Es hört sich an wie ein Seufzer der Erleichterung. «Ich bin glücklich», sagt Mark Steiner, Vorstandsmitglied der «Freunde der Verfassung». «Nachdem wir uns nur noch mit uns selber beschäftigt haben, dürfen wir wieder arbeiten.»
Interne Querelen hatten die Bewegung monatelang lahmgelegt. Doch nun ist Morgenröte in Sicht. Am 20. April wurde zuerst der neue Vorstand gewählt - und am 25. Juni zog die Mitgliederversammlung einen Schlussstrich. Sie dauerte knapp fünf Stunden und genehmigte die neuen Statuten und die umstrittene Jahresrechnung.
Nun starten die Verfassungsfreunde ein ehrgeiziges Projekt. Sie wollen in sämtlichen Kantonen eine Kinderschutzinitiative an den Schulen starten, unter dem Titel «Kein Zwang gegen Kinder und Jugendliche».
«Das geht schnell und einfach», sagt der neue Co-Präsident Roland Bühlmann, ein IT-Unternehmer, der seit September 2020 zur Bewegung gehört. «Es geht darum, dass die Schule keine gesundheitlichen Massnahmen ohne Zustimmung der Eltern ergreifen darf.»
Vorstandsmitglied Steiner, der die Initiative im Kanton Bern lanciert, hält als klares Ziel fest: «Die Schule soll sich wieder auf ihre Kernkompetenz - die Bildung - besinnen. Und sich nicht mehr in sanitarische Massnahmen einmischen.»
Gemeint ist damit als Beispiel die Masken- oder Testpflicht. Inbegriffen sind aber sanitarische Massnahmen generell. Für den Kanton Thurgau liegt der Initiativtext bereits vor. Dieser erwähnt explizit das Tragen von Masken, medizinische Untersuchungen sowie Testen und Impfen.
«Massnahmen, die Kinder und Jugendliche betreffen», heisst es im Text, «dürfen nicht propagiert und nicht ohne die Zustimmung der Eltern oder anderer Erziehungsberechtigter angeordnet werden.» Und wenn Eltern die Zustimmung nicht geben, dürften sie und ihre Kinder nicht benachteiligt werden.
Co-Präsident Bühlmann hat als Vater von vier Kindern grosse Probleme mit den Massnahmen, welche die Schulen in der Pandemie getroffen haben. «Es geht nicht, dass man die Schulen über mehrere Wochen hinweg schliesst», sagt er. Und er prangert explizit den Kanton Zug an. «Wir durften da zwar bei der Schulbehörde vorsprechen», erzählt er, «es wurde uns aber schon vor Beginn des Gesprächs gesagt, dass unser Vorsprechen auf die Entscheidungen keinen Einfluss haben wird.» Es ging um die Maskenpflicht ab der ersten Primarklasse.
Da fühle man sich als Bürger nicht ernst genommen, sagt Bühlmann. Er ist überzeugt, dass die kantonalen Volksinitiativen «sehr grosse Unterstützung» erhalten, wenn im Herbst die Maskenpflicht erneut kommt. «Bisher war ja Herr Berset (Gesundheitsminister Alain Berset, Anmerkung der Redaktion) unser bester Mitarbeiter. Er war im Verlaufe der Pandemie einfach unschlagbar.»
Die Mitgliederversammlung gab dem Vorstand aber auch den Segen, eine nationale Volksinitiative auszuarbeiten, im Zusammenhang mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Den «Freunden der Verfassung» sind die Bestrebungen der WHO und ihrer Mitgliedstaaten für ein internationales Abkommen zur Vorbereitung auf künftige Pandemien ein Dorn im Auge. Sie befürchten, die WHO greife künftig in die Souveränität der Staaten ein.
Doch der Bundesrat hält den Ball flach. «Es geht um ein Übereinkommen, eine Vereinbarung oder ein anderes internationales Instrument zur globalen Pandemievorbereitung», antwortete er auf eine Frage von SVP-Nationalrat Andreas Glarner in der Sommersession. Die Schweiz unterstütze diesen Prozess. Verbindliche internationale Instrumente seien auch in ihrem Interesse.
«Wir arbeiten mit renommierten Staatsrechtlern an einer Initiative», sagt Co-Präsident Bühlmann. «Dass die WHO von sich aus in einzelnen Staaten eine Pandemie oder einen Lockdown erklärt, geht gar nicht.» Damit würden demokratische Entscheidungsprozesse torpediert. «Wir werden noch im Sommer einen Initiativtext erarbeiten», sagt Bühlmann.
Parallel dazu hat auch die Jugendbewegung Mass-Voll ein ähnliches Projekt. «Wir arbeiten an einer Souveränitätsinitiative für alle supranationalen Organisationen», sagt Präsident Nicolas A. Rimoldi. Verletzten diese die Souveränität der Schweiz, müsse der Bundesrat Lösungen suchen - sonst komme es zu einem Austritt.
Zurzeit laufen Gespräche darüber, ob man die Initiativprojekte zusammenlegt. «Das ist sehr gut denkbar», sagt Rimoldi. Bühlmann hält fest, es sei «noch unklar», ob es eine oder zwei Initiativen gebe.
Trotz ihrer langen internen Querelen haben die Verfassungsfreunde noch immer 24'000 Mitglieder - auf dem Höhepunkt waren es 25'900. Zudem habe der neue Vorstand einen Verein übernommen, der «auf soliden Beinen» stehe, sagt Bühlmann. Mit Rücklagen, einem Büro und eigenen Mitarbeitern.
Doch die Bewegung muss sich nun über Corona hinaus thematisch erweitern. Der Eindruck, sie sei nur eine Einthemenbewegung, «ist falsch», sagt Bühlmann zwar. «Wir engagieren uns generell für Freiheits- und Grundrechte. Diese Themen passen zu unserer Bewegung.»
Trotzdem diskutierte der Vorstand über Themen der Zukunft. Und fällte einen Entscheid. Bühlmann: «Wir wollen uns künftig auch bei automatischer Überwachung, künstlicher Intelligenz, Bargeld und WHO engagieren.» (aargauerzeitung.ch)
Etwas, was diese Eltern wohl verpasst haben.