In Deutschland läuft die Debatte bereits seit Tagen heiss, in der Schweiz rollt sie gerade erst an. Die Rede ist von Homeoffice. Als Pandemie-Massnahme bestens bekannt, soll das Arbeiten von zu Hause nun auch eine drohende Energiekrise im Winter entschärfen helfen.
Eine Umfrage des «Handelsblatts» unter den 40 wichtigsten börsennotierten Unternehmen Deutschlands förderte zu Tage: Unternehmen wie Flugzeughersteller Airbus, Versicherer Hannover Rück oder Medizinunternehmen Fresenius ziehen Homeoffice in Betracht, um den Energieverbrauch zu senken.
Claudia Kemfert, Expertin des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, wird im entsprechenden Artikel wie folgt zitiert: «Studien schätzen, dass bis zu fünf Prozent des Energieverbrauchs eingespart werden können, wenn im Homeoffice gearbeitet wird.»
Auch hierzulande wälzen viele Arbeitgebende derzeit Pläne, die Mitarbeitenden wieder von zu Hause arbeiten zu lassen. Dies insbesondere dann, wenn freiwillige Strom-Sparappelle des Bundes nicht fruchten, Verbrauchseinschränkungen nicht den gewünschten Effekt bringen und deshalb der Bundesrat die nächst höhere Eskalationsstufe zündet: Die Kontingentierung der Stromversorgung, kontrolliert von der Organisation für Stromversorgung in Ausserordentlichen Lagen (Ostral). Eine vom Staat verordnete Beschränkung des Stromkonsums jeder einzelnen Firma. Privathaushalte wären davon ausgenommen.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz (Babs) hat sich darüber mit Betreibern von national kritischer Infrastruktur ausgetauscht. Zu diesen gehören die SBB, die SRG und die Post, aber auch Coop, Migros und Swisscom. Die Erkenntnisse einer Umfrage sind in einer Aktennotiz der Behörde in zwei Sätzen zusammengefasst:
Mit anderen Worten: Hat eine Firma ihr Stromkontingent aufgebraucht, sollen die Angestellten daheim weiterarbeiten, wo der Strom noch fliesst.
Für Andy Müller, Sprecher des Arbeitgeberverbands, ist das keine Überraschung. «Die Arbeitgeber sind teilweise verunsichert. Viele Verbandsmitglieder wenden sich an uns mit Fragen, wie sie sich auf eine mögliche Energiemangellage im Winter vorbereiten sollen. Homeoffice ist dabei eine der diskutierten Optionen», sagt er.
Eine Pflicht zum Zuhausearbeiten analog zu Pandemiezeiten würde der Verband aber ablehnen: Die Unternehmen sollen selber entscheiden, wie sie auf mögliche Kontingentierungen reagieren würden.
Den Vergleich zu Corona zieht Müller auch bei seiner Kritik am Krisenmanagement des Bundesrats: «Die Situation erinnert stark an die erste Phase der Pandemie: Seit Jahren ist bekannt, dass eine Strommangellage zu den grössten Risiken für die Schweiz zählt, trotzdem gibt es zahlreiche Unklarheiten bei der konkreten Umsetzung der Massnahmen auf betrieblicher Ebene.»
Die gleichen Erfahrungen macht man beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. An einem Webinar zum Thema Strommangellage haben letzte Woche Vertreterinnen und Vertreter von über 230 Firmen und Verbänden teilgenommen.
Dabei zeigte sich: «Unsere Mitglieder sind verunsichert», wie Lukas Federer sagt, Projektleiter Infrastruktur, Energie und Umwelt bei Economiesuisse. «Es fehlt an grundlegenden Informationen: Wie sind die genauen Regeln bei einer Kontingentierung? Wie kann sich mein Unternehmen ganz konkret vorbereiten?» Das seien die meistdiskutierten Fragen.
Bei Economiesuisse sieht man nun Bundesbern in der Pflicht: «Wir wünschen uns schon länger eine proaktivere Kommunikation des Bundesrats», sagt Federer. Dies mit dem Ziel, dass sich die Wirtschaft selber organisieren könne. «Wir setzen auf Hilfe zur Selbsthilfe: Die Unternehmen müssen wissen, mit welchen Strom- und Gaskontingenten sie im Ernstfall rechnen können und dies möglichst rasch.»
Auf dieser Grundlage liesse sich vorab ein Handel mit Kontingenten etablieren, dass also die Firmen ihre Guthaben untereinander handeln könnten, ohne Einmischung des Staates. «Wichtig wäre es, dass wir endlich die vom Bund vorgesehenen Spielregeln kennen», sagt Federer.
Mehr Tempo vom Bundesrat wünscht sich auch die SP. Die Partei hat in der Wirtschaftskommission des Nationalrats gefordert, der Bundesrat solle bis Ende August eine Planungsverordnung erlassen, in der die Massnahmen zur Reduktion des Verbrauchs aufgelistet sind, auf die sich die Gas- und Stromversorger als auch die Verbraucher einstellen müssen. Weiter fordert die SP eine klare Regelung, welche Unternehmen und Dienstleistungen von Stromabschaltungen ausgenommen sein sollen und wie von Abschaltungen betroffene Firmen entschädigt würden.
Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat diese und weitere Vorschläge an ihrer Sitzung diese Woche diskutiert. Sie wird voraussichtlich heute Mittwoch über ihre Entscheide informieren. Ebenfalls heute tritt der Bundesrat zu seiner ersten Sitzung nach den Sommerferien zusammen. (aargauerzeitung.ch)
Ist eine rhetorische Frage, Antwort nicht nötig 😏