Schweiz
Energie

FDP-Präsident Thierry Burkart will neue Atomkraftwerke

Der Wind in der Energiedebatte dreht: FDP-Präsident Burkart will neue AKW

Atomkraftwerke schienen in der Schweiz undenkbar. Doch jetzt schärfen FDP-Präsident Thierry Burkart, aber auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse ihre Position. Ohne Grosskraftwerke gehe es nicht – und für das Klima sei Atom- besser als Gaskraft.
05.06.2023, 06:2305.06.2023, 15:23
Benjamin Rosch / ch media
Mehr «Schweiz»

Er wurde im Oktober 2021 zum FDP-Präsidenten gewählt, und schon an seiner ersten Delegiertenversammlung als Parteichef liess Thierry Burkart ein Positionspapier zur Energiepolitik verabschieden. Es hatte im Vorfeld für grosse Diskussionen gesorgt. Im Kern ging es um die Atomkraft. Am Ende stand der Satz: «So sind die Voraussetzungen zu schaffen, um namentlich Kernkraftwerke der neuen Generation zuzulassen.»

Dampf stroemt aus dem Kuehlturm des Kernkraftwerks Goesgen, aufgenommen am Dienstag, 25. Januar 2022 in der Gemeinde Daeniken, Kanton Solothurn. Und FDP-Präsident Thierry Burkart schaut zu.
«Für mich klar, dass die Schweiz auch künftig Kernenergie benötigt»: Thierry Burkart, FDP-Präsident.Bild: KEYSTONE/watson

Vergangenen Sommer machte sich Burkart für den Weiterbetrieb der bestehenden Atomkraftwerke stark, wenn nötig mit staatlicher Unterstützung. Nun schärft Burkart seine Position. Er sagt, es brauche zwingend neue Grosskraftwerke, um mit genügend Bandenergie die Versorgungssicherheit der Schweiz auch im Winter zu gewährleisten.

Burkart betont: «Hier haben wir die Wahl zwischen Gas- und Kernkraftwerken. Angesichts der Klimaziele und der strategischen Abhängigkeit der Schweiz von autokratischen Staaten ist für mich klar, dass die Schweiz auch künftig Kernenergie benötigt.»

Unterschriftensammlung kommt zügig voran

Burkarts Aussagen kommen in einem spannenden Moment: In diesen Tagen diskutiert das Parlament den Mantelerlass Strom, der den Zubau der Erneuerbaren forciert, die Schweiz stimmt bald über ein neues Klimaschutzgesetz ab - und die Atominitiative «Blackout stoppen» steht kurz vor der Einreichung.

Am Anfang konnte es dem Initiativkomitee gar nicht schnell genug gehen. «AKW-Freunde kaufen Unterschriften im grossen Stil», titelte der «Tages-Anzeiger» Mitte Februar: Das Komitee rund um die Initiative «Blackout stoppen» habe ein Unternehmen beauftragt, möglichst rasch die nötigen Unterschriften zusammenzutreiben. Angeblich seien für eine Unterschrift 7.50 Franken ausgegeben worden.

Hintergrund war damals der Mantelerlass Strom, über den das Parlament in der laufenden Session diskutiert. Initiantin Vanessa Meury sagte im März gegenüber dieser Zeitung, man wolle die Initiative im Frühjahr einreichen, um Einfluss auf die Debatte nehmen zu können.

Der Termin verschiebt sich wohl in den Wahlherbst, auch wenn die Grenze von 100'000 benötigten Unterschriften demnächst erreicht ist: «Wir haben bereits über 95'000 Unterschriften gesammelt und haben nun mit der Bescheinigung begonnen», sagt Meury. Damit steht quasi fest: Die Schweiz wird über ein Atom-Comeback diskutieren. Die Initiative verlangt, dass die Schweizer Stromversorgung jederzeit sichergestellt sein soll. Knackpunkt ist der Satz im Initiativtext: «Alle klimaschonenden Arten der Stromerzeugung sind zulässig.»

Ohne neue Grosskraftwerke geht es nicht

FDP-Präsident Thierry Burkart sagt dazu: «Die FDP wird die Initiative im Rahmen der üblichen Prozesse diskutieren.» Die Partei habe letzten Frühling im Zusammenhang mit der Energiezukunft eine technologieoffene Position bezogen. Dann wird Burkart deutlich:

«Meine persönliche Meinung ist aber klar: Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist voranzutreiben.»

