Ist man einmal im Algorithmus drin, gibt es kein Entrinnen mehr. Dann fluten sie den Feed, Bild um Bild, Kurzvideo um Kurzvideo. Ob mit Halsband-Kamera ausgerüstet für die perfekte Point-of-View-Einstellung, im putzigen Weihnachtspulli oder als Welpe in der Louis-Vuitton-Tasche. Auf Instagram, TikTok und YouTube sind die Vierbeiner omnipräsent.
Und auch auf der Strasse – gerade im urbanen Raum – trifft man sie immer öfter an: Die Dackel, auch Dachshunde oder im Jägerjargon Teckel genannt.
Jana Hoger, Fachreferentin senior bei der Tierschutzorganisation PETA Deutschland, bestätigt, dass der Dackel ein Trendhund ist. «Die Nachfrage ist extrem gestiegen.» In Deutschland gehört der Dackel zu den zehn beliebtesten Hunderassen.
Auch die in Zürich praktizierende Tierärztin Lea Felder stellt fest: «Der Wunsch, einen Dackel zu halten, hat in den letzten Jahren definitiv zugenommen. Nicht extrem, aber kontinuierlich.»
Wie viele Dackel in der Schweiz gehalten werden, dazu gibt es nur wenig Daten. Weder das Bundesamt für Statistik noch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen führen entsprechende Statistiken.
Tanja Stadler, Zuchtwartin beim Schweizerischen Dachshund-Club, kann nur Auskunft geben über die Anzahl gezüchteter Dackel in der Schweiz. Dies seien pro Jahr rund 130 bis 200.
Das Unternehmen Identitas betreibt zwar die nationale Hundedatenbank Amicus, pro Rasse werden aber jeweils nur die grösseren Populationen erfasst, wie es auf Anfrage heisst. Bei den Dackeln ist dies gemäss Daten der Zwergdackel. Schaut man sich die Zahlen an, zeigt sich ein bedeutender Anstieg.
Im Januar 2016 waren in der Schweiz 6549 Zwergdackel erfasst, im Januar 2024 betrug die Anzahl an gemeldeten Dackeln 8557. Eine Zunahme von rund 30 Prozent.
Es ist eine Statistik, die PETA keine Freude bereitet. Im Gegenteil. Die Tierschutzorganisation bezeichnet die Zucht von Dackeln als Qualzucht. Expertin Jana Hoger sagt:
Zu den erwähnten Krankheiten gehörten Bandscheibenvorfälle, umgangssprachlich «Dackellähme» genannt. Des Weiteren komme es oft zu Fehlbildungen bei den Zwischenwirbeln. Hoger erwähnt zudem die kurzen, krummen Beine der Dackel, die ab einem gewissen Zeitpunkt Schmerzen beim Laufen verursachten. «Die Dackel wollen dann nicht mehr laufen, um ihre Beine zu entlasten.» Gerade bei älteren Dackeln seien rassespezifische Probleme sehr häufig.
Ist das Halten eines Dackels vor dem Hintergrund dieser gesundheitlichen Probleme noch vertretbar? Expertin Jana Hoger: «Aus Tierschutzsicht muss ich ganz klar sagen: Nein. Eine Ausnahme stellt die Adoption von Dackeln aus Tierheimen dar, die sind ja schon da.»
Diametral anders beurteilt Kurt Hartmann die Dackelzucht. Hartmann ist seit über zehn Jahren Präsident des Schweizerischen Dachshund-Clubs. Im vorderen Prättigau, unterhalb von Klosters, hält und züchtet der Bündner seit 30 Jahren Dackel. Nach der telefonischen Kontaktaufnahme hat Hartmann einen gemeinsamen Spaziergang mit seinen Hunden vorgeschlagen.
Wobei «Spaziergang» etwas untertrieben ist. Mit dem Postauto geht es in engsten Serpentinen von Schiers steil hinauf nach Schuders, ein 40-Seelen-Dorf auf knapp 1300 Metern über Meer. Und von Schuders danach über teils unwegsames Gelände – Schnee, Laub, Geröll – zurück nach Schiers. Mit dabei sind seine beiden Dackelweibchen, Mutter Mira und Tochter Gioia.
Die drei letzten Würfe von Mira brachten 19 Welpen. Auf die Qualzucht-Vorwürfe der Tierschutzorganisation PETA entgegnet Hartmann: «Das ist komplett falsch.» Dackel müsse man artgerecht halten, dann komme es auch nicht zu den erwähnten gesundheitlichen Problemen. Wie sieht diese «artgerechte Haltung» aus?
