es denn je werden.

Ständerat: Ein Zürcher und eine Baslerin mit Chancen

«Operation Machterhalt»: So könnte man die Ständeratswahl 2019 aus SP-Sicht auch bezeichnen. Männer im Rentenalter traten für eine weitere Legislatur an, um die Sitze im Stöckli zu sichern. Heute rächt sich das. Ob Roberto Zanetti (SO, 67), Hans Stöckli (BE, 69) oder Paul Rechtsteiner (SG, 69): Die graumelierte Garde in der kleinen Kammer ist nicht mehr bundesratstauglich.

Es bleiben also nur noch wenige Köpfe. Dabei fallen die Namen von Carlo Sommaruga (GE), Elisabeth Baume-Schneider (JU) oder Marina Carobbio (TI) nicht einmal in der eigenen Partei.

Daniel Jositsch, SP-ZH, spricht zur Kleinen Kammer an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 3. Juni 2021 im Staenderat Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Daniel Jositsch, Zürcher Strafrechtsprofessor und SP-StänderatBild: keystone

Es verbleiben Daniel Jositsch und Eva Herzog. Sowohl dem Zürcher Strafrechtsprofessor als auch der Basler Historikerin wird das Amt intellektuell zugetraut. Insbesondere Herzog gilt als heimliche Favoritin. Als frühere Finanzdirektorin ihres Kantons punktete sie bei den Bürgerlichen. Sie ist in den Kantonsregierungen gut vernetzt und würde die Perspektive der wirtschaftlich starken Grenzregion in die Landesregierung einbringen. Herzog ist 60. Es dürfte ein sehr persönlicher Entscheid sein, ob sie sich für die nächsten zehn, zwölf Jahre an ein solches Amt binden möchte.

Die bisherigen Regierungsraetin Eva Herzog (SP) nach der Bekanntgabe der Zwischenresultate der Gesamterneuerungswahlen des Kantons Basel-Stadt im Kongresszentrum in Basel, am Sonntag, 23. Oktober 2016 ...
Eva Herzog, Basler Historikerin und SP-StänderätinBild: KEYSTONE

Nationalrat: Zwei Berner Namen, die es sich zu merken gilt

Fraktionsintern werden oft auch zwei Berner Namen genannt. Der eine: Vizefraktionschefin Nadine Masshardt, deren Wirkung gegen innen deutlich grösser scheint als gegen aussen.

Nationalrat Matthias Aebischer, SP-BE, im Hauptquartier des JA-Komitees zum Geldspielgesetz, am Sonntag, 10. Juni 2018, in Bern. Die Schweizer Stimmbevoelkerung entscheidet heute ueber zwei Vorlagen:  ...
Matthias Aebischer versteht es, sich ins rechte Licht zu rücken.Bild: KEYSTONE

Den anderen hört man besonders oft: Matthias Aebischer. Der agile und karriereorientierte Ex-Fernsehmann versteht es offenbar, sich ins rechte Licht zu rücken, auch wenn er in den eigenen Reihen nicht allzu breit abgestützt ist. Er könnte allerdings auch Ambitionen auf das frei werdende Berner Ständeratsmandat haben.

Eher in die Kränze kommen könnte Fraktionschef Roger Nordmann aus der Waadt. Nationalräte mit Machtanspruch in der Fraktion sind auch der frühere Waadtländer Regierungsrat und Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard oder Ex-Generalsekretärin Flavia Wasserfallen (BE). Und manche nennen auch den Namen von Eric Nussbaumer (BL).

Die Aussenseiter: Stille Schaffer und Regierungsräte

Und dann gibt es da noch eine Reihe erfahrener Parlamentarierinnen, mit denen zu rechnen ist: Als stille Schafferinnen punkten sie mit Dossierkenntnissen – gehören aber weder zum innersten Machtzirkel ihrer Partei noch zu den medial auffälligsten Stimmen. Zu nennen ist etwa Priska Seiler-Graf (ZH), ein sicherheitspolitisches Aushängeschild der SP.

Nationalraetin Priska Seiler Graf, SP-ZH, aeussert sich bei der Lancierung der Stop F-35 Initiative, am Dienstag, 31. August 2021, in Bern. (KEYSTONE/Peter Schneider)
Priska Seiler-Graf hat viel Dossierkenntnisse, ist aber keine laute SP-Stimme.Bild: keystone

Gleiches gilt für Edith Graf-Litscher (TG) im Verkehrsdossier oder für Barbara Gysi (SG) bei sozialpolitischen Fragen. Dass es nicht nur Schwergewichte in die Landesregierung schaffen, bewies zuletzt SVP-Mann Guy Parmelin.

Zu den Aussenseitern zählen auch Regierungsrätinnen und Regierungsräte. Wer nicht oder nicht mehr im Bundesparlament sitzt, hat allerdings schlechtere Karten, in den Bundesrat gewählt zu werden. Lieber setzt man auf Kandidatinnen und Kandidaten aus den eigenen Parlamentsreihen. In den Fokus rücken könnten diesmal etwa Beat Jans (BS), Mathias Reynard (VS) oder Rebecca Ruiz (VD), die vor ihrer Regierungszeit in Bern politisierten.

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Simonetta Sommarugas Rendezvous mit der Realität
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Simonetta Sommarugas Rendezvous mit der Realität
Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga besucht am Tag der ersten Lockerungen des Lockdowns die Schule Länggass in Bern.
quelle: sandra ardizzone / ch media / sandra ardizzone / ch media
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Bersets Thug Life
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72 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Max Dick
03.10.2021 08:55registriert Januar 2017
Das scheint mir doch eher ein lückenfüller-Artikel zu sein, Sommaruga hat jetzt seit zwei Jahren ihr Wunschdepartement. Das gibt sie und ihre Partei kaum leichtfertig aus der Hand. Berset ist noch keine 50, und ein animal politique, das nicht darauf brennt, in den nächsten 15 Jahren mit VR-Mandätli eine ruhige Kugel zu schieben. Tippe daher schwer darauf, dass die beiden auch bei den Erneuerungswahlen 2023 nochmals antreten.
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Hüendli
03.10.2021 09:36registriert Januar 2014
Schade, hat sich Pascale Bruderer nach zwei Legislaturperioden als Ständerätin komplett aus der Politik zurückgezogen – auf sie würde das gesuchte Profil zur Nachfolge von Sommaruga (Frau, weit weg vom Pensionsalter, bis ins bürgerliche Lager mehrheitsfähig) perfekt zutreffen.
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Hallwilerseecruiser
03.10.2021 09:53registriert Juli 2019
Auslöser für diesen Artikel in der gedruckten Version (Aargauer Zeitung) waren Gerüchte, dass Ueli Maurer vorgestern seinen Rücktritt bekanntgeben würde, was ja bekanntlich nicht passiert ist. Der Artikel ging dann näher auf mögliche SVP-Nachfolger ein und präsentierte gleich noch die möglichen Nachfolger bei Rücktritten von SP-Bundesräten. Es fehlt also quasi die erste Hälfte.
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