Dienstag am Flughafen Charles de Gaulle in Paris: Eine Maschine der Fluggesellschaft Air France macht sich bereit zum Abflug nach Montréal in Kanada. Sie rollt auf die Startbahn, beschleunigt und hebt ab. Was nach einem unspektakulären Ereignis klingt, hat es in sich: Denn die Maschine wurde mit einem nachhaltigen Treibstoff aus Speiseöl betankt.
Faire voler un avion de Paris à Montréal avec un carburant à base d’huiles de cuisson usagées ? C’est un peu fou, et c’est ce qui va se passer aujourd’hui. pic.twitter.com/3jGckzbV4m
— Jean-Baptiste Djebbari (@Djebbari_JB) May 18, 2021
«Ein Flugzeug von Paris nach Montreal mit Treibstoff aus Altspeiseöl zu fliegen? Das ist ein bisschen verrückt, aber genau das passiert heute», schrieb der französische Verkehrsminister, Jean-Baptiste Djebbari, auf Twitter. Die Tanks seien mit einem Gemisch aus Kerosin und 16 Prozent Biokraftstoff gefüllt, erklärte er. Der Biokraftstoff wurde aus Abfällen und Reststoffen in Frankreich hergestellt.
Es ist nicht das erste Mal, dass ein Flugzeug mit altem Speiseöl im Tank über den Atlantik flog. Auch die niederländische Fluggesellschaft KLM experimentiert mit Alternativen zum reinen Kerosin-Tank und liess bereits Ende 2019 mit Biotreibstoff betankte Flugzeuge von New York nach Amsterdam in die Lüfte steigen. Die Probeflüge haben zum Ziel, die CO2-Emissionen beim Flugverkehr deutlich zu verringern.
Pflanzenöl als Treibstoff kommt bisher erst bei Kraftfahrzeugen, vorwiegend in der Landwirtschaft, zum Einsatz. Meistens wird Rapsöl verwendet, selten auch gefilterte Altöle und flüssige Speisefette. Im Flugverkehr findet der Einsatz von Pflanzenöl keine Verbreitung. Einige Airlines sind zwar bereits mit Biokraftstoffen unterwegs, doch ein grosses Problem stellt dabei die Produktion ebendieser dar. So nimmt beispielsweise der Anbau von Ölpalmen grosse Flächen in Anspruch, der oft im Zusammenhang mit Regenwaldrodungen steht. Von Nachhaltigkeit kann hier also nicht die Rede sein.
Speiseöl hingegen ist ein Abfallprodukt der Gastronomie und kann nach einer Säuberung als Treibstoff genutzt werden, indem es mit Kerosin gemischt wird. «Die ersten Flüge haben gezeigt, dass wir etwa 20 Tonnen CO2 pro Strecke einsparen, wenn wir mit recyceltem Frittierfett fliegen», sagte Fokko Kroesen, Umweltmanager bei KLM gegenüber der Zeitschrift «Geo». Hat Speiseöl also das Potenzial, der Treibstoff der Zukunft zu werden?
Peter Jansohn relativiert. Er koordiniert am Paul Scherrer Institut Forschungsprojekte zu grünem Treibstoff für den Flugverkehr und sieht beim Speiseöl gleich mehrere Probleme. «Speiseöle haben nicht ausreichende physikalische und chemische Eigenschaften und bieten nur eine geringe Reichweite.» Ihm seien nur Versuche mit einer Beimischung von Ölen zu Kerosin bekannt, niemals reines Speiseöl oder daraus erzeugte Zwischenprodukte. «Das heisst, eine gewisse Reduktion fossiler CO2-Emissionen kann man damit schon erreichen, aber es ist keine langfristige Gesamtlösung.»
Selbst wenn sich die ganze Schweiz nur noch von Pommes frites ernähren würde, reichten die Speiseöl-Abfälle nicht aus, um Flugzeuge abheben zu lassen. Die verfügbaren Mengen sind viel zu klein, um einen wirklich signifikanten Teil des Treibstoffbedarfs abzudecken. «Würde man viel grössere Mengen erzeugen wollen, ergäbe sich eine starke Konkurrenz mit der Nahrungsmittelerzeugung und Bodennutzung», so Jansohn.
Vielversprechender als Speiseöl sei Wasserstoff für kleinere Flugzeuge und Mittelstreckenflüge und synthetisch hergestellte, kerosin-ähnliche Treibstoffe aus CO2 und Wasserstoff. «Doch Kerosin ist und bleibt absehbar der beste Flugzeugtreibstoff, bezogen auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften und die sicherheitstechnische Erfahrung», so Jonsohn.
Und doch ist der Forscher überzeugt, dass es eines Tages möglich sein wird, klimafreundlich fliegen zu können: «Aber es wird sicher aufwendiger und teurer sein, sodass sich allein über den Preis sehr wahrscheinlich eine Einschränkung des Flugverkehrs ergeben wird.»
Zu früh gefreut ...
Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.
Ah doch: Das Speiseöl macht lediglich 16 % (!) des Kerosingemisches aus.
Summa Summarum: Viel mehr PR für Air France als Durchbruch in der Luftfahrt.