Der Zeitpunkt war alles andere als ideal. Pascal Uffer und sein Geschäftspartner Johannes Lermann gründeten ihre Snackautomatenfirma Boostbar im Sommer 2020 - also just in der Coronapandemie. In einer Zeit, in der die Menschen im Homeoffice blieben und auch ihr Essen zuhause konsumierten.
«Der Start war definitiv nicht einfach», erinnert sich Uffer. Hinzu kam, dass der St. Galler im Herbst 2021 nach einem hartnäckigen Husten die Diagnose erhielt: Lungenkrebs im Endstadium. «Ich fehlte der Firma mehrere Monate, was die Sache erschwerte.» Gesundheitlich hatte Uffer Glück, sein Krebs ist heute inaktiv.
Und auch geschäftlich konnte sich die Firma, die sich inzwischen «Boost inc» nennt, im Markt behaupten, wie Uffer im Gespräch stolz erklärt. Mittlerweile zähle man 160 Angestellte am Hauptsitz in Zürich, sowie in lokalen Büros in London und vier weiteren Ländern. Zu den Kunden gehören bekannte Unternehmen wie Swisscom oder Geberit in der Schweiz, und Coca-Cola oder der Kaffeeriese UCC im Ausland.
Und nun will Boost die nächste Wachstumsphase einleiten mit frischem Kapital. In einer Finanzierungsrunde erhielt die Firma 15 Millionen Franken von hauptsächlich drei institutionellen Investoren. Dabei handelt es sich um die Investmentgesellschaften Direttissima Growth Partners mit Sitz in Zürich, Capmont Technology aus München und Kineo Capital aus Basel. Es ist ein Erfolg in einer Phase, in der viele Start-ups über fehlende Finanzierungen klagen.
«Dank dieser Unterstützung können wir unsere Expansion beschleunigen», sagt Uffer. Denn diese habe man zuletzt sogar künstlich klein halten müssen. «Teils mussten wir Anfragen ablehnen, weil uns die Kapazitäten für weitere Projekte fehlten.» Mit dem zusätzlichen Geld sollen denn auch rund 30 neue Stellen geschaffen werden, insbesondere für lokale Vertretungen im Ausland.
Auch wenn sich der Vergleich mit Selecta aufdrängt, gibt es Unterschiede beim Geschäftsmodell. In der Schweiz bietet Boost Firmen klassische Verpflegungsecken an, mit Kühlschränken, Snackautomaten und Kaffeemaschinen. Teils werden diese auch selber aufgefüllt und betrieben. «Der Kern unseres Geschäfts ist aber die Technologie dahinter», sagt Uffer.
Viele klassische Automaten, in denen die Mars-Riegel, Cola-Flaschen und Gummibärli in Spiralen liegen, hätten die Digitalisierung verschlafen, sagt der 40-Jährige. «Dadurch ist der jeweilige Warenbestand für sie unbekannt bis sie vor Ort den Automaten kontrollieren.» Bei Boost seien stets alle aktuellen Informationen zu den Automaten und Kühlschränken in Echtzeit der Cloud verfügbar, was die Planung fürs Wiederauffüllen effizienter macht.
Zudem fehlt laut Uffer oft ein Bildschirm. Dieser sei Kern der Boost-Technologie. Der Kundschaft bietet er weitere Informationen, wie zu Allergenen oder Nährstoffen des Produktes. Und den Betreibern ermöglicht er Zusatzverkäufe, in dem den Kundinnen und Kunden Combo-Angebote präsentiert werden können, wie zum Beispiel ein Getränk und Chips mit Rabatt und mit nur einem Bezahlprozess.
Im Ausland hingegen setzt Uffer in erster Linie auf dieses Technologie-Angebot. Es besteht aus einer kleinen, grünen Box, die in bestehenden Automaten oder Kühlschränken installiert werden kann. Der Betrieb wird den Firmen überlassen. Sie können den Inhalt selber befüllen und überwachen. Die Hauptmärkte sind Deutschland, Österreich, Spanien, Frankreich, Grossbritannien, Belgien, Luxemburg und die Niederlande.
Derweil sorgt die Marktführerin, die Firma Selecta mit Sitz in Cham ZG für Negativschlagzeilen aufgrund ihrer finanziellen Misere, die in einem Schuldenerlass von über einer Milliarde Franken und einem Chefwechsel endete. «Davon konnten wir natürlich stark profitieren», sagt Uffer. «Mehrere Firmenkunden haben aus Nervosität ihre Selecta-Verträge beendet und sind zu uns gekommen, genauso wie zahlreiche Selecta-Angestellte.»
Doch gleichzeitig sehe man Selecta auch als möglichen Partner und Abnehmer der eigenen Technologie. «Entsprechende Gespräche dazu sind am Laufen.» Zudem sei der Aufbau und Betrieb von Snackautomaten im öffentlichen Bereich, also an Tram- und Bushaltestellen und Bahnhöfen, für Boost derzeit kein Thema. «Hier kommen wir Selecta nicht in die Quere.»
Bereits heute mache das internationale Geschäft zwei Drittel des Umsatzes von zuletzt 17 Millionen Franken aus, sagt Uffer. Mit der Finanzspritze wolle man in weitere Länder expandieren. «Der Auslandsanteil dürfte also noch grösser werden.» Dabei seien auch die USA eine Möglichkeit. Zuletzt weilte Uffer an der Automaten-Messe in Las Vegas. «Die Unsicherheiten in Bezug auf die Zollstrategie von Präsident Trump hemmen derzeit die Investitionen.» Doch sobald Klarheit herrsche, wäre Boost startklar, sagt Uffer. Mit potenziellen US-Kunden sei man denn schon in Kontakt.
Das kommunizierte Ziel, 2024 erstmals einen Gewinn zu schreiben, wurde laut Uffer knapp verfehlt, «wobei wir in Deutschland und in der Schweiz profitabel waren». Und nach wie vor gelte, dass man bis 2028 über 100 Millionen Franken Umsatz erwirtschaften wolle.
Seine Zuversicht fusst auch auf der Back-to-office-Devise vieler Unternehmen. Vielerorts seien drei bis vier Bürotage Pflicht. Gleichzeitig lohne sich für mittelgrosse und kleinere Firmen dadurch aber der Betrieb einer eigenen Kantine aufgrund der Home-Office-Tage nicht mehr. Die Nachfrage nach unbedienten, aber attraktiven Verpflegungsoptionen sei gross. «Die Firmen realisieren, dass sie ihrem Personal vor Ort etwas bieten müssen.»
Gibts alles nicht bei Selecta.