«Am Mittag sind alle gestresst, unser Personal, aber auch die Gäste, weil alle gleichzeitig bezahlen möchten», sagt Daniel Wiesner. Er ist Co-Geschäftsführer der Firma Familie Wiesner Gastronomie, die in der Deutschschweiz 34 Lokale betreibt, darunter Restaurants wie «The Butcher», «Miss Miu» und die «Negishi Sushi Bar». Wiesner gehört zu den ersten grossen Betrieben, die hierzulande die Software Yoordi verwenden.
Die Idee: Dank eines QR-Codes können die Gäste die Menukarte auf ihrem Smartphone durchstöbern - eine kontaktlose Option, die besonders während der Coronapandemie dank Smartphone-Kamera zur Anwendung kam - und die Rechnung kann ebenfalls direkt via Handy beglichen werden. Der Ruf nach der Kellnerin oder dem Kellner, das Warten auf die Rechnung und deren persönliche Begleichung in bar oder per Kreditkarte entfällt. Und ein App-Download ist nicht nötig.
Wiesner bietet diese Möglichkeit in allen seinen Restaurants an, an einem Standort sogar nur noch diese. «Je nach Standort gibt es Unterschiede, aber im Schnitt bezahlen am Mittag rund 40 Prozent der Gäste selbstständig, am Abend etwa 30 Prozent, und die Tendenz ist steigend», sagt Wiesner.
Die Zürcher Gastro-Gruppe ist nicht die einzige Yoordi-Kundin. Elisa Chiarelli, Chefin des Start-ups, das 2019 gegründet wurde, spricht von «mehreren hundert Restaurants in der Schweiz und einigen EU-Ländern», die auf die Zürcher Lösung setzen würden.
Dabei soll es nicht bleiben. Man stehe kurz vor Abschluss einer Finanzierungsrunde für den Ausbau in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken, sagt Chiarelli. «Es ist der Startschuss für eine grosse Wachstumsphase, denn in den nächsten Jahren möchten wir mehrere Tausende Restaurants an Bord holen.» Bis Ende Jahr wird das heute sechsköpfige Team acht Angestellte zählen.
Einen mindestens so grossen Expansionshunger haben «Twenty Pay» aus Lausanne und «Tastier» aus Zürich, deren App praktisch gleich funktioniert wie jene von Yoordi. Im März, gerade Mal fünf Monate nach der Gründung, konnte das Westschweizer Start-up Twenty Pay in einer Finanzierungsrunde 700'000 Franken einsammeln. «Und demnächst schliessen wir eine zweite Runde ab, bei der es um rund eine Million von Privatinvestoren geht», sagt Mitgründer und Geschäftsführer David Ben Adiba.
Und Tastier-Gründer Michael Zoller spricht von einer Finanzierungsrunde «in sechs- bis siebenstelliger Höhe», die bis Ende Jahr abgeschlossen werden dürfte.
Twenty Pay zählt rund 70 Restaurant-Kunden in Genf, Lausanne, Montreux, Vevey, Morges und Nyon. Bezahlt werden kann mit den gängigen Angeboten wie Twint, Apple Pay, Google Pay oder Kreditkarte. Die Tastier-Lösung wird unter anderem von dem Zürcher Gastrounternehmen Candrian Catering und in der Aletsch-Arena im Wallis benutzt.
Twenty-Pay-Geschäftsführer Ben Adiba ist wie Tastier-Gründer Zoller und Yoordi-Co-Chefin Chiarelli vom Wachstumspotenzial überzeugt: «Niemand wartet gerne auf die Rechnung», sagt der 26-Jährige. «Wenn man nach einem feinen Essen 15 Minuten ausharren muss, kann dies den Gesamteindruck des Restaurantbesuchs stark beeinträchtigen, selbst wenn der Wein und das Steak vorzüglich waren.»
Und dann wäre da die aktuelle Personalsituation in der Gastronomie, auf die sowohl Chiarelli als auch Ben Adiba verweisen. «Der Bedarf an Serviceangestellten ist derzeit riesig», sagt der Twenty-Pay-Chef. «Ich kenne diverse Gastronomen, die ihren Betrieb nur zu gewissen Stunden oder sogar gar nicht öffnen können, weil ihnen das Personal fehlt.» Mit der Auslagerung des Bestell- und Bezahlprozesses an die Kundschaft gewinne man hingegen als Gastgeber einiges an Zeit.
Dass deswegen Stellen verloren gingen, glaubt Ben Adiba hingegen nicht. Auch für die Serviceangestellten sei die Bezahlung kein besonders inspirierender Vorgang. «Mit der gewonnenen Zeit können sie sich vermehrt auf die persönliche Beratung konzentrieren und den Gästen Empfehlungen abgeben. Das ist ihre wahre Passion, nicht das Münz- und Notenzählen.»
Yoordi-Chefin Chiarelli betont zudem, dass es den Gastronominnen und Gastronomen überlassen sei, welche Option sie anbieten möchten: Entweder nur die digitale Menukarte, die Bestellung, die Bezahlung - «oder alle drei zusammen».
Doch wenn der persönliche Kontakt zum Schluss des Bar- oder Restaurantbesuchs fehlt, was ist dann mit dem Trinkgeld? «Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Leute bei der Bezahlung auf dem Handy im Schnitt sogar 40 Prozent mehr hinterlassen», sagt Ben Adiba. «Manchmal sogar doppelt so viel.» Denn bei der digitalen Rechnung erscheint - ähnlich wie man es vom Online-Taxi und Food-Lieferdienst Uber kennt - ein fixer Trinkgeldvorschlag in der Höhe von 5, 10, 15 oder mehr Prozent.
Tastier bietet den Gastronomen drei verschiedene Preismodelle an. Bei der Standard-Lösung wird eine monatliche Gebühr von 99 Franken fällig, sowie 1.7 Prozent pro Umsatzfranken und 20 Rappen pro Transaktion. Kreditkartengebühren sind darin bereits inbegriffen. Twenty Pay als auch Yoordi verraten ihre Kommissionssätze hingegen nicht. Ben Adiba nennt stattdessen lieber einen weiteren Vorteil im Hinblick auf das gemeinsame Schauen von Eishockey- oder Fussballmatches in Bars:
Chiarelli von Yoordi sieht derweil durchaus Grenzen des Wachstums: Der Durchbruch hänge nicht nur von der Offenheit der Betriebe ab, sondern auch von den Gästen und ihrer Fähigkeit, ein Smartphone zu benutzen. Sprich: Die digitale Lösung ist wohl nicht für jede Zielgruppe ideal. Die Dorfbeiz mit ihren älteren Stammgästen, die sich ein Feierabendbier gönnen, wird wohl auch künftig ohne QR-Codes auskommen. (aargauerzeitung.ch)
Mal ne ehrliche Aussage…
Was erhalte ich als Kunde dafür?
Wenn der Bezahl- und vor allem der Bestellprozesses digital ausgelagert wird – Wann findet dann genau die persönliche Beratung und die Empfehlung an die Gäste statt?