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Schweiz: Start-ups planen die Restaurant-Revolution mit QR-Codes

Das Ende von «Die Rechnung, bitte»?: Schweizer Start-ups planen die Restaurant-Revolution

Das Menu? Auf dem Handy. Die Bezahlung? Ebenfalls. Drei Schweizer Jungunternehmen expandieren derzeit mit ihren QR-Codes für den Service in der Gastronomie. Vor allem aus einem aktuellen Grund könnte ihre Lösung an Bedeutung gewinnen.
17.09.2022, 11:3317.09.2022, 11:34
Benjamin Weinmann / ch media
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Gastronom Daniel Wiesner.
Gastronom Daniel Wiesner.Bild: zvg

«Am Mittag sind alle gestresst, unser Personal, aber auch die Gäste, weil alle gleichzeitig bezahlen möchten», sagt Daniel Wiesner. Er ist Co-Geschäftsführer der Firma Familie Wiesner Gastronomie, die in der Deutschschweiz 34 Lokale betreibt, darunter Restaurants wie «The Butcher», «Miss Miu» und die «Negishi Sushi Bar». Wiesner gehört zu den ersten grossen Betrieben, die hierzulande die Software Yoordi verwenden.

Die Idee: Dank eines QR-Codes können die Gäste die Menukarte auf ihrem Smartphone durchstöbern - eine kontaktlose Option, die besonders während der Coronapandemie dank Smartphone-Kamera zur Anwendung kam - und die Rechnung kann ebenfalls direkt via Handy beglichen werden. Der Ruf nach der Kellnerin oder dem Kellner, das Warten auf die Rechnung und deren persönliche Begleichung in bar oder per Kreditkarte entfällt. Und ein App-Download ist nicht nötig.

QR Code
Im Restaurant per QR-Code bezahlen – ist das in der Schweiz bald möglich?Bild: Shutterstock

Mehrere hundert Restaurants an Bord

Wiesner bietet diese Möglichkeit in allen seinen Restaurants an, an einem Standort sogar nur noch diese. «Je nach Standort gibt es Unterschiede, aber im Schnitt bezahlen am Mittag rund 40 Prozent der Gäste selbstständig, am Abend etwa 30 Prozent, und die Tendenz ist steigend», sagt Wiesner.

Die Zürcher Gastro-Gruppe ist nicht die einzige Yoordi-Kundin. Elisa Chiarelli, Chefin des Start-ups, das 2019 gegründet wurde, spricht von «mehreren hundert Restaurants in der Schweiz und einigen EU-Ländern», die auf die Zürcher Lösung setzen würden.

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Yoordi-Chefin Elisa Chiarelli.bild: zvg

«Startschuss für grosse Wachstumsphase»

Dabei soll es nicht bleiben. Man stehe kurz vor Abschluss einer Finanzierungsrunde für den Ausbau in der Höhe von mehreren hunderttausend Franken, sagt Chiarelli. «Es ist der Startschuss für eine grosse Wachstumsphase, denn in den nächsten Jahren möchten wir mehrere Tausende Restaurants an Bord holen.» Bis Ende Jahr wird das heute sechsköpfige Team acht Angestellte zählen.

Einen mindestens so grossen Expansionshunger haben «Twenty Pay» aus Lausanne und «Tastier» aus Zürich, deren App praktisch gleich funktioniert wie jene von Yoordi. Im März, gerade Mal fünf Monate nach der Gründung, konnte das Westschweizer Start-up Twenty Pay in einer Finanzierungsrunde 700'000 Franken einsammeln. «Und demnächst schliessen wir eine zweite Runde ab, bei der es um rund eine Million von Privatinvestoren geht», sagt Mitgründer und Geschäftsführer David Ben Adiba.

«Nächstes Jahr möchten wir auch in der Deutschschweiz und im Tessin präsent sein.»

Und Tastier-Gründer Michael Zoller spricht von einer Finanzierungsrunde «in sechs- bis siebenstelliger Höhe», die bis Ende Jahr abgeschlossen werden dürfte.

«Niemand wartet gerne auf die Rechnung»

Twenty Pay zählt rund 70 Restaurant-Kunden in Genf, Lausanne, Montreux, Vevey, Morges und Nyon. Bezahlt werden kann mit den gängigen Angeboten wie Twint, Apple Pay, Google Pay oder Kreditkarte. Die Tastier-Lösung wird unter anderem von dem Zürcher Gastrounternehmen Candrian Catering und in der Aletsch-Arena im Wallis benutzt.

Twenty-Pay-Geschäftsführer Ben Adiba ist wie Tastier-Gründer Zoller und Yoordi-Co-Chefin Chiarelli vom Wachstumspotenzial überzeugt: «Niemand wartet gerne auf die Rechnung», sagt der 26-Jährige. «Wenn man nach einem feinen Essen 15 Minuten ausharren muss, kann dies den Gesamteindruck des Restaurantbesuchs stark beeinträchtigen, selbst wenn der Wein und das Steak vorzüglich waren.»

