Amboss
Amstutz wusste: Er kann nicht beissen. Die einzige Chance war also, laut zu bellen und die anderen zu beeindrucken.
Hat nicht geklappt. Die anderen haben ihn Bellen lassen.
Egal mit welchen Angriffen und Unterstellungen die SVP-Nationalräte Kurt Fluri aus der Fassung bringen wollten – es gelang ihnen nicht. Der Solothurner FDP-Nationalrat, der den Vorschlag der Mehrheit ausführte und gegen jegliche Vorbehalte verteidigte, gab jeweils schlagfertig zurück: Da vorwiegend auf den Mann gespielt werde, könne er leider kaum auf sachliche Vorwürfe reagieren, sagt Fluri. «Einige Voten sind mir zu dumm. Da stellt man die Ohren am besten auf Durchzug.»
Freund und Feind blieb nur das Staunen. So bewunderte SP-Nationalrat Corrado Pardini Fluris «stoische Ruhe», mit der Fluri dieselben Fragen auch mehrmals beantwortete («wenn Sie die Antwort nicht verstehen, ist das Ihre Sache»). BDP-Präsident Martin Landolt bedauerte gar, den Schlagabtausch zwischen Fluri und SVP unterbrechen zu müssen, da dieser «offensichtlich zur Höchstform aufgelaufen» sei.
Graues Haar, grauer Anzug, schwarze Brille – ja Fluris Auftreten mag viele täuschen. Bereits im Vorfeld der Mammut-Debatte war er zum Witzeln aufgelegt: «Ich habe die Argumente in den letzten Tagen so häufig wiederholt, dass ich sie nun selber glaube.» Um Missverständnissen vorzubeugen: Diese Aussage hat er ironisch gemeint. (wan/dbü)
Adrian Amstutz schoss wild um sich. Erst griff der SVP-Fraktionschef Kurt Fluri an, den «Stararchitekten dieser Gesetzesruine». Dann nahm er sich Cédric Wermuth vor, den Wortführer der SP: «Was Sie hier geboten haben, schlägt dem Fass den Boden aus», empörte sich Amstutz. «Sie lügen das Parlament an. Sie lügen die Bevölkerung vor dem Fernseher an. Und Sie verraten Ihre eigene Arbeiterschaft, indem Sie sie mit Ihrem Kniefall vor Brüssel opfern!»
Alle Politiker, die nicht der wortwörtlichen Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative das Wort sprachen, verunglimpfte er als «Totengräber der direkten Demokratie». Als Hintergrund: Bis zu seiner Ausmusterung aus der Armee wäre Amstutz als Fallschirmgrenadier im Kriegsfall dafür zuständig gewesen, den Feind hinter dessen Linien zu bekämpfen. Dementsprechend erprobt ist er im Nahkampf.
Mehrmals während seiner Voten lief Amstutz, den der Boulevard einst «Richard Gere aus dem Berner Oberland» getauft hatte, vor Wut rot an. Minuten später zeigte er sich in der Wandelhalle schon wieder entspannt.
Mit der Debatte und deren Ausgang sei er zwar nicht zufrieden, sagte er. Persönlich aber sei er glücklich, schliesslich sei er gesund und stolzer fünffacher Grossvater. (dbü)
Die Debatte war viereinhalb Stunden alt, als SP-Nationalrat Cédric Wermuth ein E-Mail erhielt, in dem er als «sozialistischer Volksschädling» bezeichnet wurde, der sich am besten eine «Kugel durch den Kopf» schiessen würde.
Verglichen damit war er von SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz Stunden zuvor fast schon zärtlich angefasst worden, als dieser ihn als «Lügner» verunglimpfte. Am Rednerpult hielt sich auch Wermuth nicht zurück. «Sie haben kein Konzept», keifte der Aargauer in Richtung der SVP-Fraktion. «Sie hatten nie ein Interesse an einer Lösung. Was Sie getan haben, ist Arbeitsverweigerung.»
Als Amstutz monierte, seine Partei habe durchaus Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt, erwiderte Wermuth, das vor ihm liegende Papierbündel schwenkend: «Das ist die Fahne zur Vorlage. Die kennen Sie vielleicht, und hier steht kein einziges Konzept von Ihnen drin!»
Auch den Angriff, er verrate «seine» Arbeiterschaft, parierte der frühere Juso-Präsident gekonnt. Die flankierenden Massnahmen, wie beispielsweise Schutz vor Lohndumping und die Sicherung geregelter Arbeitszeiten, seien in den bilateralen Verträgen festgeschrieben – just jenen Verträgen, welche die SVP nun aufs Spiel setzen wolle. (dbü)
Noch zu Beginn der Debatte suchte CVP-Präsident Gerhard Pfister den Kontakt zur SVP-Spitze und setzte sich im Ratssaal zwischen den Parteipräsidenten Albert Rösti und den Fraktionschef Adrian Amstutz – und hielt mit ihnen einen Schwatz. Das hat sich gelohnt. Zwar deutete der SVP-Nationalrat Andreas Glarner (AG) an, dass seine Partei wenig bis gar nichts von den CVP-Anträgen halte.
Und dennoch unterstützte die SVP Pfisters Strategie, welche eine strengere Auslegung des «Inländervorrangs» vorsah. Trotzdem ist Pfister damit aufgelaufen. Denn weder die Abweichler der FDP, die sich der Stimme enthielten, noch die SVP-Fraktion konnten seinen Anliegen zu einer Mehrheit verhelfen, sie wurden allesamt knapp (mit 93:98 Stimmen mit 5 Enthaltungen) abgelehnt.
Pfister wollte sich gleichwohl nicht geschlagen geben. Es sei auch deshalb wichtig gewesen, an den (aussichtslosen) Anträgen festzuhalten, weil sie so erneut im Ständerat aufgenommen werden könnten. Vielleicht gelingt es der kleinenKammer, den «Inländervorrang» strenger auszulegen – und so die von Wirtschaftsverbänden (und der CVP) erhoffte Brücke zur SVP zu schlagen. Pfisters schlagendes Argument: Die Schweiz könnte so gegenüber der EU selbstbewusster auftreten. (wan)
(aargauerzeitung.ch)