Peinlich oder genial? SP-Politiker will Thuns TikTok-Kanal einstampfen
Man stelle sich einmal das folgende Szenario vor: Die Stadt Thun im Berner Oberland, bekannt für das imposante Schloss und die türkisfarbene Aare, betreibt seit zwei Jahren einen TikTok-Kanal. Auf dem Kanal werden regelmässig Ereignisse, Videos und Bilder aus Thun auf lustige und kreative Art mit den aktuellsten Internettrends und Memes kombiniert. Gelegentlich auch mit ernstem Ansatz, etwa wenn ein Gemeinderat in einem Video gespickt mit vielen Jugendwörtern erklärt, wie man seinen Abfall korrekt entsorgt.
@3600thun In my «Abfall richtig entsorge» Era 🗑️✅✨ #Thun #StadtThun #Abfallentsorgung #nurkorrektentsorgenistschöner ♬ Originalton - Stadt Thun
Die Beiträge – von süssen Katzen bis Minecraft-Referenzen – erzielen regelmässig mehrere tausend Views. Die erfolgreichsten Videos schafften es auf über 200'000 Klicks.
So weit, so harmlos. Oder doch nicht?
Einigen Parlamentariern stösst dieser Erfolg offenbar sauer auf. Der beliebte Kanal sieht sich mit einem dringlichen Postulat des Stadtrats Franz Schori und der SP-Fraktion konfrontiert. Sie fordern, dass die Stadt ihren TikTok-Kanal einstampft. Die Plattform stelle ein Sicherheitsrisiko dar und sei für Jugendliche eine Gefahr. Die Stadt solle ihre Kommunikation auf Plattformen verlagern, «die eine aktive Moderation garantieren». Ausserdem bezeichnen die Initianten im Vorstoss die TikTok-Beiträge der Stadt als «peinlich und pseudo-lustig».
@3600thun Ich hab mein Bestes gegeben! #Thun #StadtThun #ThunCity #nurbleibenistschöner #maxwellthecat #maxwellinthesky ♬ original sound - Ciarán
Verantwortung statt Humor?
Laut den Initianten geht es beim Vorstoss aber natürlich nicht nur um Geschmack. Es geht um Verantwortung. Die Stadt müsse ein Vorbild sein, argumentieren sie. Der Tropfen, der das Fass offenbar zum Überlaufen brachte, war ein Video, das Schori und die SP-Fraktion als rassistisch einstufen (könnte es hier um den Begriff «Talahon» gehen?). Im Video wird ein Jugendwort verwendet, welches mittlerweile problematisch sei. Die Medienstelle der Stadt Thun wies den Rassismus-Vorwurf gegenüber 20 Minuten zurück, deaktivierte das fragliche Video aber vorsorglich.
Stadtrat sieht keine Dringlichkeit
Wie so oft scheiden sich am Humor die Geister – auch in der Thuner Politik. Das zeigte sich deutlich in der Abstimmung über die Dringlichkeit des eingereichten Postulats: Mit 22 zu 14 Stimmen bei zwei Enthaltungen wurde der Antrag abgelehnt. Der Kanal bleibt also vorerst bestehen.
@3600thun He’s just such a chill guy 🥰 #Thun #nurbleibenistschöner #Chill #ChillGuy #Travel ♬ original sound - Stadt Thun
Zielgruppe erreicht
Tatsache ist, dass es für Städte und Gemeinden zunehmend schwieriger wird, ihre jungen Zielgruppen zu erreichen. Und Tatsache ist auch, dass genau das der Stadt Thun vorbildlich gelingt. Laut der Medienstelle wurden im vergangenen Jahr über eine Million Impressionen erzielt. Auch andere Städte verfolgen eine ähnliche Strategie. Luzern setzt auf Instagram ebenfalls auf humorvolle, selbstironische Videos.
Showdown im Mai
Das Battle um den Thuner TikTok-Kanal geht weiter: Im Mai 2025 wird der Stadtrat entscheiden, ob die Stadt weiter auf TikTok setzen darf. Ironischerweise bietet genau diese Debatte bereits den perfekten Stoff für einen nächsten Beitrag. Zum Beispiel als Meme:
(thw)
