2015 wurde sie lanciert, am 9. Februar des nächsten Jahres kommt die Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» an die Urne. Darum geht es.
Mehr bezahlbare Wohnungen. Dafür soll der Anteil gemeinnütziger Wohnungen erhöht werden – und zwar mit einer Reihe von Neuerungen in der Bundesverfassung, die tief greifenden Markteingriffen gleichkommen. Die Initiative nennt etwa eine klare Quote, die jedes Jahr eingehalten werden soll: 10 Prozent der neu gebauten Wohnungen sollen mindestens gemeinnützig, also etwa im Besitz von Genossenschaften, sein. Heute beträgt der gesamtschweizerische Anteil vier Prozent. Gemeinden und Kantone sollen ein Vorkaufsrecht für geeignete Grundstücke bekommen, um dieses Ziel zu erreichen.
Der Trend sieht nicht gut aus für die Initianten. Denn zuletzt hat sich die Situation entspannt. Die Zahl der leer stehenden Wohnungen ist stets angewachsen – und erreichte am 1. Juni dieses Jahres gar einen neuen Rekordwert. 75'323 Einheiten standen damals leer. Zum Vergleich: vor zehn Jahren war es weniger als die Hälfte. Auch die Leerwohnungsziffer steigt seit Jahren an. Aktuell beträgt sie 1.66 Prozent – und ist damit so hoch wie zuletzt vor 20 Jahren.
So pauschal kann man das nicht sagen, weil die regionalen Unterschiede gross sind. So beträgt die Leerwohnungsziffer in Solothurn 3.4 Prozent, während es in Genf nur 0.54 sind. Als optimal gilt eine Quote von knapp über einem Prozent. Wohnungen in den Zentrumsregionen Genfersee, Zürich und Basel sind deutlich knapper und teurer als in der Peripherie. Daher sprechen sich die Gegner der Initiative auch gegen eine Quote aus, die für das ganze Land gilt – und plädieren dafür, stattdessen den Fonds zur Förderung von gemeinnützigem Wohnbau mit mehr Mitteln zu füllen.
Genossenschaften arbeiten nicht gewinnorientiert. Sie wenden meist die sogenannte Kostenmiete an. Das bedeutet, dass sie als Mietzins nur so viel verrechnen, wie sie effektiv – inklusive Rückstellungen und Abschreibungen – ausgeben.
Ja, der Unterschied ist beträchtlich, wie eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Wohnungswesens zeigt. Konventionelle Mietwohnungen waren im Untersuchungszeitraum 2010 bis 2014 im Schnitt 15.4 Prozent teurer als Genossenschaftswohnungen. In den Grossstädten sind es gar 24 Prozent.
Die Fronten verlaufen nach dem klassischen Muster: Links gegen Rechts, Wirtschaft gegen Konsumentenorganisationen. Im Ja-Lager finden sich die Grünen, die SP, der Mieterverband, der Gewerkschaftsbund und Wohnbaugenossenschaften Schweiz. Für ein Nein kämpfen die bürgerlichen Parteien von CVP über FDP bis hin zur SVP. Und auch die grossen Wirtschaftsverbände Economiesuisse und Gewerbeverband sowie die Hauseigentümer und die Baumeister.
Sie kritisieren, dass in der Schweiz erschwinglicher Wohnraum knapp sei, woran in ihren Augen in erster Linie die Spekulanten schuld sind. Die Initiative soll in Zukunft «mehr Wohnungen der Profitgier der Spekulanten» entziehen und Familien und den Mittelstand entlasten. Genossenschaften hätten den Vorteil einer guten sozialen Durchmischung, ihre Bewohner verbrauchten weniger Wohnfläche und hätten eine höhere Wohnsicherheit. Die Initianten argumentieren weiter, Wohnen sei ein Grundbedürfnis. Und sie verweisen auf die Bundesverfassung, laut der alle Menschen eine «angemessene Wohnung zu tragbaren Bedingungen» finden können. Die Initiative soll diesen Auftrag nun umsetzen.
Sie warnen im Falle eines Jas vor Mehrkosten von 120 Millionen jährlich. Die 10-Prozent-Quote ist in ihren Augen «viel zu starr». Und sie könnten zur Folge haben, dass der Staat an der Nachfrage vorbeibauen muss, um die Quote zu erfüllen. Das Nein-Komitee warnt vor «sozialistischer Planwirtschaft» und einer Verstaatlichung des Wohnungsmarkts bei einer Annahme. Und es prophezeit, dass weniger gebaut werde, weil eine neue Bürokratie entstehe und diese die Bautätigkeit hemme. Generell ist die Initiative in ihren Augen nicht nötig, weil sich die Situation am Wohnungsmarkt vielerorts entspannt habe.
Nein, die Landesregierung ist gegen die Initiative. Auch in ihren Augen gibt es genug guten und finanziell tragbaren Wohnraum. Der Bundesrat räumt aber regionalen Handlungsbedarf ein – und er schlägt, wohl auch aus taktischen Gründen, eine andere Massnahme vor: Er will einen Fonds, der Genossenschaften günstige Kredite zur Verfügung stellt, mit zusätzlichem Geld äufnen. Konkret geht es um 250 Millionen Franken in den nächsten zehn Jahren. Mit ihnen soll die bisherige Förderpolitik fortgeführt werden. Das Geld soll aber nur fliessen, wenn die Initiative abgelehnt wird.
Lesen Sie hier die Stimmern für und gegen die Initiative. (aargauerzeitung.ch)
Zauggovia
Aber sicher nicht auf nationaler Ebene.
Wenn in Hintertupfigen 9 neue Wohnungen gebaut werden, die zu einem Viertel eh leerstehen, muss noch eine 10 Genossenschaftswohnung gebaut werden, weil der Bund das vorschreibt?
Das ganze zielt komplett am föderalistischen Gedanken vorbei.
glass9876
Bitte, bitte, betrachtet nicht nur die Leerstandsquote, sondern auch diee Mietpreise der leer stehenden Objekte. Diese werden von grossen Immobilienbesitzern künstlich hoch gehalten, damit sie nicht die Preise der vermieteten Objekte drücken. Lieber leer statt günstig, scheint das heutige Motto in grossen Städten.
Saraina