Ein Seitenhieb an die Social-Media-Community und deren Art, ihre Tiere zu präsentieren. Auch wenn Hartmann ein einfaches, ländliches Leben führt und in seinem Leben erst ein einziges Mal in ein Flugzeug stieg, ein Smartphone besitzt auch er.
Dackel sollten sich ausleben können, eine gute Kondition haben, findet Hartmann. Dann hätten sie auch eine entsprechende Muskulatur aufgebaut, die ihre Rücken schütze und gesundheitlichen Schäden vorbeuge.
Dies sei aber nicht möglich, wenn man zweimal am Tag mit seinem Dackel spazieren gehe und er sonst auf dem Sofa liege. Hartmann betont:
Die Tierschutzorganisation PETA spricht also von Qualzucht und betrachtet das gezielte Vermehren von Dackeln als nicht vertretbar. Dachshund-Club-Präsident und Züchter Kurt Hartmann sieht darin keine Probleme. Eine Position dazwischen nimmt Tierärztin Lea Felder ein.
Einerseits bestätigt Felder, dass Dackel ein erhöhtes Risiko aufweisen, an der Dackellähme und Beschwerden am Bewegungsapparat zu erkranken. Dies, weil ihre Beine im Verhältnis zum Rücken zu kurz sind.
Andererseits hält sie fest: «Bei Dackeln betrachte ich die rassetypischen Erkrankungen durchaus als kritisch. Die Dackelzucht generell als Qualzucht zu verteufeln und sie deswegen zu verbieten, geht für mich jedoch zu weit.» Auch wenn die Wahrscheinlichkeit erhöht sei: Nicht jeder Dackel würde an einem Bandscheibenvorfall erkranken.
Rassespezifische Erkrankungen seien zudem bei sehr vielen Hundezuchten der Fall. Die komplette Vermeidung von zuchtbedingten gesundheitlichen Problemen sei die Idealvorstellung. Dafür müssten aber sehr viele Hunderassen «reguliert» oder verboten werden, nicht nur der Dackel. «Das halte ich leider für unrealistisch und schwer umsetzbar», so die Tierärztin, «deswegen schlage ich vor, dass man diejenigen Rassen verbietet, die unter ständigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leiden, wie zum Beispiel die französische Bulldogge oder der Mops.»
Felder stützt Dackelzüchter Hartmann zudem in seiner Ansicht, dass artgerechte Haltung gesundheitlichen Schäden entgegenwirkt.
Doch was passiert, wenn Dackel nicht artgerecht gehalten werden und wirklich unter schmerzhaften gesundheitlichen Problemen leiden?
Hier kommt die Expertise von Peter V. Kunz ins Spiel. Kunz ist Rechtsanwalt und Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern. Er schrieb das erste, 800 Seiten umfassende, Standardwerk zum Schweizer Tierrecht, das im vergangenen Jahr erschien.
Anfangs in akademischen Kreisen belächelt, hat sich der Jurist mit seiner Arbeit mittlerweile etabliert. Die Uni Bern bietet sogar eine Vorlesung und ein Seminar zum Thema Tierrecht an.
Sonderregelungen für Dackel gebe es nicht, sagt Kunz zu watson. «Hunde sind im Recht jedoch sehr umfassend geregelt.» Am wichtigsten sei die Verordnung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV «über den Tierschutz beim Züchten.»
Der Wirtschaftsrechtler erwähnt einen relevanten Punkt: Sobald ein gezüchtetes Tier im Besitz des Käufers ist, ist er für dessen gesundheitliche Probleme verantwortlich und nicht mehr der Züchter. Der Dackelhalter sei angewiesen, allfälliges Leiden zu beheben. Im schlimmsten Fall sei ein Halter sogar verpflichtet, einen Dackel einschläfern zu lassen. «Geschieht dies nicht, macht sich ein Halter der Tierquälerei schuldig und damit strafbar.»
Dasselbe gelte für ein Zuchtergebnis, «das automatisch – praktisch zwangsweise – zu Leiden und Schmerzen führt». «Solche Qualzuchten können nicht nur mit Gefängnisstrafen von bis zu drei Jahren bestraft werden, sondern auch mit einem vom Veterinäramt erteilten Zuchtverbot.»
