Schweiz
Die Mitte

Bundesrat-Nachfolge: Welche Frau könnte auf Viola Amherd folgen?

Mitte-Frauen wollen aufs Bundesratsticket – fragt sich bloss: mit wem?

Auch im Jahr 2025 ist die Frage der Frauenvertretung im Bundesrat noch immer ein Thema: Nach Viola Amherds Rücktritt ist es gut möglich, dass in der Regierung bald nur zwei Frauen fünf Männern gegenübersitzen. Dagegen formiert sich nun breiter Widerstand.
18.01.2025, 09:02
Stefan Bühler und Doris Kleck / ch media
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Vertraten die Mitte-Partei (ehemals CVP) während 18 Jahren in der Landesregierung: Doris Leuthard war 12 Jahre Bundesrätin, Viola Amherd 6 Jahre.
Vertraten die Mitte-Partei (ehemals CVP) während 18 Jahren in der Landesregierung: Doris Leuthard war 12 Jahre Bundesrätin, Viola Amherd 6 Jahre.Bild: Jean-Christophe Bott / Keystone (Sion, 13. 12. 2018)

Die Frage war nicht mehr, ob, sondern wann sie zurücktritt: Viola Amherd beantworte sie früher, als viele gedacht haben. Bereits Ende März ist Schluss. Die erste Verteidigungsministerin der Schweiz hat genug. Dabei haben viele gedacht, Amherd werde sich die Eröffnung der Frauenfussball-Europameisterschaft im Sommer als Bundesrätin nicht entgehen lassen. So lange werde sie sicher bleiben. Falsch spekuliert. «So ist die Situation viel besser. Ich habe viel mehr Zeit, die Matches zu schauen», sagte Amherd am Mittwoch vor den Medien.

Die Förderung von Frauen, egal ob im Sport, in der Armee oder in der Politik: Mit Viola Amherd verlässt auch eine überzeugte Feministin den Bundesrat.

Ein Blick zurück. Im Januar 2018 versammelten sich gegen hundert Personen beim Bundeshaus zum Fototermin. Darunter auch Nationalrätinnen und Nationalräte – vornehmlich aus dem links-grünen Lager. Doch auch eine CVP-Frau war dabei. Viola Amherd, damals noch Nationalrätin, schnappte sich für das Gruppenfoto ein Fussballtrikot. Darauf streckt eine Frau ihre Faust in die Höhe. Eine Heldin: selbstbewusst und optimistisch. Es war eine Aktion der Frauendachorganisation Alliance F. Sie warb für mehr Frauen im Bundesrat, weil gemischte Teams einfach besser seien. Zu diesem Zeitpunkt sassen mit Simonetta Sommaruga (SP) und Doris Leuthard (CVP) nur zwei Frauen in der siebenköpfigen Regierung. Der Unmut der Frauen war gross. Im Parlament war ein Vorstoss hängig, welcher eine «angemessene Vertretung» der Frauen im Bundesrat in die Verfassung schreiben wollte. Eine gewisse Viola Amherd sagte am Rande der Aktion: «Wir müssen vorwärtsmachen. Ohne Quoten geht es zu langsam.»

Der Vorstoss kam zwar nicht durch das Parlament. Der Druck zeigte indes Wirkung: Im Dezember 2018 wählte die Bundesversammlung mit Viola Amherd und Karin Keller-Sutter zwei Frauen in den Bundesrat. 3 zu 4 lautete das Verhältnis seither.

Zwei neue Bundesrätinnen an einem Tag: Karin Keller-Sutter, rechts, und Viola Amherd bei ihrer Vereidigung.
Zwei neue Bundesrätinnen an einem Tag: Karin Keller-Sutter, rechts, und Viola Amherd bei ihrer Vereidigung.Bild: Anthony Anex / Keystone (Bundeshaus, 5. 12. 2018)

Doch jetzt, sieben Jahre später, deutet vieles darauf hin, dass bald wieder nur noch zwei Frauen in der Landesregierung sitzen: Karin Keller-Sutter und Elisabeth Baume-Schneider. Nach der Rücktrittsankündigung von Mitte-Bundesrätin Viola Amherd zählen ausschliesslich Männer zum Favoritenkreis: Parteipräsident Gerhard Pfister und Martin Candinas, Bündner Nationalrat und ehemaliger Nationalratspräsident.

Yvonne Bürgin, Vizepräsidentin der Mitte-Partei, erklärt sich das auch mit der jüngeren Vergangenheit: «Nach 18 Jahren mit Frauen im Bundesrat, zuerst Doris Leuthard, danach Viola Amherd, hoffen die Mitte-Männer, dass sie jetzt am Zug sind», sagt die Zürcher Mitte-Nationalrätin.

