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Energie

Air France fliegt mit Speiseöl, doch Energieforscher sieht ein Problem

Workers refuel an Airbus A350 with sustainable aviation fuel at Roissy airport, north of Paris, Tuesday, May 18, 2021. Air France-KLM is sending into the air what it calls its first long-haul flight w ...
Diese Air-France-Maschine wird mit Speiseöl betankt, bevor sie von Paris nach Montréal fliegt.Bild: keystone

Flugzeuge heben mit altem Frittieröl ab – doch Energieforscher sehen ein Problem

Pommes essen und mit dem alten Frittierfett Flugzeuge in die Luft bringen? Ein Forscher relativiert das Potenzial von Speiseöl als klimafreundliche Treibstoff-Alternative. Doch es gibt Hoffnung.
19.05.2021, 20:0420.05.2021, 14:12
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Dienstag am Flughafen Charles de Gaulle in Paris: Eine Maschine der Fluggesellschaft Air France macht sich bereit zum Abflug nach Montréal in Kanada. Sie rollt auf die Startbahn, beschleunigt und hebt ab. Was nach einem unspektakulären Ereignis klingt, hat es in sich: Denn die Maschine wurde mit einem nachhaltigen Treibstoff aus Speiseöl betankt.

«Ein Flugzeug von Paris nach Montreal mit Treibstoff aus Altspeiseöl zu fliegen? Das ist ein bisschen verrückt, aber genau das passiert heute», schrieb der französische Verkehrsminister, Jean-Baptiste Djebbari, auf Twitter. Die Tanks seien mit einem Gemisch aus Kerosin und 16 Prozent Biokraftstoff gefüllt, erklärte er. Der Biokraftstoff wurde aus Abfällen und Reststoffen in Frankreich hergestellt.

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Flugzeug mit altem Speiseöl im Tank über den Atlantik flog. Auch die niederländische Fluggesellschaft KLM experimentiert mit Alternativen zum reinen Kerosin-Tank und liess bereits Ende 2019 mit Biotreibstoff betankte Flugzeuge von New York nach Amsterdam in die Lüfte steigen. Die Probeflüge haben zum Ziel, die CO2-Emissionen beim Flugverkehr deutlich zu verringern.

Pflanzenöl als Treibstoff kommt bisher erst bei Kraftfahrzeugen, vorwiegend in der Landwirtschaft, zum Einsatz. Meistens wird Rapsöl verwendet, selten auch gefilterte Altöle und flüssige Speisefette. Im Flugverkehr findet der Einsatz von Pflanzenöl keine Verbreitung. Einige Airlines sind zwar bereits mit Biokraftstoffen unterwegs, doch ein grosses Problem stellt dabei die Produktion ebendieser dar. So nimmt beispielsweise der Anbau von Ölpalmen grosse Flächen in Anspruch, der oft im Zusammenhang mit Regenwaldrodungen steht. Von Nachhaltigkeit kann hier also nicht die Rede sein.

Speiseöl hingegen ist ein Abfallprodukt der Gastronomie und kann nach einer Säuberung als Treibstoff genutzt werden, indem es mit Kerosin gemischt wird. «Die ersten Flüge haben gezeigt, dass wir etwa 20 Tonnen CO2 pro Strecke einsparen, wenn wir mit recyceltem Frittierfett fliegen», sagte Fokko Kroesen, Umweltmanager bei KLM gegenüber der Zeitschrift «Geo». Hat Speiseöl also das Potenzial, der Treibstoff der Zukunft zu werden?

Peter Jansohn relativiert. Er koordiniert am Paul Scherrer Institut Forschungsprojekte zu grünem Treibstoff für den Flugverkehr und sieht beim Speiseöl gleich mehrere Probleme. «Speiseöle haben nicht ausreichende physikalische und chemische Eigenschaften und bieten nur eine geringe Reichweite.» Ihm seien nur Versuche mit einer Beimischung von Ölen zu Kerosin bekannt, niemals reines Speiseöl oder daraus erzeugte Zwischenprodukte. «Das heisst, eine gewisse Reduktion fossiler CO2-Emissionen kann man damit schon erreichen, aber es ist keine langfristige Gesamtlösung.»

Selbst wenn sich die ganze Schweiz nur noch von Pommes frites ernähren würde, reichten die Speiseöl-Abfälle nicht aus, um Flugzeuge abheben zu lassen. Die verfügbaren Mengen sind viel zu klein, um einen wirklich signifikanten Teil des Treibstoffbedarfs abzudecken. «Würde man viel grössere Mengen erzeugen wollen, ergäbe sich eine starke Konkurrenz mit der Nahrungsmittelerzeugung und Bodennutzung», so Jansohn.

Vielversprechender als Speiseöl sei Wasserstoff für kleinere Flugzeuge und Mittelstreckenflüge und synthetisch hergestellte, kerosin-ähnliche Treibstoffe aus CO2 und Wasserstoff. «Doch Kerosin ist und bleibt absehbar der beste Flugzeugtreibstoff, bezogen auf die physikalischen und chemischen Eigenschaften und die sicherheitstechnische Erfahrung», so Jonsohn.

Und doch ist der Forscher überzeugt, dass es eines Tages möglich sein wird, klimafreundlich fliegen zu können: «Aber es wird sicher aufwendiger und teurer sein, sodass sich allein über den Preis sehr wahrscheinlich eine Einschränkung des Flugverkehrs ergeben wird.»

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32 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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7immi
19.05.2021 22:23registriert April 2014
Bei diesem Projekt ging es um die Machbarkeit und nicht um "die Lösung". Man tastet sich heran und sammelt Erfahrungen. Auch die Solarimpulse war nicht die Lösung, doch sie zeigte den Stand der Technik, die Möglichkeiten und entwickelte neue Technologien (Motoren und Regelung, Smartgrid, Leichtbau, ...). Solche Versuche sollten nicht überbewertet werden, sie haben aber ihre Berechtigung und sind wichtige Abschnitte auf unserem Weg.
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chrissy_dieb
19.05.2021 20:57registriert Januar 2020
Und ich dachte schon, dass ich Pommes frites mit Wienerschnitzel essen soll um den Klimawandel aufzuhalten. 😅

Zu früh gefreut ...
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Snowy
19.05.2021 20:18registriert April 2016
„Selbst wenn sich das ganze Land nur noch von Pommes frites ernähren würde, reichten die Speiseöl-Abfälle nicht aus, um Flugzeuge abheben zu lassen. Die verfügbaren Mengen sind viel zu klein, um einen wirklich signifikanten Teil des Treibstoffbedarfs abzudecken. «Würde man viel grössere Mengen erzeugen wollen, ergäbe sich eine starke Konkurrenz mit der Nahrungsmittelerzeugung und Bodennutzung»“

Dem gibt es nichts mehr hinzuzufügen.
Ah doch: Das Speiseöl macht lediglich 16 % (!) des Kerosingemisches aus.

Summa Summarum: Viel mehr PR für Air France als Durchbruch in der Luftfahrt.
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