Aktuell verdoppeln sich die Fallzahlen jede Woche, während die Zahl der Erstimpfungen wöchentlich um rund 32 Prozent zurückgehen.
Zeitweise warteten fast 1,5 Millionen Menschen in der Schweiz auf die zweite Impfung. Inzwischen melden sich aber immer weniger für die Erstimpfung an. In Impfzentren und Apotheken werden aktuell grösstenteils nur noch Zweitimpfungen vergeben.
Die Taskforce beobachtet signifikante Anstiege bei den Corona-Fallzahlen in allen Altersgruppen, ausser bei Kindern unter 6 Jahren und Menschen ab 65 Jahren. Besonders betroffen sind junge Menschen.
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Verantwortlich für die hohen Fallzahlen ist unter anderem die Dominanz der leicht übertragbaren Variante Delta, ihr Anteil wird auf 83 Prozent geschätzt.
Die Taskforce weist in ihrem Bericht auf die schnelle Zunahme in den Niederlanden hin, wo sich die Fallzahlen zeitweise alle 66 Stunden verdoppeln. Und weil die Impfabdeckung in den Niederlanden vergleichbar mit der der Schweiz ist, schlussfolgert die Taskforce: «Dieses Beispiel zeigt, dass auch im Sommer und mit substantieller Impfabdeckung die Ansteckungen mit der Delta-Variante sehr schnell zunehmen können.»
In einem Szenario, in dem sich ein grosser Teil der bisher Nicht-Immunen innerhalb weniger Monate infizieren würde, könnte die Belastung des Gesundheitswesens laut der Taskforce wieder gross werden. An der Pressekonferenz vom Dienstag sagte Taskforce-Vizepräsidentin Samia Hurst: «Wir können nochmals eine Welle erleben, die höher war als im letzten Herbst.»
Im Bericht der Taskforce steht: «Wenn sich mehr als 50 % der momentan Nicht-Immunen in weniger als drei Monaten anstecken würden, dann wäre mit einer grösseren Belastung des Gesundheitswesens zu rechnen als letzten Herbst. Am frühesten würde die Grenze bei den Intensivpflegestationen erreicht.»
Selbst mit tieferen Hospitalisierungs- und Todesraten bei jungen Menschen bleibt das Risiko auf längerfristige gesundheitliche Einschränkungen durch eine Covid-19-Erkrankung. Die Taskforce verweist dabei auf eine kürzlich veröffentlichte Studie die zeigt, dass 10 bis 20 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 16 und 30 Jahren ein halbes Jahr nach der Infektion mit Einschränkungen zu kämpfen hatte.
Die Experten gehen davon aus, dass SARS-CoV-2 langfristig mit grosser Wahrscheinlichkeit endemisch wird. Das bedeutet, dass der grösste Teil der Menschen Immunität erwerben wird – sei es durch eine Impfung oder durch eine Ansteckung.
Und diese Immunität wird wohl in regelmässigen Abständen aufgefrischt werden, entweder durch erneute Ausbrüche oder (insbesondere bei gefährdeten Personen) durch Boosterimpfungen.
Wegen der Möglichkeit einer solch schnellen Ausbreitung der Epidemie ist es essenziell, die Entscheidungen nicht nur auf die Hospitalisationen abzustützen.
In ihren Prognosen rechnet die Taskforce mit einer Verzögerung von 12 Tagen zwischen der Ansteckung und dem Spitaleintritt.
Oder mit anderen Worten: Die Situation gleicht einer Fahrt auf der Autobahn, während der man zur Orientierung nur in den Rückspiegel schaut.
Immer weniger Personen melden sich für eine Erstimpfung an. «Falls die Impfgeschwindigkeit nicht wieder erhöht werden kann, werden erst im September 60% der Gesamtpopulation eine erste Impfung erhalten haben, für einen vollen Impfschutz dauert es jedoch noch sechs Wochen länger», hält die Taskforce fest.
Doch diese 60 Prozent wären laut den Experten bei weitem nicht ausreichend, um die sich aufbauende 4. Pandemiewelle in der Schweiz entscheidend zu bremsen. Die Taskforce geht von einer benötigten Herdenimmunität von über 85 Prozent aus.
Sorgen macht sich die Taskforce auch wegen den kantonalen Unterschieden. So haben im Kanton Basel-Stadt bisher schon 58,4 Prozent mindestens eine erste Impfdosis erhalten – im Kanton Appenzell Innerrhoden sind es erst 42,5 Prozent.
Hoffnung auf höhere Impfquoten gibt ein europäischer Vergleich der Taskforce zu Impfabdeckungen bei anderen Infektionskrankheiten. Demnach werden in der Schweiz vergleichsweise viele Kinder gegen Masern, Diphtherie, Starrkrampf und Keuchhusten geimpft. Das legt nahe, dass die aktuelle Differenz in der Covid-Impfabdeckung zwischen der Schweiz und anderen europäischen Ländern keinem generellen Trend folgt.
Im Gegenteil: Die Taskforce schreibt, dass die Schweiz durch verstärkte Anstrengungen noch aufholen kann. Erwähnt werden Beispiele aus England und Spanien, wo man mit persönlichen Impfeinladungen an Menschen ab einem gewissen Alter gute Erfolge erzielt hat.
Die Experten des Bundes halten die Wahrscheinlichkeit eines Ausbruches an einer Veranstaltung mit Personen, die zuvor negativ getestet wurden, für substantiell. An den sogenannten «GGG Veranstaltungen» (genesen, geimpft, getestet) können trotzdem Personen infektiös sein – und diese können andere anstecken, insbesondere wenn viele von den Event-Besuchern (noch) nicht immun sind.
Und das Risiko, dass eine infektiöse Person an einem Grossevent teilnimmt, ist hoch. Die Taskforce macht dazu eine «Milchbüechlirechnung»: Wir nehmen an, dass Antigen-Schnelltests eine Sensitivität von 60 Prozent haben und dass bei einem Anlass mit 1000 Personen in der Altersklasse der 18- bis 34-Jährigen rund 600 Personen keine Immunität haben (die restlichen 40 Prozent sind geimpft).
Die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens ein infektiöser Gast anwesend ist, wird demnach auf 78 Prozent geschätzt. Bei drei von vier solchen Veranstaltungen könnte es also zu Ausbrüchen kommen – insbesondere wenn diese in geschlossenen Innenräumen stattfinden.
(lea)
je weniger Hospitalisierungen umso besser!