Kunz erwähnt die mittlerweile mit einem Verbot belegte Zucht der Tanzmaus. «Tanzmäuse leiden physisch, denn sie ‹tanzen›, weil sie aufgrund einer Fehlbildung im Innenohr taub sind und sozusagen kreisförmig zucken, was als ‹Tanz› missverstanden wird – eine klare Qualzucht!»
Bei der legalen und in der Schweiz verbreiteten Dackelzucht ist dies nicht der Fall. Kunz artikuliert mit juristischer Präzision: «Sagen Tierschützer, dass Dackel leiden, mag das so sein – das heisst aber noch nicht automatisch, dass Tierquälerei vorliegt.» Für eine Tierquälerei müsse ein «erhebliches Leid» vorhanden sein. «Nicht jedes Leiden ist ein Problem, sondern nur ein qualifiziertes Leiden, wenn Sie so wollen.»
Kunz findet: Sollten Tierschützer mit den aktuell geltenden rechtlichen Vorschriften unzufrieden sein, müssten diese auf politischem Weg – etwa durch ihre Vertreter im Parlament – Verschärfungen anstossen. «Generell kann man nicht sagen, dass bei der Dackelzucht etwas im Argen liegt, sonst wären die kantonalen Veterinärämter schon heute verpflichtet, einzugreifen.»
Der juristische Graubereich. Ein Aspekt, den auch Jana Hoger thematisiert. Die Tierschützerin von PETA deckt mit ihrer Arbeit Deutschland und die Schweiz ab. In beiden Ländern existiere ein Verbot für Qualzuchten, «das Problem ist aber, dass nicht exakt definiert ist, ab wann es sich um eine Qualzucht handelt.»
Hoger erwähnt als Beispiel den Mops oder die französische Bulldogge. «Deren Nasen sind dermassen zurückgezüchtet, da sieht man auf den ersten Blick, dass diese Hunde Mühe haben zu atmen. Sie leiden, und zwar ein Leben lang.»
Auch Tierärztin Felder («Die Rassen mit den kurzen Nasen betrachte ich vielmehr als Hunde aus einer Qualzucht») und Züchter Hartmann («Das ist extrem tierquälerisch») stehen sogenannten kurznasigen Hunderassen höchst kritisch gegenüber.
Bei Dackeln wiederum sei es vielen Menschen auf den ersten Blick nicht klar, warum es sich um eine Qualzucht handle, fährt Hoger fort. Es brauche dringend gesetzliche Verschärfungen, eine exaktere Definition. «Bei Dackeln könnte man zum Beispiel festlegen, ab welcher Körperlänge sie von Dackellähme betroffen sind.»
Tierschützerin Hoger ist sich bewusst, dass gesetzliche Verschärfungen hauptsächlich auf politischem Weg angestrebt werden müssen. Gleichzeitig kritisiert sie das zu wenig speditive Vorgehen der Politik. «In Deutschland wird derzeit das Tierschutzgesetz überarbeitet. Es gibt aber extrem lange Übergangsfristen von bis zu 15 Jahren, das geht nicht.»
Geschieht nichts auf der Angebotsseite, muss der Hebel bei der Nachfrage angesetzt werden. Sowohl Tierärztin Lea Felder als auch PETA-Expertin Jana Hoger erwähnen die überfüllten Tierheime in der Schweiz und Deutschland. Hoger kann das Züchten von Tieren deshalb «absolut nicht nachvollziehen».
Dass man mit dem Argument der Tierheime jedoch nicht automatisch zu Personen mit Hundewunsch durchdringt, stellt Lea Felder in ihrem Arbeitsalltag immer wieder fest: «Menschen möchten eher jüngere, niedliche Tiere. Social Media verstärkt dieses Bedürfnis mit Bildern von süssen Welpen. Solche Tiere findet man in Tierheimen eher weniger.»
Kurt Hartmann vom Schweizerischen Dachshund-Club rät speziell älteren Menschen davon ab, sich einen Dackelwelpen anzuschaffen. «Einem 70-Jährigen empfehle ich, besser ins Tierheim zu gehen.» Hartmann weiss aus Erfahrung aber auch: «Wer einen Dackel möchte, möchte einen Dackel.»
Was schade ist, da junge Leute eher keine älteren Hunde möchten.
Qualzuchten an sich gibt es viel zu viele bei diversen Tieren. Diese sind auch meiner Meinung nach wirklich ein Problem und man sollte deutlich strenger dagegen vorgehen.