Zwar spricht die ganze Welt von SVP-Langzeitmagistrat Ueli Maurer. Aber die Bundesratssitze werden demnächst auch bei der SP zum Thema: Seit nunmehr einem Jahrzehnt sitzen ihre beiden Vertreter in der Landesregierung: Sommaruga seit 2010, Berset seit 2011. Die durchschnittliche Amtsdauer aller bisherigen Bundesräte beträgt just zehn bis elf Jahre.
Hinter vorgehaltener Hand denken Sozialdemokraten durchaus an den Tag, an dem ihre Bundesräte aufhören. Das zeigen Gespräche, die diese Zeitung im Bundeshaus zur Halbzeit dieser Legislaturperiode geführt hat. Man hört schon mal: Langsam wäre es an der Zeit, über einen Rücktritt nachzudenken. Berset wird zwar attestiert, die Coronakrise gut zu managen. Man kritisiert jedoch auch, in der Machtfülle verliere er an Kompromissbereitschaft. Sommaruga kränkelte zuletzt beim CO2-Gesetz und im Energiedossier.
Eigentliche Kronprinzen kennt das Schweizer Politsystem keine. Aber eine so grosse und stolze Partei wie die SP muss für den Fall der Fälle gerüstet sein. Wer also dürfte in den Fokus rücken, wenn ihre Bundesrätin oder ihr Bundesrat abtritt?
Wer SP-Parlamentarier etwas nervös machen will, muss nur ein Stichwort nennen: Altherren-Problem. Das eher uncharmante Label hat sich etabliert, um die Schwierigkeiten der Sozialdemokraten im Ständerat zu beschreiben: Seit 2015 haben sie dort einen Drittel ihrer Sitze verloren. Und die verbleibende SP-Deputation krankt an einem Altersproblem.
Die Kandidatenkür war in der Partei zuletzt mit gewissen Regeln verbunden: Ein Deutschschweizer Mann wurde durch eine Deutschschweizer Frau ersetzt, um dann eine Westschweizer Frau durch einen Westschweizer Mann zu ersetzen.
«Von solchen Sachzwängen dürfen wir uns bei den nächsten Vakanzen aber nicht zu sehr einschränken lassen», warnt eine erfahrene SP-Vertreterin schon mal. Erst recht, weil nach dem Erstarken der Grünen auch die Vorherrschaft im linken Lager abgesichert werden müsse. Mit dem Wechselmodell dürfte es für die SP schwierig werden, bei zwei kurz aufeinander folgenden Rücktritten die besten Köpfe in die Landesregierung zu hieven.
Selbstverständlich fallen die Namen der Parteichefs, Mattea Meyer und Cédric Wermuth. Ebenso rasch fallen sie auch wieder aus dem Rennen: Mit ihrer Juso-Vergangenheit sind sie für viele Bürgerliche wortwörtlich ein rotes Tuch.
Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr gilt zwar als pointierte und wichtige Stimme der Partei. In der Coronapandemie fiel sie mit Alleingängen auf und zeigte ein eigenartiges Kollegialitätsverständnis. Jacqueline Badran (ZH) gilt nicht nur als intelligent, sondern ist auch eine der beliebtesten und medienwirksamsten Figuren in der ganzen Partei. Gleichzeitig verfügt die IT-Unternehmerin über Wirtschaftskompetenz. Mit ihrer forschen, bisweilen ungestümen Art dürfte sie sich allerdings für ein Exekutivamt selbst im Weg stehen.
Das Parlament erfuhr 2019 eine grosse Veränderung. Viele neue Köpfe zogen im Nationalrat ein. Und so ist ein beachtlicher Teil der SP-Fraktion erst kurz im Amt.
Das schmälert per se die Wahlchancen sich etablierender Stimmen, egal ob es sich nun um Franziska Roth (SO), Céline Widmer (ZH) oder den Bündner Jon Pult handelt, dem Orakel eine Karriere voraussagen: Die Zeit ist wohl noch nicht reif. Sollte sie es denn je werden.
«Operation Machterhalt»: So könnte man die Ständeratswahl 2019 aus SP-Sicht auch bezeichnen. Männer im Rentenalter traten für eine weitere Legislatur an, um die Sitze im Stöckli zu sichern. Heute rächt sich das. Ob Roberto Zanetti (SO, 67), Hans Stöckli (BE, 69) oder Paul Rechtsteiner (SG, 69): Die graumelierte Garde in der kleinen Kammer ist nicht mehr bundesratstauglich.
Es bleiben also nur noch wenige Köpfe. Dabei fallen die Namen von Carlo Sommaruga (GE), Elisabeth Baume-Schneider (JU) oder Marina Carobbio (TI) nicht einmal in der eigenen Partei.
Es verbleiben Daniel Jositsch und Eva Herzog. Sowohl dem Zürcher Strafrechtsprofessor als auch der Basler Historikerin wird das Amt intellektuell zugetraut. Insbesondere Herzog gilt als heimliche Favoritin. Als frühere Finanzdirektorin ihres Kantons punktete sie bei den Bürgerlichen. Sie ist in den Kantonsregierungen gut vernetzt und würde die Perspektive der wirtschaftlich starken Grenzregion in die Landesregierung einbringen. Herzog ist 60. Es dürfte ein sehr persönlicher Entscheid sein, ob sie sich für die nächsten zehn, zwölf Jahre an ein solches Amt binden möchte.
Fraktionsintern werden oft auch zwei Berner Namen genannt. Der eine: Vizefraktionschefin Nadine Masshardt, deren Wirkung gegen innen deutlich grösser scheint als gegen aussen.
Den anderen hört man besonders oft: Matthias Aebischer. Der agile und karriereorientierte Ex-Fernsehmann versteht es offenbar, sich ins rechte Licht zu rücken, auch wenn er in den eigenen Reihen nicht allzu breit abgestützt ist. Er könnte allerdings auch Ambitionen auf das frei werdende Berner Ständeratsmandat haben.
Eher in die Kränze kommen könnte Fraktionschef Roger Nordmann aus der Waadt. Nationalräte mit Machtanspruch in der Fraktion sind auch der frühere Waadtländer Regierungsrat und Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard oder Ex-Generalsekretärin Flavia Wasserfallen (BE). Und manche nennen auch den Namen von Eric Nussbaumer (BL).
Und dann gibt es da noch eine Reihe erfahrener Parlamentarierinnen, mit denen zu rechnen ist: Als stille Schafferinnen punkten sie mit Dossierkenntnissen – gehören aber weder zum innersten Machtzirkel ihrer Partei noch zu den medial auffälligsten Stimmen. Zu nennen ist etwa Priska Seiler-Graf (ZH), ein sicherheitspolitisches Aushängeschild der SP.
Gleiches gilt für Edith Graf-Litscher (TG) im Verkehrsdossier oder für Barbara Gysi (SG) bei sozialpolitischen Fragen. Dass es nicht nur Schwergewichte in die Landesregierung schaffen, bewies zuletzt SVP-Mann Guy Parmelin.
Zu den Aussenseitern zählen auch Regierungsrätinnen und Regierungsräte. Wer nicht oder nicht mehr im Bundesparlament sitzt, hat allerdings schlechtere Karten, in den Bundesrat gewählt zu werden. Lieber setzt man auf Kandidatinnen und Kandidaten aus den eigenen Parlamentsreihen. In den Fokus rücken könnten diesmal etwa Beat Jans (BS), Mathias Reynard (VS) oder Rebecca Ruiz (VD), die vor ihrer Regierungszeit in Bern politisierten.