Nach 36 Jahren findet der Eurovision Song Contest wieder in der Schweiz statt, in Basel. Der ESC im eigenen Land, zu Hause. Melisa Kaymaz ist immer noch ein wenig ungläubig, dass dies nun Wirklichkeit wird: «Als ESC-Fan haben Nemo und die Schweizer Delegation meinen grössten Traum wahr werden lassen, ich bin so dankbar dafür. Die ESC-Familie kommt im Mai zusammen, um diesen historischen Moment zu feiern».
Die 26-jährige Fribourgerin hat schon als Kind mit ihrer Mutter fasziniert vor dem Fernseher gesessen und den ESC mitverfolgt. Zum ersten Mal als 5-Jährige, 2003, als die Türkei gewonnen hat. Für Kaymaz ein ganz besonderes Erlebnis: «Ich bin Halbtürkin und wollte meiner Mutter nicht glauben, dass die Türkei den Sieg geholt hat, denn die Sängerin Sertab Erener sang auf Englisch, ich fand das unlogisch. Doch als ich überall die türkische Flagge sah, war ich überzeugt und meine Begeisterung für den ESC hat von da an ihren Lauf genommen.»
Bei Nemos Sieg 2024 war Melisa Kaymaz live in der Arena im schwedischen Malmö mit dabei, zusammen mit anderen Mitgliedern des Fanclubs. «Bei den ersten 12 Jurypunkten dachte ich: ‹Oh, es passiert wirklich!› Dann habe ich wahrgenommen, dass die Fernsehkamera auf uns Schweizer Fans schwenkte, da wusste ich, es kommt gut.» Und das tat es: Die Reaktion von Melisa Kaymaz und ihren Freunden war dann live im Fernsehen zu sehen.
Seit Oktober 2024 ist Melisa Kaymaz nun Präsidentin des Eurovision Club Switzerland und ist damit Teil eines 5-köpfigen Vorstands, der den Club leitet. Eurovision sei für sie mehr als nur ein Wettbewerb, sondern ein Ort, wo Kreativität, Kultur und die Musik gefeiert werden, so Kaymaz und fügt an: «Im Mai können wir alle unsere Probleme für eine Woche lang vergessen, der ESC bringt Leute aus der ganzen Welt zusammen. Ich mag dieses Zugehörigkeitsgefühl, darum engagiere ich mich, weil ich diese gemeinsamen Werte liebe.»
Die Arbeit im Club ist ehrenamtlich, und momentan sehr zeitintensiv. Kaymaz arbeitet als Projektleiterin Umweltpädagogik, den grossen Teil ihrer Freizeit investiert sie zusammen mit dem Vorstand in die Planung für das Rahmenprogramm in Basel. Wie viele Stunden sie wöchentlich aufwendet, kann sie nicht beziffern. «Viele!», sagt sie und lacht. «Wir sind im Austausch mit der Stadt Basel und dem Messezentrum, sie holen unseren Rat ein, welches Angebot für ESC-Fans am besten passt und was gut funktionieren könnte.»
Auch mit den anderen Fanclubs in Europa ist Melisa Kaymaz in regem Austausch. Besonders von ihrem schwedischen und englischen Pendant hat sie sich Tipps eingeholt, diese beiden waren an den jüngsten Austragungen des Contests 2024 in Malmö und 2023 in Liverpool beteiligt.
Der Eurovision Club Switzerland feiert dieses Jahr sein 35-jähriges Bestehen. Gegründet wurde er 1990 von den drei ESC-Fans Calogero Falletta, Christian Hirt und Ronald Glaser. Und zwar: in Basel. Der Verein baute Mitglieder und Kontakte in ganz Europa auf.
Heute hat der Eurovision Club Switzerland über 930 Mitglieder. Vor einem knappen Jahr, im Februar 2024, waren es kaum ein Drittel so viel, etwas weniger als 300. «Seit der Bekanntgabe, dass Nemo die Schweiz vertreten wird, und seit Nemos Sieg sind die Anfragen zur Mitgliedschaft explodiert», so Kaymaz gegenüber watson, «es freut mich sehr, dass sich immer mehr Menschen für den ESC begeistern.»
Seit dem Schweizer Triumph in Malmö sei das Interesse am Eurovision Song Contest in der Schweiz deutlich angestiegen, es sei eine Euphorie zu spüren, so Kaymaz.
Europaweit gibt es 44 ESC-Fanclubs. Der grösste ist der britische mit über 4000 Mitgliedern, gefolgt von den Niederlanden und Deutschland mit jeweils über 1000 Mitgliedern. Gleich danach folgen Finnland, Spanien, Irland und nun auch die Schweiz.
Melisa Kaymaz geht davon aus, dass nicht alle Mitglieder auch in einem Jahr noch dabei sein werden: «Die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt, dass die Mitgliederanzahl im Folgejahr, nachdem man den ESC im eigenen Land hatte, wieder ein wenig abnimmt. Ich werde mir als Präsidentin jedoch die grösste Mühe geben, dass das nicht passiert.»
50 Franken kostet eine jährliche Mitgliedschaft im Eurovision Club Switzerland. Daraus finanziert werden unter anderem Fantreffen, Meet&Greets mit ESC-Stars, Public Viewings und der Fanvision Contest, bei welchem Fans sich selbst als ESC-Act testen können.
Melisa Kaymaz ist gespannt, wie Basel den Eurovision Song Contest ausrichtet. Sie hat bereits zwei Wochen Ferien im Mai eingegeben, damit sie sich nur auf den ESC konzentrieren kann: «Normalerweise nehme ich eine Woche Ferien, aber der ESC in der Schweiz ist etwas ganz Spezielles.»
Das Konzept mit der Arena Plus sei vielversprechend, Basel wirke gut vorbereitet und gastfreundlich, sie hoffe auf ein unvergessliches Eurovision-Erlebnis für alle, viele Fanaktivitäten und eine gute Show mit einem tollen weiblichen Moderationstrio rund um Michelle Hunziker, Sandra Studer und Hazel Brugger. Etwas verlegen fügt sie hinzu: «Ich muss aber ehrlich sagen, Hazel Brugger kannte ich nicht, in der Romandie ist sie wenig bekannt, aber die Energie zwischen den drei Frauen war toll, ich freue mich drauf!»