Trotzdem will Bürgin den Bundesratssitz der Mitte nicht kampflos den Männern überlassen: «Ich fände es gut, ein breites Angebot zu machen, mit einem Dreierticket, zwei Männer und eine Frau», sagt sie: «Wir müssen das Feld frei halten. So können wir zeigen, dass wir viele gute Kandidatinnen und Kandidaten haben.»

Christina Bachmann-Roth engagiert sich von Amtes wegen um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis in den Parteigremien. Die Präsidentin der Mitte-Frauen sagt klar: «Die Mitte-Frauen fordern mindestens eine Frau auf dem Ticket. Ich könnte mir vorstellen, dass die Fraktion der Bundesversammlung ein Dreierticket präsentieren wird.»

Bloss: Die Auswahl an Parlamentarierinnen, die für eine Wahl in den Bundesrat überhaupt infrage kommen, wird durch äussere Umstände stark eingeschränkt. Im Ständerat, an sich ein gutes Reservoir für Bundesratskandidaturen, sind drei der sechs Mitte-Frauen schon im Rentenalter. Im Nationalrat sind derweil fünf von neun Frauen erst seit einem Jahr im Amt. Es fehle der Erfahrungsschatz im Bundeshaus, ist aus diesen Reihen zu hören. Eine Kandidatur käme zu früh.

Trotzdem sagt Mitte-Vizepräsidentin Bürgin: «Wir haben geeignete Frauen, die Ständerätinnen Heidi Z'graggen oder Andrea Gmür zum Beispiel. Und natürlich würde Isabelle Chassot alles mitbringen, was es braucht. Sie hat erst halbwegs abgesagt – sie soll nochmals darüber schlafen.»

Isabelle Chassot, Staenderaetin Mitte-FR, Praesidentin PUK, spricht waehrend der Medienkonferenz ueber die Ergebnisse der Parlamentarischen Untersuchungskommission PUK zum Fall der Credit Suisse, am F ...
Grosser Erfahrungsschatz: Ständerätin Isabelle Chassot.Bild: keystone

Isabelle Chassot. Auf der Freiburgerin vereinigen sich die grössten Hoffnungen der Mitte-Frauen. Mit ihrer Erfahrung als Staatsrätin, als ehemalige Direktorin des Bundesamts für Kultur und jüngst als Präsidentin der Parlamentarischen Untersuchungskommission PUK zum Credit-Suisse-Debakel hat sie einen Leistungsausweis und Erfahrungsschatz, den die beiden derzeitigen Favoriten Pfister und Candinas selbst zusammen nicht nachweisen können.

Bloss sagte Chassot jüngst zum Westschweizer Radio über ihre Bundesratsambitionen: «Es fehlt mir die Lust, Lust zu haben.» Das ist keine ausdrückliche Absage, aber es ist auch kein Motivationsschreiben. Die Mitte-Frauen suchen nun das Gespräch mit ihr: «Wir arbeiten daran, dass Isabelle Chassot auf ihre Absage zurückkommt», sagt Präsidentin Christine Bachmann-Roth.

Die CVP-Bundesratskandidaten Heidi Z'Graggen, Regierungsraetin-UR und Viola Amherd, Nationalraetin-VS, von links, anlaesslich einem Podium, am Mittwoch, 31. Oktober 2018, in Bern. (KEYSTONE/Peter ...
Im Rennen gegen Viola Amherd zog Heidi Z'graggen (links) den Kürzeren.Bild: KEYSTONE

Hält sich Chassot raus, rückt wohl die Urner Ständerätin Heidi Z'graggen in den Fokus. Sie unterlag bei den Bundesratswahlen 2018 gegen Viola Amherd. Man sagt, sie sei damals von Gerhard Pfister unterstützt worden, um Amherd zu verhindern – was offensichtlich nicht geklappt hat. Pikant: Sollte Z'graggen jetzt antreten, könnte es darauf hinauslaufen, dass sie Pfister verhindert. Sie war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

Mehrmals wird in Gesprächen über mögliche Frauenkandidaturen auch der Name der Luzerner Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger genannt. «Das freut und ehrt mich», sagt sie. In der Tat gehe es um das aus ihrer Sicht wichtigste Departement: «Im Verteidigungsdepartement stehen nun, nachdem Viola Amherd mehrere Reformen erfolgreich durchgeführt hat, Konsolidierung und Kontinuität im Zentrum.» Als Präsidentin der ständerätlichen Sicherheitskommission seien ihr alle Dossiers bekannt. «Ich kenne auch die Menschen im VBS und arbeite sehr gerne mit ihnen zusammen.» Ist das eine Bewerbung für eine Bundesratskandidatur? «Bietet sich diese Gelegenheit, überlegt man sich das», sagt die Luzernerin.

