Der Leibhaftige flimmert am Freitagabend über den Fernseher. Jan Böhmermann nimmt die Republik mit in die Welt der satanistischen Weltverschwörungserzählungen. «Rituelle Gewalt», nennt die Hauptperson der Sendung, eine deutsche Psychotherapeutin mit Sitz in Portugal, das Phänomen, von dem sie behauptet, es sei sexualisierte Gewalt riesigen Ausmasses. Böhmermann spricht von «Bullshit», und unterstreicht das Gefahrenpotential. Die Konfrontierte streitet abstrakt ab, lässt ihren Anwalt antworten und erhebt Gegenvorwürfe.
Böhmermann und die «ZDF Magazin Royale»-Redaktion sind nicht die ersten, die die Thesen der Psychologin auseinandernehmen und als Teil der «Satanic Panic» der 1970er und 80er-Jahre entlarven. Im März war es der «Spiegel», der auf eine ganze «Szene» von Therapeut:innen hinwies, die traumatisierten Menschen weismache, sie seien von «satanistischen Sekten» missbraucht worden.
Keine deutsche Polizeibehörde habe nach Recherchen des Böhmermannschen Teams einen Hinweis auf «rituelle Gewalt». Der schweizerische Berufsverband für angewandte Psychologie bezeichnet die These als «Verschwörungstheorie». In den Niederlanden gab es eine parlamentarische Untersuchung, ohne jedes Ergebnis.
Zum Verständnis, wie Menschen auf die Idee kommen, dass irgendwelche geheimen Teufelsanbeterkreise Kinder missbrauchen würden, bietet Böhmermann die «Satanic Panic» an. Ein Phänomen das, so der Satiriker, in den 1970ern von einem kanadischen Psychiater losgetreten wurde. Der habe einer seiner Patientinnen dazu gebracht, öffentlich glaubhaft zu machen, sie sei von einem satanistischen Kult in einem monatelangen Ritual missbraucht worden. Bei diesen sei der Teufel höchstpersönlich beschworen worden.
Seitdem hält sich diese Verschwörungserzählung hartnäckig. Trotz x-facher Widerlegung. Und die von Böhmermann kritisierte Psychologin verkaufe seit den 90er Jahren Bücher, die die These befeuerten. Böhmermann hält zudem diverse semi-seriöse Selbsthilfeprodukte in die Kamera.
Die Recherche und Böhmermanns Interpretation bieten einen Überblick, wie sogar das Bundesfamilienministerium unter Merkel auf die Verschwörungserzählung aus Nordamerika hereingefallen ist. Das finanzierte damals ein Werbevideo des Vereins «Kinderschutzzentren», in dem von «Mind Control» die Rede war. Heute distanzieren sich alle Beteiligten und die deutsche Psychotherapeutin lässt sich von einer «höllisch motivierten Kölner Anwaltskanzlei» vertreten und sagt lediglich zwei Dinge: Ihre Bücher müsse man im Kontext der Zeit sehen. Und sich als Journalist:in in ein «Trauma»-Seminar zu schleichen, um zu erfahren, was dort los ist, erinnere an «Täterkreise».
Der Aufwand und die Liebe zum Detail der jede Woche in diese Show gesteckt wird 🔥#himmeloderhölle #zdfmagazin pic.twitter.com/KciJduDbYk
— anne 🦭 (@anne_marie598) September 8, 2023
Das fragliche Seminar, so das Gedächtnisprotokoll aus der «ZDF Magazin Royale»-Redaktion, sei gespickt mit Absurditäten gewesen: «Sonnwendfeier» sei eine Art Codewort. Am 21. Juni – der Sommersonnenwende – ginge es einer der Patient:innen von der besagten Psychologin stets «super schlecht». Grundsätzlich sei es viel um die Zeitpunkte der angeblichen Schwarzen Messen der Satanisten gegangen. Böhmermann präsentiert auch eine alte PowerPoint-Präsentation.
Dort werden angebliche «Anzeichen» wie «Erinnerungen an bizarre Hochzeitszeremonien» referiert. In ihrem Buch behauptet die Psychologin ohne deutsche Adresse im Impressum, dass «Staatsanwälte, Journalisten und Kommissare» alle in die Verschwörung verstrickt seien. Oder dass angebliche Opfer die «Augenfarbe wechseln» könnten und dies ein Anzeichen auf durch «Mind Control» gespaltene Persönlichkeiten seien. All das sei im «Kontext der Zeit zu sehen», so die Psychologin. Neben einem ellenlangen Schriftsatz ihres Anwaltes liege, so Böhmermann, jetzt noch eine «anonyme Strafanzeige», wegen des Sendeinhalts vor.
Der «Spiegel» hat noch einen Fall von realen Konsequenzen recherchiert: In einem «echten Sorgerechtsstreit» sei – so Böhmermann – ein Gutachten durchgekommen, in dem von wechselnden Augenfarben die Rede gewesen sei. Und noch schwerer im Gewicht und leider nicht im Schlussappell: Diese kruden Theorien schaden dem Vertrauen in das Therapiesystem für Menschen, die Opfer sexualisierter Gewalt und anderer traumatisierender Übergriffe geworden sind.
Man erzählt, es gäbe ein Satanistisches Netzwerk, wo bei Ritualen Gewalt angewendet wird, Menschen erzählen es weiter und irgendwann verfestigt sich der glaube, dass solch ein Netzwerk gibt.
— Michael Mayr 📯 (@Doener_Keks) September 8, 2023
Jene spielen sich dann als Experten auf und verdienen so Kohle. #HimmelOderHoelle
Genau so lief es auch mit dem Jesus-Mythos-Quatsch. Einfach in die andere Richtung. Das Dilemma. Wir haben heute Milliarden von Gott- und Jesus-Gläubigen, die vielen Menschen das Leben schwer machen. Von klein auf werden Kinder damit indoktriniert und werden es, wenn überhaupt, nur sehr schwer wieder los. Ist im Grunde genau dasselbe, meist auch noch staatlich gefördert. Siehe BR, die auf Gott schwören.