Die Diskussion um Booster-Impfungen dürfte demnächst stark an Fahrt aufnehmen. Denn das Beispiel Israel hat gezeigt: Der Impfschutz nimmt nach einem halben Jahr ab. Vor allem die vulnerablen Menschen sind danach wieder stärker gefährdet.
Und bei jenen Menschen, die in der Schweiz als erste geimpft wurden, ist das halbe Jahr bereits um.
Wann gibt es einen Booster? Wann macht er Sinn? Und wie stark ist der Impfschutz überhaupt? Die wichtigsten Fragen zur Corona-Booster-Impfung im Überblick:
Ja, das belegen verschiedene internationale Studien, darunter die kürzlich publizierte Studie eines Forscherteams der Berliner Charité. Grund für die Abnahme sind sogenannte Gedächtniszellen, die sich nach einer Impfung im Immunsystem bilden.
Genau wie beim Gedächtnis verschlechtern sich im Laufe der Zeit und besonders im höheren Alter auch die Gedächtniszellen, sodass ihre Immunantwort sinkt. Das Forscherteam führt dies auf die natürliche Veränderung eines alternden Immunsystems zurück.
Dass der Impfschutz mit der Zeit nachlässt, zeigt auch der Impfvorreiter Israel, der zu Beginn des Impfstarts ordentlich aufs Tempo drückte und bereits mehr als 60 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft hat.
Aufgrund steigender Zahlen verabreicht Israel seit Ende Juli als erstes Land weltweit die dritte Impfung. Anfangs erhielten erst die Risikopatienten einen dritten Piks, künftig steht die dritte Impfung der gesamten Bevölkerung offen. Man habe zunächst falsche Rückschlüsse gezogen, sagt Anat Ekka Zohar, Forschungsarbeiterin der Krankenkasse Maccabi, in der SRF-Gesundheitssendung «Puls».
Erst dachte man, dass die Impfung nicht genügend gegen die Delta-Variante schützt. Das sei ein Irrtum gewesen. Die Impfung schütze sehr gut gegen Virusvarianten, jedoch nehme der Impfschutz mit der Zeit ab – vor allem bei älteren Menschen über 60.
Diskutiert wird die Drittimpfung auch in anderen Ländern wie in den USA oder in Deutschland. Der US-amerikanische Präsident Joe Biden setzt sich für den Booster-Shot ein: «Es gibt einige Staats- und Regierungschefs, die sagen, Amerikaner sollten nicht die dritte Impfung erhalten, während andere Staaten noch nicht einmal die erste Dosis verabreichen. Ich stimme dem nicht zu. Wir können uns um Amerika kümmern und gleichzeitig der Welt helfen», so der Präsident.
In Europa fehlt derzeit noch die Zulassung für die Booster-Impfung. Der US-amerikanische Impfstoffhersteller Moderna hat vor einer Woche bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA eine bedingte Zulassung für die Auffrischungsimpfung eingereicht. Diese soll etwas schwächer sein im Vergleich zu den ersten beiden Impfungen. Während die erste und zweite Dosis je 100 Mikrogramm enthalten, werden bei der dritten nur 50 Mikrogramm gespritzt. Pfizer/Biontech wolle die Zulassung auch bald einreichen.
Genau wie in Europa ist die Auffrischungsimpfung in der Schweiz noch nicht zugelassen. Zudem fehlen gemäss Christoph Berger, Präsident der eidgenössischen Kommission für Impffragen, die wissenschaftlichen Daten, um eine Booster-Impfung für die Bevölkerung zu empfehlen. Wenn solche Daten vorliegen, dann könne eine Zulassung aber schnell folgen.
Wie die Studie und die Erfahrung aus Israel zeigen, lässt der Impfschutz mit der Zeit nach, besonders bei Personen mit einem geschwächten Immunsystem. Dies bestätigt auch Christian Münz, Professor für virale Immunbiologie an der Universität Zürich und Mitglied der wissenschaftlichen Covid-Taskforce.
