Schweiz
China

Untergrund-Chinesen sind in der Schweiz auf dem Vormarsch

Säcke voller Bargeld, Menschenhändler: Untergrund-Banken aus China sind auf dem Vormarsch

Chinesische Untergrund-Banken waschen kriminelle Gelder systematisch über die Schweiz: Das zeigen italienische Ermittlungsakten. Auch das Bundesamt für Polizei stellt zunehmende kriminelle Aktivitäten von Chinesen fest.
15.11.2025, 21:1415.11.2025, 21:14
Henry Habegger / ch media

In sozialen Netzwerken rühmt sich der Tessiner, 64, angeblich Textilunternehmer, einer «langen Erfahrung in Mode, im Handel mit Hongkong und China».

Tasche voller Geld
Säcke voller Geld beim Untergrund-Chinesen abgeliefert oder abgeholt: In Italien ein verbreitetes Phänomen.Bild: Getty

In gewisser Hinsicht stimmt das sogar. Der «Manager» mehrerer Schweizer Gesellschaften wird laut italienischen Gerichtsakten beschuldigt, über vier Firmen kriminelle Gelder in Millionenhöhe aus Italien nach Hongkong und China geleitet zu haben. Er wirkte, so der Vorwurf der Staatsanwälte im norditalienischen Brescia, als Handlager und Strohmann für chinesische Strukturen, die unter anderem für die italienische Mafia arbeiten.

Unternehmer, die den Fiskus betrügen wollten, zahlten Millionensummen auf Konten von sechs Firmen ein. Vier waren in der Schweiz, je eine in der Slowakei und in Serbien. Von dort flossen die Gelder nach Hong Kong und China, auf die Konten von chinesischen Staatsangehörigen.

Die betrügerischen Unternehmen erhielten ihr Geld bald wieder zurück. In bar, ausbezahlt durch chinesische Broker in Norditalien, die für ihre Dienste eine Provision nahmen. Um die Geldflüsse zu rechtfertigen und den Fiskus zu betrügen, erhielten die Unternehmer gefälschte Rechnungen.

Bargeld stammte aus Drogenhandel

Das Bargeld, das die Chinesen an die Steuerbetrüger aushändigten, stammte hauptsächlich aus dem Drogenhandel in Italien. Fünf Chinesen, die im italienischen Verfahren ebenfalls beschuldigt sind, hatten es zuvor bei der Ndrangheta und anderen Mafia-Clans eingesammelt.

In Chinatown, dem Stadtviertel von Milano, gibt es nicht nur viele Restaurants, Modeboutiquen und andere chinesische Geschäfte, hier wird auch viel Mafia-Geld verarbeitet.
In Chinatown, dem Stadtviertel von Milano, gibt es nicht nur viele Restaurants, Modeboutiquen und andere chinesische Geschäfte, hier wird auch viel Mafia-Geld verarbeitet.Bild: Getty

Die Struktur, die hier am Werk ist, gehört zur weltweit aktiven «Untergrund-Bank von China». Immer mehr chinesische Akteure treten in diesem verdeckten System als Finanzdienstleister für Kriminelle aller Art auf. Egal, ob Mafioso, Steuerbetrüger, Drogenbaron oder reicher Chinese, der die Devisenbeschränkungen im eigenen Land umgehen will: Die Untergrund-Banker schicken gestohlene Gelder diskret und spurlos durch die ganze Welt und zurück. Sie arbeiten nach dem Fei Chien-System, der chinesischen Version des auf Vertrauen basierenden Hawala-Banking.

Fedpol-Chefin: Zunahme von China-Geldwäsche

Die Chinesen arbeiten, das zeigt nicht nur der Fall des Tessiner Unternehmers, vorzugsweise über Strukturen in der Schweiz. Im Interview mit CH Media sagte Eva Wildi-Cortés, Direktorin des Bundesamts für Polizei Fedpol, angesprochen auf chinesische Geldwäsche-Akteure: «Wir sehen, dass immer mehr Leute aus China bei uns leben und auch gewisse kriminelle Aktivitäten zunehmen. Wir stellen gleichzeitig eine Zunahme von Akteuren aus China fest, die Geldwäsche als Dienstleistung anbieten.» Sie verwies unter anderem auf «einen Fall mit Bezug zu Menschenhandel in Italien, in dem via Schweiz Geld gewaschen wurde und zurück nach China ging.»

