Über das Wochenende stieg in der Schweiz die Zahl der infizierten Coronavirus-Patientinnen und -Patienten massiv an. Der Druck auf den Bundesrat steigt von Stunde zu Stunde, auch hierzulande den Lockdown zu beschliessen.
watson beantwortet die wichtigsten Fragen zum Lockdown und zeigt auf, was in den letzten Stunden passiert ist.
Für den Lockdown gibt es keine genaue Definition. Im aktuellen Zusammenhang meint man damit das Lahmlegen des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wie das aussieht, zeigten in den vergangenen Tage mehrere Kantone mit eigenen kantonalen Notstands-Dekreten.
Dazu zählen (Stand Montagmittag) die Kantone Tessin, Basel-Landschaft, Neuenburg, Jura und Genf. Dort wurden unter anderem Restaurants, Hotels, Kinos und Sportzentren geschlossen. Einige Kantone haben bereits die öffentliche Verwaltung heruntergefahren. Offen bleiben einzig:
Daniel Koch*, der höchste Corona-Bekämpfer der Nation, vermutete letzte Woche bereits, dass andere Kantone ähnliche Massnahmen wie das Tessin ergreifen werden. Ob diese nun schweizweit kommen, ist unklar. Am Nachmittag wird eine Pressekonferenz des Bundesrates erwartet.
Adriano Aguzzi, der Direktor des Instituts für Neuropathologie am Unispital Zürich, zeigte am Wochenende in einem Video, warum es wichtig ist, dass nun alle zuhause bleiben. Er wendet sich mit einem eindrücklichen Appell an die Schweizer Bevölkerung. Mit italienischem Akzent beginnt er:
Aguzzi erklärt zuerst, wie sich das Virus exponentiell verbreitet. Nach jedem zweiten Tag verdoppelt sich die Anzahl am Coronavirus Erkrankter. Man möge einwenden, dass die 2200 Erkrankten in der Schweiz nicht viel seien, das Problem sei aber, dass das Virus sich wie ein Lauffeuer verbreite. In wenigen Tagen werde man tausende neue Fälle haben.
Die Idee hinter dem Lockdown ist es, das gesellschaftliche Leben so drastisch herunterzufahren, dass die Zahl der Neuansteckungen massiv gesenkt wird.
Die «Washington Post» veröffentlichte am Wochenende eine Story, in der sie mit animierten Grafiken aufzeigt, wie die Ausbreitung einer Epidemie gebremst wird, wenn ein Grossteil der Bevölkerung nicht mehr so einfach in den Kontakt mit infizierten Personen kommt. Ziel sei es, die «Kurve abzuflachen» («flatten the curve»), um Spitäler nicht zu überlasten.
Das Epidemiengesetz schreibt vor, dass der Bundesrat bei einer besonderen Lage Massnahmen beschliesst, nachdem er die Kantone angehört hat.
Dieser Prozess dauert mehrere Stunden. Am Sonntagabend traf sich der Bundesrat zu einer Krisensitzung. watson erfuhr, dass dabei neue Massnahmen erarbeitet und den Kantonen zur Stellungnahme verschickt wurden. Dieser Prozess läuft aktuell, koordiniert wird er durch die Gesundheitsdirektorenkonferenz. Die Gesundheitsminister der Kantone haben wenige Stunden Zeit, sich zu äussern.
Danach überarbeitet der Bundesrat die Massnahmen und beschliesst sie. Eine Pressekonferenz wird am Nachmittag erwartet.
Unklar ist, ob das komplette Lahmlegen des gesellschaftlichen Alltags letzte Woche schon geprüft wurde.
Eine involvierte Person innerhalb der Gesundheitsdirektorenkonferenz sagt, dass der «Wind übers Wochenende» gedreht habe. Er berichtet, dass der «Kantönligeist» nun «definitiv weg» sei. Nach dem Wochenende sei vielen Regierungsräten klar geworden, dass Wirtschaftsinteressen oder regionale Interessen nun zurückstecken müssten.
* In einer früheren Version wurde Daniel Koch als BAG-Direktor bezeichnet. Das ist falsch, Herr Koch ist Leiter Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit. Wir bedauern den Fehler und haben den Artikel korrigiert.
Damit würden die zeitraubenden Konsultationen der Kantone entfallen. Neue Massnahmen könnten unmittelbar angepasst werden.
Der heilige Föderalismus stösst unter den sich rasch verändernden Umständen schon längst an Grenzen.
Die wichtigsten Faktoren sind Zeit und Entschlossenheit.
Alles andere als ein rigoroser Vollzug des Lockdown wäre – bei allem Respekt – nicht nachvollziehbar und würde zu einer rasch zunehmenden Unsicherheit führen.
Zumal die Selbstverantwortung leider nicht ausreicht.
Schon im Nachgang zum SARS Virus wussten wir, dass wir darauf nich vorbereitet waren. Wir kamen da mit einem Blauen Auge davon, wussten aber, dass dies nur eine Frage der Zeit ist.
Es kann doch nicht sein, dass im Pandemiefall nicht mal die Aufgaben und Kompetenzen von Bund und Kantonen geregelt ist und dass man um die Finanzierung von Testsets streitet.