Mehr Schub wegen Personalknappheit?

Und dann wäre da die aktuelle Personalsituation in der Gastronomie, auf die sowohl Chiarelli als auch Ben Adiba verweisen. «Der Bedarf an Serviceangestellten ist derzeit riesig», sagt der Twenty-Pay-Chef. «Ich kenne diverse Gastronomen, die ihren Betrieb nur zu gewissen Stunden oder sogar gar nicht öffnen können, weil ihnen das Personal fehlt.» Mit der Auslagerung des Bestell- und Bezahlprozesses an die Kundschaft gewinne man hingegen als Gastgeber einiges an Zeit.

David Ben Adiba (vorne in der Mitte) mit dem Twenty-Pay-Team.
David Ben Adiba (vorne in der Mitte) mit dem Twenty-Pay-Team.Bild: zvg

Dass deswegen Stellen verloren gingen, glaubt Ben Adiba hingegen nicht. Auch für die Serviceangestellten sei die Bezahlung kein besonders inspirierender Vorgang. «Mit der gewonnenen Zeit können sie sich vermehrt auf die persönliche Beratung konzentrieren und den Gästen Empfehlungen abgeben. Das ist ihre wahre Passion, nicht das Münz- und Notenzählen.»

Die Frage nach dem Trinkgeld

Yoordi-Chefin Chiarelli betont zudem, dass es den Gastronominnen und Gastronomen überlassen sei, welche Option sie anbieten möchten: Entweder nur die digitale Menukarte, die Bestellung, die Bezahlung - «oder alle drei zusammen».

Tastier-Gründer Michael Zoller.
Tastier-Gründer Michael Zoller.bild: zvg

Doch wenn der persönliche Kontakt zum Schluss des Bar- oder Restaurantbesuchs fehlt, was ist dann mit dem Trinkgeld? «Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Leute bei der Bezahlung auf dem Handy im Schnitt sogar 40 Prozent mehr hinterlassen», sagt Ben Adiba. «Manchmal sogar doppelt so viel.» Denn bei der digitalen Rechnung erscheint - ähnlich wie man es vom Online-Taxi und Food-Lieferdienst Uber kennt - ein fixer Trinkgeldvorschlag in der Höhe von 5, 10, 15 oder mehr Prozent.

Die Grenzen der QR-Rechnung

Tastier bietet den Gastronomen drei verschiedene Preismodelle an. Bei der Standard-Lösung wird eine monatliche Gebühr von 99 Franken fällig, sowie 1.7 Prozent pro Umsatzfranken und 20 Rappen pro Transaktion. Kreditkartengebühren sind darin bereits inbegriffen. Twenty Pay als auch Yoordi verraten ihre Kommissionssätze hingegen nicht. Ben Adiba nennt stattdessen lieber einen weiteren Vorteil im Hinblick auf das gemeinsame Schauen von Eishockey- oder Fussballmatches in Bars:

«Bisher musste immer jemand für seine Gruppe an der Theke die Getränke holen und drohte, ein Goal zu verpassen. Mit der digitalen Bestellung am Tisch ist diese Gefahr behoben.»

Chiarelli von Yoordi sieht derweil durchaus Grenzen des Wachstums: Der Durchbruch hänge nicht nur von der Offenheit der Betriebe ab, sondern auch von den Gästen und ihrer Fähigkeit, ein Smartphone zu benutzen. Sprich: Die digitale Lösung ist wohl nicht für jede Zielgruppe ideal. Die Dorfbeiz mit ihren älteren Stammgästen, die sich ein Feierabendbier gönnen, wird wohl auch künftig ohne QR-Codes auskommen. (aargauerzeitung.ch)

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232 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rethinking
17.09.2022 11:47registriert Oktober 2018
„Mit der Auslagerung des Bestell- und Bezahlprozesses an die Kundschaft“

Mal ne ehrliche Aussage…

Was erhalte ich als Kunde dafür?
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mäci
17.09.2022 12:10registriert Februar 2019
«Mit der gewonnenen Zeit können sie sich vermehrt auf die persönliche Beratung konzentrieren und den Gästen Empfehlungen abgeben.»


Wenn der Bezahl- und vor allem der Bestellprozesses digital ausgelagert wird – Wann findet dann genau die persönliche Beratung und die Empfehlung an die Gäste statt?
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Pontifax
17.09.2022 12:37registriert Mai 2021
Ich gehe ins Restaurant, weil ich die Interaktion mit dem Personal liebe. Und das Argument mit dem verpassten Torschuss ist sowas von an den Haaren herbei gezogen. Das lesen der Speisekarte auf dem Handy nervt mich gehörig. Ich bleibe wohl lieber altmodisch.
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