Trotz aller gesetzgeberischer Bemühungen, wie Mantelerlass, Solar- und Windexpress sowie Effizienzmassnahmen, aber auch dem starken Zubau von Photovoltaik, Steigerung der Wasserkraftwerkkapazitäten und der allfälligen Teilnahme am europäischen Stromabkommen. würden die für die Schweiz zusätzlich benötigten 40 bis 50 Terawattstunden bis 2050 «nie und nimmer» erreicht.

Es brauche daher zwingend neue Grosskraftwerke, um mit genügend Bandenergie die Versorgungssicherheit der Schweiz auch im Winter zu gewährleisten. Gas oder Kernkraft, das sei die Frage, und Burkart zieht die Kernkraft vor.

Wirtschaftsverbände sympathisieren mit Initiative

In der Wirtschaft findet die Initiative ebenfalls Anklang. Erst kürzlich warb Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder in einem Gastbeitrag der NZZ für Technologieoffenheit. Swissmem-Präsident Martin Hirzel tat es ihm gleich an der Generalversammlung des Schweizer Nuklearforums: Ein Neubauverbot für Atomkraftwerke bezeichnete er als «aus der Zeit gefallen».

Verfolgt man die jüngsten Umfragen, lösen AKW indes noch immer gemischte Gefühle aus. Im März berichtete der «Blick» gestützt auf das Institut Sotomo, 56 Prozent der Bevölkerung sprächen sich klar oder zumindest verhalten für den Bau neuer Atomkraftwerke aus. Vergangene Woche zeichnete eine Studie von GFS Bern im Auftrag des Verbands Schweizer Elektrizitätswerke (VSE) ein ganz anderes Bild: Lediglich ein gutes Drittel der Befragten befürworteten neue AKW, wie sie aktuell gebaut werden.

Der Widerstand ist programmiert, nicht zuletzt von Parteien wie SP, Grünen oder Grünliberalen. Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister sprach sich schon gegen die Initiative aus. Meury hat dafür kein Verständnis: «Die grünen Gegner der Kernenergie sollten sich ein Beispiel an Finnland nehmen. Die finnischen Grünen und auch Greenpeace Finnland befürworten Kernenergie», sagt sie. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
So sieht das AKW in Fukushima von innen aus
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
442 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Gurgelhals
05.06.2023 07:04registriert Mai 2015
Was mich bei dieser ganzen Thematik mal brennend interessieren würde: Sind diese lautstarken AKW-Befürworter primär *dumm* oder sind sie primär *zynisch*?

- Dumm, weil sie tatsächlich glauben, dass trotz der unzähligen politischen, wirtschaftlichen, ... Hindernisse innerhalb der nächsten 40 Jahre irgendwo in der CH ein AKW gebaut werden kann?

- Zynisch, weil sie ganz genau wissen, dass das nicht passieren wird und sie die AKW-Debatte nur pushen, um die Erneuerbaren auszubremsen, damit ihre Buddies aus den Fossil-Lobbies noch ein paar Jahre länger absahnen können?

Fragt da mal wer nach?
41872
Melden
Zum Kommentar
avatar
Sapperlot!
05.06.2023 06:36registriert Januar 2016
Auf eine Technologie setzen, welche keine Versicherung der Welt rückversichert und das Risiko somit der Bevölkerung aufzubürden macht schon sehr viel Sinn. Sinn macht es auch auf eine Technologie zu setzen welche uns abhängig macht von Uran, welches ja zu einem sehr hohen Prozentsatz aus Russland, Friedenstifter Nr. 1, kommt. Mol mol, wo kann ich unterschreiben?
32850
Melden
Zum Kommentar
avatar
Mr. Proper
05.06.2023 06:44registriert Dezember 2021
Ok. Wenn private Investoren die vollen Kosten tragen, inkl. Endlager.
Ein AKW ist nicht wirtschaftlich zu betreiben, ausser der Steuerzahler übernimmt die Kosten.
29737
Melden
Zum Kommentar
442
Was den Schweizerinnen und Schweizern am meisten Sorgen bereitet
Das Thema Gesundheit und Krankenkassen ist gemäss dem Sorgenbarometer der UBS die grösste Sorge der Schweizerinnen und Schweizer. Auch der Rest der Top-20-Sorgen der Bevölkerung ist stark materialistisch geprägt.

Auch 2024 hat das Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der UBS die Schweizer Bevölkerung zu Sorgen und Identitätsmerkmalen des Landes befragt. Hauptsorge im laufenden Jahr waren Gesundheitsfragen und Krankenkassen. Dieses Thema hat im Vergleich zum Vorjahr um 8 Prozentpunkte auf neu 48 Prozent zugelegt, hiess es in einer Mitteilung vom Mittwoch.

Zur Story