Andrea Gmuer, Mitte-LU, spricht zur Finanzierung der Armee an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Montag, 3. Juni 2024 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Signalisiert Interesse: Sicherheitspolitikerin Andrea Gmür, Ständerätin aus Luzern.Bild: keystone

Und schliesslich sind da noch die vielen Mitte-Regierungsrätinnen, etwa die Nidwaldnerin Karin Kayser-Frutschi. Sie hat sich als Co-Präsidentin der Polizeidirektorenkonferenz einen Namen gemacht im Zusammenhang mit dem Hooligan-Konkordat. Zudem war sie als Sicherheitsdirektorin stark in die Organisation und den Schutz der Bürgenstock-Konferenz involviert. Im Small Talk mit Kamala Harris schnupperte sie schon mal die Luft der grossen internationalen Politik.

Eine Nationalrätin, die sich auch schon mal um eine Bundesratskandidatur beworben hat, ist die Baselbieterin Elisabeth Schneider-Schneiter. Bei der Nachfolge von Doris Leuthard schaffte sie es jedoch nicht aufs Ticket. Jetzt wartet sie ab: «Ich will wissen, wer ins Rennen steigt – je nachdem werde ich entscheiden.» Es brauche auf jeden Fall jemanden, «der im EU-Dossier vorwärtsmachen will».

Für Schneider-Schneiter ist völlig klar, «dass die Spitzenjobs der Partei nicht nur von Männern besetzt werden.» Diese Gefahr besteht derzeit: Im Bundesratsrennen haben die Männer die Nase vorn, beim Parteipräsidium, das Gerhard Pfister auf Sommer abgeben will, gilt Fraktionschef Philipp Bregy als Favorit. Und die Mitte-Gruppen im National- und im Ständerat werden mit Nicolò Paganini und Pirmin Bischof von zwei Männern angeführt. Schneider-Schneiters Forderung läuft darauf hinaus, dass entweder der Bundesratssitz oder das Parteipräsidium den Frauen zusteht.

Erste Richtungsentscheide zum Bundesratsrennen dürften am Montag fallen, wenn sich das Präsidium um Gerhard Pfister zur Sitzung versammelt. Gut möglich, dass dort auch schon die Frage des Dreier- oder Zweiertickets diskutiert wird.

Alliance-F-Präsidentin fordert ein Frauenticket

Seit Dezember 2018 waren im Bundesrat immer drei Frauen vertreten. 3 zu 4: Das sei die neue Konkordanzformel, auf die sich die Parteien damals zumindest informell geeinigt hätten, sagt Kathrin Bertschy, GLP-Nationalrätin und Co-Präsidentin der Frauendachorganisation Alliance F. Sie verweist auf entsprechende öffentliche Aussagen verschiedener Fraktionschefs zu jener Zeit.

«Frauen sind im Bundesrat schon heute in der Minderheit. Es widerspricht meinem Konkordanzverständnis, eine Frau durch einen Mann zu ersetzen», sagt Bertschy. «Ich erwarte, dass die Mitte-Partei für die Nachfolge ein Frauenticket präsentiert.» Bertschy anerkennt zwar, dass die Mitte-Partei nun zwei Bundesrätinnen in Folge gestellt hat. Es gehe nun aber nicht um die persönlichen Ambitionen einzelner Männer in der Mitte-Fraktion, sondern darum, dass sich die Bevölkerung mit dem Bundesrat identifizieren könne und auch die Frauen genügend repräsentiert seien.

Das sieht Christine Bachmann-Roth gleich: «Das Landesinteresse geht vor Parteiinteressen: 2 Frauen im Bundesrat sind zu wenig.» (aargauerzeitung.ch)

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53 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Juana
18.01.2025 09:48registriert Mai 2024
Es geht doch nicht um das Geschlecht sondern um die Fähigkeit.
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Sonichu
18.01.2025 09:27registriert Dezember 2022
Oder (ganz verrückte Idee), man nimmt einfach immer die besten Kandidaten aufs Ticket, dann fühlt sich niemand ausgeschlossen. Ich verliere lieber gegen Jemanden, der besser geeignet ist, als dass ich wegen des Geschlechts gar keine Chance hatte.
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Lieblingsidiot
18.01.2025 09:38registriert September 2021
Warum werden nicht die fähigsten Personen zur Wahl gestellt. Mit ist es Persönlich egal wer den Job übernimmt, solange diese Person den gefordeten Ansprüchen entspricht. Das Wohlergehen der Nation sollte nicht an einer Quote scheitern
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