Säcke voller Bargeld, Menschenhändler: Untergrund-Banken aus China sind auf dem Vormarsch
In sozialen Netzwerken rühmt sich der Tessiner, 64, angeblich Textilunternehmer, einer «langen Erfahrung in Mode, im Handel mit Hongkong und China».
In gewisser Hinsicht stimmt das sogar. Der «Manager» mehrerer Schweizer Gesellschaften wird laut italienischen Gerichtsakten beschuldigt, über vier Firmen kriminelle Gelder in Millionenhöhe aus Italien nach Hongkong und China geleitet zu haben. Er wirkte, so der Vorwurf der Staatsanwälte im norditalienischen Brescia, als Handlager und Strohmann für chinesische Strukturen, die unter anderem für die italienische Mafia arbeiten.
Unternehmer, die den Fiskus betrügen wollten, zahlten Millionensummen auf Konten von sechs Firmen ein. Vier waren in der Schweiz, je eine in der Slowakei und in Serbien. Von dort flossen die Gelder nach Hong Kong und China, auf die Konten von chinesischen Staatsangehörigen.
Die betrügerischen Unternehmen erhielten ihr Geld bald wieder zurück. In bar, ausbezahlt durch chinesische Broker in Norditalien, die für ihre Dienste eine Provision nahmen. Um die Geldflüsse zu rechtfertigen und den Fiskus zu betrügen, erhielten die Unternehmer gefälschte Rechnungen.
Bargeld stammte aus Drogenhandel
Das Bargeld, das die Chinesen an die Steuerbetrüger aushändigten, stammte hauptsächlich aus dem Drogenhandel in Italien. Fünf Chinesen, die im italienischen Verfahren ebenfalls beschuldigt sind, hatten es zuvor bei der Ndrangheta und anderen Mafia-Clans eingesammelt.
Die Struktur, die hier am Werk ist, gehört zur weltweit aktiven «Untergrund-Bank von China». Immer mehr chinesische Akteure treten in diesem verdeckten System als Finanzdienstleister für Kriminelle aller Art auf. Egal, ob Mafioso, Steuerbetrüger, Drogenbaron oder reicher Chinese, der die Devisenbeschränkungen im eigenen Land umgehen will: Die Untergrund-Banker schicken gestohlene Gelder diskret und spurlos durch die ganze Welt und zurück. Sie arbeiten nach dem Fei Chien-System, der chinesischen Version des auf Vertrauen basierenden Hawala-Banking.
Fedpol-Chefin: Zunahme von China-Geldwäsche
Die Chinesen arbeiten, das zeigt nicht nur der Fall des Tessiner Unternehmers, vorzugsweise über Strukturen in der Schweiz. Im Interview mit CH Media sagte Eva Wildi-Cortés, Direktorin des Bundesamts für Polizei Fedpol, angesprochen auf chinesische Geldwäsche-Akteure: «Wir sehen, dass immer mehr Leute aus China bei uns leben und auch gewisse kriminelle Aktivitäten zunehmen. Wir stellen gleichzeitig eine Zunahme von Akteuren aus China fest, die Geldwäsche als Dienstleistung anbieten.» Sie verwies unter anderem auf «einen Fall mit Bezug zu Menschenhandel in Italien, in dem via Schweiz Geld gewaschen wurde und zurück nach China ging.»
Wie die chinesischen Untergrund-Banker an das Bargeld kommen, zeigte ein Fall in Bologna. Dort betrieb ein chinesisches Ehepaar einen Spielsalon. Als der Mann eines Tages auf der Rückreise aus Verona kontrolliert wurde, hatte er 133'000 Euro im blauen Rucksack. Laut «Corriere della Sera» sammelte das Paar regelmässig Gelder bei der Mafia ein, der Spielsalon war nur Tarnung.
Unter anderem sammelte das Pärchen, so die italienische Justiz, 5 Millionen Euro beim Ndrangheta-Clan von Giuseppe Romeo ein. Die gleiche Summe, abzüglich einer Provision für die Chinesen, erhielt der Clan praktisch postwendend in Kolumbien von einem dort installierten Chinesen in bar ausbezahlt. Damit zahlte die ’Ndrangheta neue Kokainlieferungen.
In einem anderen Fall holte ein italienischer Unternehmer regelmässig sackweise Bargeld in einem chinesischen Kleiderladen ab: der gewaschene Erlös aus einem Steuerbetrug mit Metallschrott.
