Da staunten die Studenten nicht schlecht. Im Mail-Posteingang, in dem sie sonst Informationen über die Hochschule und Kurse erhalten, war politische Post eingegangen. Der Betreff: «No Billag – No Culture!» Die Absender: Dozenten und Mitarbeiter der Hochschule.
«Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierenden», schreiben darin die sechs Mitglieder der Mitwirkungskommission Musik der Hochschule Luzern. «Wir wenden uns mit einem dringenden Aufruf an euch alle, weil die No-Billag-Initiative das Schweizer Kulturschaffen ganz direkt bedroht.» Es sei existenziell wichtig am 4. März an die Urnen zu gehen «und ein Nein gegen diese gefährliche Initiative einlegen». Im Mail-Anhang: Ein Flyer des Schweizer Musikrats, inklusive Argumentarium.
Die politische Werbung erreichte über 6000 Studierende und 1600 Mitarbeiter der Hochschule Luzern. Verschickt wurde sie über den internen Mail-Verteiler. Jene, die sich noch darüber wunderten, dass sich ein offizielles Organ der Bildungsinstitution im Abstimmungskampf zu Wort meldet, sahen sich wenige Stunden durch die Reaktion des Rektors bestätigt. Er liess über seine Unternehmenskommunikation eine Stellungnahme verschicken. Ebenfalls an alle.
Darin stellt er klar, dass mit dem Massenmail das Reglement der Hochschule Luzern verletzt wurde. Es sei nicht zulässig, Daten und den Mail-Account der Hochschule Luzern für politische Abstimmungskampagnen zu benutzen. Die Mail-Adressen seien ausschliesslich für den Informationsaustausch zwischen der Hochschule und Studierenden gedacht. «Wir bedauern die Fehlleistung und dass diese allenfalls bei den Mail-Empfängerinnen und -Empfängern Verärgerung ausgelöst hat.»
Geärgert hat sich jener Student, der das Mail an watson weitergeleitet hat. Obwohl er ein Gegner der No-Billag-Initiative ist, findet er, dass die Mails der Hochschule nicht dazu da sind, um politische Botschaften zu verbreiten.
Ramon Bisang, Präsident der Jungfreisinnigen Luzern, stimmt der Kritik zu und spricht von einem klaren Machtmissbrauch zu Gunsten eigener Interessen durch die Mitarbeiter und Dozenten. «Es gibt dazu andere, viel bessere Plattformen als der Mail-Verteiler einer Hochschule. Ich begrüsse die umgehende und richtige Reaktion durch den Rektor.» Die Jungfreisinnigen Luzern befürworten die Initiative, welche die Abschaffung der Billag-Gebühren fordert.
Auch die Hochschule erhielt negative Reaktionen, allerdings nur vereinzelt, sagt Sigrid Cariola, Leiterin der Unternehmenskommunikation. Nicht deswegen sah sich die Luzerner Fachhochschule gezwungen, zu reagieren. «Wir können solche Massen-Mails prinzipiell nicht tolerieren – wir hätten ein massives Problem, wenn alle ihre persönlichen Überzeugungen auf diese Weise verbreiten würden.» Als öffentlich-rechtliche Institution äussere sich die Hochschule nicht zu Abstimmungskampagnen, hält sie fest.
Die Richtlinien der Hochschule lassen keinen Interpretationsspielraum zu. Im Benutzungsreglement der Informatikmittel ist festgehalten: «Es ist nicht gestattet, die Adressen von Mitarbeitenden oder Studierenden für den Versand von Inhalten zu verwenden, die nicht im Zusammenhang mit dem Studium, beziehungsweise dem Auftrag der Hochschule stehen.»
Den sechs Absendern des E-Mails sind die Richtlinien sehr wohl bekannt. «Unser Ziel war, die Debatte über No Billag in die Hochschule zu bringen. Und das hat zu 100 Prozent geklappt», sagtHans-Jürg Rickenbacher, Gesangslehrer und Mitglied der Kommission. Die Initiative habe sehr wohl etwas mit dem Studium zu tun, so der Dozent, der die Aktion durch die Meinungsfreiheit legitimiert sieht. «Der Musiker-Beruf wäre nach einer Annahme der Initiative nicht mehr derselbe. Die Studenten müssen sich den Konsequenzen bewusst sein.»
«Für uns war klar, wenn wir ein solches Mail schicken, dann an einen möglichst grossen Kreis, weil auch die anderen Departemente von den Auswirkungen der Initiative betroffen wären.» Rickenbacher ist ein bekennender Gegner der No-Billag-Initiative. Dies macht er auch auf seiner Website transparent.
Die Studenten und seine Arbeitskollegen hätten die Aktion unterschiedlich aufgenommen, berichtet Rickenbacher, die Meinungen seien geteilt. «Für die einen sind wir Helden, für die anderen Buhmänner.» Er versichert aber, es sei eine einmalige Aktion gewesen und niemand sollte damit verärgert werden. «Ich trage dafür die Verantwortung und nehme auch allfällige Konsequenzen in Kauf.»
Die sechs Mitarbeiter werden ein Gespräch mit ihrem Vorgesetzten haben, wie Sprecherin Sigrid Cariola mitteilt. «Ob und allenfalls was für Konsequenzen das Mail hat, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen.»