Eva Wildi-Cortes, Direktorin Fedpol, rechts, spricht vor dem Bundeshaus West waehrend eines informellen Austauschs mit den Medien ueber Themen des Eidgenoessischen Justiz- und Polizeidepartements (EJP ...
Direktorin des Bundesamts für Polizei, Eva Wildi-Cortés.Bild: keystone

Wie die chinesischen Untergrund-Banker an das Bargeld kommen, zeigte ein Fall in Bologna. Dort betrieb ein chinesisches Ehepaar einen Spielsalon. Als der Mann eines Tages auf der Rückreise aus Verona kontrolliert wurde, hatte er 133'000 Euro im blauen Rucksack. Laut «Corriere della Sera» sammelte das Paar regelmässig Gelder bei der Mafia ein, der Spielsalon war nur Tarnung.

Unter anderem sammelte das Pärchen, so die italienische Justiz, 5 Millionen Euro beim Ndrangheta-Clan von Giuseppe Romeo ein. Die gleiche Summe, abzüglich einer Provision für die Chinesen, erhielt der Clan praktisch postwendend in Kolumbien von einem dort installierten Chinesen in bar ausbezahlt. Damit zahlte die ’Ndrangheta neue Kokainlieferungen.

In einem anderen Fall holte ein italienischer Unternehmer regelmässig sackweise Bargeld in einem chinesischen Kleiderladen ab: der gewaschene Erlös aus einem Steuerbetrug mit Metallschrott.

Tessiner fabrizierte falsche Rechnungen

Die Dienstleistung ist das Einsammeln, Waschen und Transferieren von Gewinnen aus Drogenhandel, Menschenhandel, Prostitution, illegalem Geldspiel, Steuerbetrug und so weiter. Zentrales Mittel dabei sind falsche Rechnungen – und gerade hier kommen viele Schweizer Firmen zum Zug. Die Fake-Belege dienen dazu, Geldtransfers zu rechtfertigen und Steuerbetrug in Milliardenhöhe an europäischen Staaten zu begehen.

So hatte der Tessiner Textilunternehmer gemäss italienischen Gerichtsakten in der mafiösen Organisation unter anderem die Aufgabe, «die falschen Rechnungen und die falschen Dokumentationen vorzubereiten, die als Rechtfertigung für die Finanztransaktionen dienten». Der Mann habe sich «in seinem Büro in der Schweiz» zudem darum gekümmert, die Gutschriften, die auf den Konten seiner vier Firmen eingingen, «auf Konten in Asien zu transferieren». Zu diesem Zweck habe er Beziehungen zu den Schweizer Banken gepflegt, die seine Firmenkonten betreuten. Erwähnt werden in den Dokumenten die Banken UBS, CS und Postfinance.

epa10530314 A general view shows the headquarters of the Swiss bank Credit Suisse (R) and UBS (L) at Paradeplatz in Zurich, Switzerland, 18 March 2023. Shares of Credit Suisse lost more than one-quart ...
Auch die beiden Grossbanken UBS und CS werden erwähnt.Bild: keystone

Schwarzgeld sei für die Untergrund-Chinesen als Betriebsmittel ihres illegalen Banksystems so wertvoll wie Gold, stellte kürzlich die Zeitung «Repubblica» fest. Dabei zeige sich, dass der chinesische Staat die Hände im Spiel habe. Das lasse sich etwa daraus schliessen, dass China Rechtshilfegesuche der Justiz konsequent ignoriere. Ziel sei, Europa gezielt zu schwächen.