Tessiner fabrizierte falsche Rechnungen
Die Dienstleistung ist das Einsammeln, Waschen und Transferieren von Gewinnen aus Drogenhandel, Menschenhandel, Prostitution, illegalem Geldspiel, Steuerbetrug und so weiter. Zentrales Mittel dabei sind falsche Rechnungen – und gerade hier kommen viele Schweizer Firmen zum Zug. Die Fake-Belege dienen dazu, Geldtransfers zu rechtfertigen und Steuerbetrug in Milliardenhöhe an europäischen Staaten zu begehen.
So hatte der Tessiner Textilunternehmer gemäss italienischen Gerichtsakten in der mafiösen Organisation unter anderem die Aufgabe, «die falschen Rechnungen und die falschen Dokumentationen vorzubereiten, die als Rechtfertigung für die Finanztransaktionen dienten». Der Mann habe sich «in seinem Büro in der Schweiz» zudem darum gekümmert, die Gutschriften, die auf den Konten seiner vier Firmen eingingen, «auf Konten in Asien zu transferieren». Zu diesem Zweck habe er Beziehungen zu den Schweizer Banken gepflegt, die seine Firmenkonten betreuten. Erwähnt werden in den Dokumenten die Banken UBS, CS und Postfinance.
Schwarzgeld sei für die Untergrund-Chinesen als Betriebsmittel ihres illegalen Banksystems so wertvoll wie Gold, stellte kürzlich die Zeitung «Repubblica» fest. Dabei zeige sich, dass der chinesische Staat die Hände im Spiel habe. Das lasse sich etwa daraus schliessen, dass China Rechtshilfegesuche der Justiz konsequent ignoriere. Ziel sei, Europa gezielt zu schwächen.
Millionen über Lugano nach China
Chinesische Untergrundbanker spielten auch 2018 eine Rolle, als der Italiener Marco M. eine «Investmentfirma» an bester Adresse in Lugano übernahm. Er war laut Anklage nur ein Strohmann. 2019 und 2020 stellte die Schein-Firma fiktive Rechnungen über zwei Millionen Euro an drei italienische Firmen. Die Millionen gingen nach China und wurden später von Chinesen in Norditalien bar zurückerstattet.
In einem anderen Fall schleuste die Cosa Nostra um Boss Giuseppe Calvaruso aus Palermo mithilfe einer Briefkastenfirma in Martigny VS Dutzende von Millionen über China zurück nach Italien. Unter anderem, um eine Tourismus-Siedlung auf Sizilien zu finanzieren. Zur Bande gehörte ein Mafioso, der in Martigny ab 2015 eine Aufenthaltsbewilligung hatte. Er tauchte 2024 als Drahtzieher in der Operation «Moby Dick» auf, die unter der Leitung der Europäischen Staatsanwaltschaft einen Mehrwertsteuerbetrug im Umfang von einer halben Milliarde Euro aufdeckte.
Nebenbei: Der italienische Treuhänder, der die mafiöse Firma im Unterwallis aufsetzte, ist hier bestens vernetzt. Auf sozialen Medien findet man ihn auf einem Bild mit einem Kollegen und dem mit Fussball-Nationaltrainer Murat Yakin.
Mafia managte eine Zuger Firma
Verhaftet wurde im Fall Moby Dick unter anderem ein im Kanton Solothurn wohnhafter Schweizer, 51, der unter anderem eine Handelsfirma für Elektronikgeräte im Kanton Zug betrieb. Der Mann habe die Firma dauerhaft der Mafia zur Verfügung gestellt, so laut «Corriere del Ticino» die italienische Justiz.
Berner Verfahren zeigen: China-Szene wird aktiver
In der Schweiz wissen die Behörden noch relativ wenig über asiatische Strukturen, die in ihren Geschäften kriminelle Gelder einsammeln und weiterverarbeiten. Fakt ist, dass die Anzahl chinesischer Gastro- und anderer Geschäfte zunimmt, bei denen nicht klar ist, mit welchen Einnahmen sie über die Runden kommen. Auch über solche Etablissements laufen erfahrungsgemäss immer wieder auch Betrüge mit Fake-Rechnungen, Schein-Anstellungen und so weiter.
Dass die dubiose chinesische Szene in der Schweiz aktiver wird, belegen auch jüngste Ermittlungen unter anderem der Kantonspolizei Bern. Sie deckte mehrere grosse Fälle von Menschenhandel, Prostitution, Urkundenfälschung und Geldwäsche auf. Die Opfer sind chinesische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die Täterschaft auch. Oder aber es sind Personen, die über den Partner oder die Partnerin Bezüge zu China haben. (aargauerzeitung.ch)
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