Die meisten Menschen müssten sich wegen Impfdurchbrüchen keine Sorgen machen, sagte Münz zum «Tagesanzeiger». Risikopatienten sowie ältere Leuten sollten jedoch eine dritte Impfung bekommen. Und das schon bald. Personen, die zwischen Januar und März geimpft wurden, sollten noch vor dem Winter einen dritten Piks erhalten, empfiehlt der Immunbiologe.
Behutsam spricht sich auch Claudia Giesecke-Thiel, die Autorin der Berliner-Charité-Studie, für die Drittimpfung der älteren Personengruppe aus. «Eine dritte Auffrischungsimpfung könnte in dieser stärker gefährdeten Bevölkerungsgruppe die schwächere Immunantwort vermutlich ausgleichen und für einen ausreichenden Impfschutz sorgen».
Ob der Booster-Shot auch für junge Menschen mit einem stärkeren Immunschutz nötig ist, darüber weiss man derzeit noch nicht viel. Ein kleiner Rückgang der Schutzwirkung mache bei jüngeren Leuten nicht viel aus, sagt der deutsche Lungenarzt Leif Erik Sander. In der Regel seien zwei Impfungen ausreichend. Bei den vulnerablen Personen sei die Drittimpfung jedoch medizinisch notwendig, betont Sander. Virologe Martin Stürmer ist da anderer Meinung: «Die Drittimpfung wird irgendwann für alle notwendig sein».
Einen Grund für eine mögliche Drittimpfung bei Jungen liefert die Sendung «Puls». Entscheidend für die Abnahme des Impfschutzes seien nicht nur die Antikörper; die Immunabwehr jedes Einzelnen sei sehr viel komplexer. Neben der Anzahl der Antikörper in Blut, Schleimhäuten und Lunge spielt auch die Qualität der Antikörper eine wichtige Rolle. Sind es kraftvolle Antikörper, dann können sie auch Virusvarianten neutralisieren. Weiter haben auch die Art und Anzahl der B- und C-Zellen eine grosse Bedeutung, da diese für die Vernichtung von infizierten Zellen zuständig sind.
Nein, Auffrischungsimpfungen kennt man auch bei anderen Impfungen wie beispielsweise Hepatitis. Einige Impfstrategien verlangen gar drei Impfungen oder eine Auffrischung nach einigen Jahren. Der Immunologe Christian Münz erklärt die Abnahme des Corona-Impfschutzes so: «Wie bei jeder Immunantwort üblich, geht die Zahl der virusbindenden Antikörper im Blut mit der Zeit zurück.»
Dies ist noch unklar. Man wolle erst klären, wer überhaupt eine Drittimpfung braucht, sagt Christoph Berger, Präsident der Eidgenössischen Kommission für Impffragen, in der Sendung «Puls». Erst einmal sei es wichtig, dass sich jene impfen, die noch keine Impfung erhalten haben, betont Berger.
Das ist aktuell noch nicht absehbar. Aktuelle Daten zeigen einen guten Schutz von einem Jahr, sagt Dr. Barbara Jakopp, Oberärztin und Leiterin des Impfzentrums im Kantonsspital Aargau (KSA).
Das weiss man noch nicht. Eine neue Studie ergab, dass sich bei den mRNA-Vakzinen in Bezug auf die Antikörper Unterschiede abzeichnen. Der Impfstoff von Moderna soll demnach dreimal so viele mRNA-Moleküle enthalten wie jener von Pfizer/Biontech und dadurch einen längeren Schutz bieten. Ob dies bei einer Drittimpfung berücksichtigt wird, ist derzeit noch unklar.
Die Empfehlung ist, dass bei einer Booster-Impfung der gleiche Impfstoff verimpft wird.
Ist es vertretbar, uns als Booster zum 3. mal eine Impfung reinzuziehen, während die meisten Menschen in ärmeren Ländern noch nicht mal die 1. Impfung bekommen haben?
Ist das a, moralisch vertretbar? Und b, sinnvoll aus epidemiologischer Sicht?
Wichtige Fragen, die hier nicht mal angeschnitten werden
Es geht also darum, zuerst eine Grundimmunität aufzubauen und wenn diese nachlässt öfter nachzuimpfen.
Also wirklich nichts Neues.
Aber vor Starrkrampf fürchten sich wohl mehr Menschen als vor Covid, obwohl es eigentlich andersrum sein müsste.