Millionen über Lugano nach China

Chinesische Untergrundbanker spielten auch 2018 eine Rolle, als der Italiener Marco M.  eine «Investmentfirma» an bester Adresse in Lugano übernahm. Er war laut Anklage nur ein Strohmann. 2019 und 2020 stellte die Schein-Firma fiktive Rechnungen über zwei Millionen Euro an drei italienische Firmen. Die Millionen gingen nach China und wurden später von Chinesen in Norditalien bar zurückerstattet.

In einem anderen Fall schleuste die Cosa Nostra um Boss Giuseppe Calvaruso aus Palermo mithilfe einer Briefkastenfirma in Martigny VS Dutzende von Millionen über China zurück nach Italien. Unter anderem, um eine Tourismus-Siedlung auf Sizilien zu finanzieren. Zur Bande gehörte ein Mafioso, der in Martigny ab 2015 eine Aufenthaltsbewilligung hatte. Er tauchte 2024 als Drahtzieher in der Operation «Moby Dick» auf, die unter der Leitung der Europäischen Staatsanwaltschaft einen Mehrwertsteuerbetrug im Umfang von einer halben Milliarde Euro aufdeckte.

Nebenbei: Der italienische Treuhänder, der die mafiöse Firma im Unterwallis aufsetzte, ist hier bestens vernetzt. Auf sozialen Medien findet man ihn auf einem Bild mit einem Kollegen und dem mit Fussball-Nationaltrainer Murat Yakin.

Mafia managte eine Zuger Firma

Verhaftet wurde im Fall Moby Dick unter anderem ein im Kanton Solothurn wohnhafter Schweizer, 51, der unter anderem eine Handelsfirma für Elektronikgeräte im Kanton Zug betrieb. Der Mann habe die Firma dauerhaft der Mafia zur Verfügung gestellt, so laut «Corriere del Ticino» die italienische Justiz.

Berner Verfahren zeigen: China-Szene wird aktiver

In der Schweiz wissen die Behörden noch relativ wenig über asiatische Strukturen, die in ihren Geschäften kriminelle Gelder einsammeln und weiterverarbeiten. Fakt ist, dass die Anzahl chinesischer Gastro- und anderer Geschäfte zunimmt, bei denen nicht klar ist, mit welchen Einnahmen sie über die Runden kommen. Auch über solche Etablissements laufen erfahrungsgemäss immer wieder auch Betrüge mit Fake-Rechnungen, Schein-Anstellungen und so weiter.

Dass die dubiose chinesische Szene in der Schweiz aktiver wird, belegen auch jüngste Ermittlungen unter anderem der Kantonspolizei Bern. Sie deckte mehrere grosse Fälle von Menschenhandel, Prostitution, Urkundenfälschung und Geldwäsche auf. Die Opfer sind chinesische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die Täterschaft auch. Oder aber es sind Personen, die über den Partner oder die Partnerin Bezüge zu China haben. (aargauerzeitung.ch)

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Die beliebtesten Kommentare
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Allkreis
15.11.2025 21:38registriert Januar 2020
Offenbar kennen sich die chinesischen Triaden bestens aus was die Nachlässigkeit von Schweizer Behörden angeht.
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mrmikech
15.11.2025 21:31registriert Juni 2016
Für Nicht-Europäer sollte eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz sehr schwer zu bekommen sein. Wie schaffen es diese chinesischen Staatsbürger, hier wohnhaft zu werden, und sich dann kriminell zu entwickeln? Was läuft schief?
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D.Enk-Zettel
15.11.2025 22:34registriert Oktober 2021
Derweilen wir kleinen Fische jeweils zu hören bekommen (wohlbemerkt bei einigen tausen Franken) : Sie müssen uns eine Herkunftsbescheinigung des Geldes vorweisen können, wir sind gesetzlich dazu verpflichtet. Geht es aber um Millionen legt sich bei einigen Finanzinstituten offensichtlich der Mantel des Schweigens über die selben Gesetze, hauptsache der Runbel rollt. Verkehrte Welt.
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