Fallzahlen, Testvolumen, Positivitätsrate, Hospitalisationen, Todesfälle – es gibt einige Statistiken, welche zusammen ein Bild von der Corona-Krise ergeben. Stefan Kuster, Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), erklärte vor zwei Wochen wieder, dass es sich nicht lohne, die Fallzahlen mit jenen im März/April zu vergleichen, weil damals viel weniger getestet wurde.
Wir blicken darum auf acht verschiedene Faktoren, welche ein gesamtheitlicheres Bild der aktuellen Lage in der Schweiz geben können.
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Praktisch seit dem Wetterwechsel Ende September und den kälteren Temperaturen gingen die Fallzahlen steil nach oben. Heute meldete das BAG mit 101'28 Fällen zum zweiten Mal in Serie mehr als 10'000 Neuinfektionen innert 24 Stunden. Die Kurve der Neuinfektionen ist zwar abgeflacht, aber wir werden weiter unten einen möglichen Grund dafür sehen.
Viel wichtiger für die aktuelle Lage als die Fallzahlen sind die Personen, die wegen Covid-19 in die Spitäler eingeliefert werden. Den Höchstwert vom März/April hat die Schweiz hier bisher knapp nicht erreicht. Die Fälle nahmen zuletzt allerdings deutlich zu und dürften dies auch in den nächsten Tagen tun. Denn erfahrungsgemäss geht es einige Tage von der Neuansteckung bis zur Spitaleinlieferung.
Martin Ackermann, Leiter der Task Force des Bundes, erklärte vor einer Woche an der Pressekonferenz: «Geht es so weiter, sind die Spitäler in rund zwei Wochen voll.» Eine Woche ist seither vorbei, noch hat es Platz in den Spitälern. Immerhin wurden Massnahmen ergriffen, welche die Zunahme stoppen soll. Aber Ackermann hielt fest: «Die Spitäler werden ihre Kapazitätsgrenzen überschreiten. Wir können aber mit den Massnahmen diese Phase im November und Dezember verkürzen.»
Die schweren Fälle kommen danach auf die Intensivstation. Auch hier gilt: Aktuell hat es noch genügend freie Betten, der Trend zeigt aber nach oben. Zudem drohen mit dem Ausfall von Pflegepersonal auch die Bettenkapazitäten zu leiden. Schauen wir zuerst auf die Entwicklung der Covid-19-Patienten auf der Intensivstation:
In der nächsten Grafik nehmen wir alle Patienten auf den Intensivstationen der Schweiz, also auch diejenigen, die nicht mit Covid-19 dorthin verlegt werden mussten.
Die Plätze konnten in der heiklen Phase im Frühling bis auf 1600 Betten erweitert werden. Mindestens in diesem Rahmen sollte es – falls benötigt – auch wieder möglich sein. Auffallend zudem: Während des Lockdowns nahmen andere Fälle auf der Intensivstation ab. Zum einen führte das kleinere Verkehrsaufkommen zu weniger Unfällen, zum anderen wurden beispielsweise Organtransplantationen verschoben. Auch dies wird jetzt wieder empfohlen und umgesetzt.
Während die Lage gesamtschweizerisch noch nicht kritisch ist, stossen einige Kantone mit den Intensivplätzen aber an ihre Grenzen. Hier die Situation vom Mittwochabend (4.11.):
Entscheidend für die Einlieferungen ins Spital ist auch die Altersverteilung. In Woche 43 (bis zum 25. Oktober) machten die über 60-Jährigen rund 30 Prozent aller Neuinfektionen aus. In den Spitälern sind allerdings 70 Prozent der Covid-19-Patienten (seit Beginn der Pandemie) aus dieser Altersgruppe.
Wie die Grafik der positiv Getesteten nach Alter zeigt, nahm die Zahl der älteren Personen – und damit der hauptsächlichen Risikogruppe – in den letzten fünf Wochen von rund 20 auf über 30 Prozent zu.
Auch bei den Todesfällen gilt Ähnliches wie bei den Hospitalisationen: Sie zeigen sich erst verspätet. Aktuell sind wir nicht im Bereich der Höchstwerte vom März/April. Aber die Todesfälle nehmen weiter zu.
Wie eingangs erwähnt, erklärte Stefan Kuster vom BAG, dass man die Fallzahlen nicht mit jenen vom Frühling vergleichen darf. Die Anzahl Tests zeigt wieso: Im Vergleich zu damals werden mehr als dreimal so viele Tests durchgeführt – Tendenz steigend.
Beunruhigend ist allerdings die Positivitätsrate. Die WHO hielt fest, dass ab 5% die Dunkelziffer steigt und zu wenig getestet wird. Wir befinden uns im Moment bei knapp 28% (vor zwei Woche noch rund 20%). Dies deutet auf eine grosse Dunkelziffer von Corona-Infektionen hin. Dass die Fallzahlen also aktuell langsamer zunehmen, sollte mit Vorsicht genossen werden.
Dass es aktuell keinen Stadt-Land-Graben gibt, zeigt ein Blick auf die Kantone. In den letzten 14 Tagen waren pro 100'000 Einwohner die Kantone Wallis, Genf und Freiburg am stärksten betroffen. Auffallend: Genf (2633 Fälle) und das Wallis (2560 Fälle) liegen mit ihren Fällen pro 100'000 Einwohner in den letzten 14 Tagen weltweit an der Spitze.
Mit Genf, dem Wallis, Freiburg, dem Jura (alle über 2000 Fälle), der Waadt, Neuenburg, Appenzell Innerrhoden und dem Tessin verzeichneten in den letzten 14 Tagen acht Kantone über 1000 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner. Das war auch in der letzten Woche so, auch wenn die Durchschnittszahlen jetzt höher liegen.
Am wenigsten betroffen ist weiterhin der Kanton Basel-Landschaft mit 560 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner in den letzten 14 Tagen.
Das Contact Tracing der Kantone versucht weiterhin, mit den steigenden Neuinfektionen Schritt zu halten. Auch wenn dies immer schwieriger bis unmöglich wird. In diversen Kantonen sind die Betroffenen aufgerufen, ihre Kontakte selbst zu informieren.
Wenig überraschend ging auch die Anzahl von Personen in Isolation in den letzten Tagen massiv nach oben und steht jetzt mit rund 27'000 bei einem absoluten Höhepunkt.
Ähnlich entwickeln sich auch die Personen in Quarantäne, welche bei Kontakt mit positiv Getesteten ebenfalls zu Hause bleiben müssen. Hier sind aktuell rund 24'000 Personen betroffen, der 7-Tagesschnitt zeigt auch hier steil nach oben.
Anders sieht es bei den Rückkehrern aus Risikogebieten aus. Hier änderte der Bundesrat per 29. Oktober die Grenze. Galten Gebiete vorher als Risikoländer, welche über 60 Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner in den letzten 14 Tagen auswiesen, gilt jetzt: 60 Neuinfektionen mehr als die Schweiz. Aktuell sind dies nur: Andorra, Armenien, Belgien und Tschechien, sowie drei Gebiete in Frankreich.
Dies bedeutet, dass die Personen, die nach Besuchen in Risikoländern in Quarantäne müssen, in den nächsten Tagen weiter einbrechen wird. Aktuell sind noch rund 6300 Personen betroffen.