An dem sonnigen Montagnachmittag scheint es ruhig zu sein in der Eingangshalle des Spitals Wetzikon. Am Empfangsschalter stehen nur drei Personen in der Schlange und der Vorraum der Notaufnahme ist nur mässig gefüllt.
Etwas hektischer geht es im fünften Stock des Hauptgebäudes zu und her. Eine Pflegefachfrau sagt zu ihrer Arbeitskollegin: «Du siehst müde aus.» Diese entgegnet: «Es ist einfach unglaublich heiss!» und lacht. Sie gehen zusammen in das kleine Büro der Pflegefachpersonen.
Hier sitzen einige Frauen zusammen, bereiten verschiedene medizinische Instrumente vor und schreiben die Rapporte für die Übergabe an die Mitarbeitenden der nächsten Schicht.
Im Pausenraum derselben Etage warten Franziska Langer, sie arbeitet als Pflegefachfrau in der Chirurgie, und Sabina Uhr, sie ist Pflegefachfrau in der Stroke Unit.
Die zwei Frauen nehmen sich trotz des anspruchsvollen Arbeitsalltags Zeit, mit watson zu sprechen. Sie beide profitieren von dem neuen Arbeitszeitmodell der Pflegeabteilung des Spitals Wetzikon.
Seit rund einem Jahr läuft ein Pilotversuch: Die wöchentliche Arbeitszeit wurde bei gleichbleibendem Grundlohn um zehn Prozent reduziert.
Das heisst, bei einem 100 Prozent-Pensum beträgt die wöchentliche Arbeitszeit aktuell 37,8 Stunden. Diese Regelung gilt jedoch nur für die Pflegefachpersonen im Drei-Schicht-Betrieb, dies sind rund 260 Mitarbeitende.
Uhr wechselte vor acht Monaten in das Spital Wetzikon. Damals wurde die Stroke Unit, also ein Team, welches sich ausschliesslich um Schlaganfallpatienten kümmert, eröffnet.
«Fast alle in unserem Team haben von einem anderen Spital ins Spital Wetzikon gewechselt. Für viele war unsere aktuelle Arbeitgeberin unter anderem wegen des neuen Modells attraktiv», so Uhr. Sie selbst habe sich beim Stellenantritt im Spital Wetzikon entschieden, ihr Pensum aufgrund des neuen Arbeitszeitmodells von 50 Prozent auf 60 Prozent zu erhöhen.
Langer hat, anders als Uhr, die gesamte Entwicklung des neuen Arbeitszeitmodells im Spital miterlebt. Sie arbeitete früher 100 Prozent, hat dann aber auf 90 Prozent reduziert. Sie sagt: «Eigentlich wollte ich vor der Umstellung nochmals reduzieren, auf 80 Prozent. Aber als die neue Regulierung verkündet wurde, habe ich gedacht, dass das gerade zum richtigen Zeitpunkt kommt und bin bei 90 Prozent geblieben – effektiv arbeite ich ja weniger.»
Was die beiden erzählen, wird auch von der Arbeitgeberin bemerkt. Judith Schürmeyer, COO GZO Spital Wetzikon, sagt: «Die Fluktuation ist gesunken, ebenso die kurzfristigen Absenzen, was die Teams stabilisiert. Erste Befragungen und spontane Feedbacks aus den Bereichen zeigen insgesamt eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit.»
Der Pilot sei eine Sofortmassnahme zur Umsetzung der Pflegeinitiative, um die Pflegenden im Schichtbetrieb zu entlasten. «Damit möchten wir weniger Krankheitsfälle und Kündigungen und somit eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit erlangen», ergänzt Schürmeyer.
Doch die Umstellung habe auch negative Aspekte: «Einschränkend müssen wir bedenken, dass wir die fehlende Arbeitsleistung durch mehr Mitarbeitende kompensieren mussten. Dies war aufgrund der reduzierten Verfügbarkeit von Fachkräften nicht einfach.»
Diese Kompensation sei kostenintensiv. «Die 10 Stellenprozente der Pflegenden, die regelmässig im Schichtdienst arbeiten, mussten aufgrund der Reduktion der Arbeitszeit kompensiert werden, also ungefähr 26 Vollzeitstellen», sagt Schürmeyer.
Man müsse berücksichtigen, dass das Spital Wetzikon aufgrund des Fachkräftemangels viele temporäre Mitarbeitende anstellen musste. Diese würden das Krankenhaus 40 Prozent mehr kosten als fest angestelltes Personal. Diese Lösung sei nicht nur teuer, sondern erfordere auch eine lange Einarbeitungszeit und wirke sich aufgrund der fehlenden Kontinuität negativ auf die Qualität der Prozesse aus, so das Spital.
Für die beiden Pflegefachpersonen ist klar, dass es eine Investition ist, die sich gelohnt hat. Das Stresslevel im Team zu bewerten, fällt den beiden Frauen zwar schwer, aber Uhr habe eine Beobachtung gemacht. Sie sagt: «Ich habe bemerkt, dass viele meiner Mitarbeitenden Kapazität haben, sich regelmässig im Pool zu melden. Sie übernehmen dann Dienste von anderen Mitarbeitenden, die beispielsweise krankheitsbedingt ausfallen. So kann man sich den Lohn noch etwas aufbessern.»
Langer stimmt ihrer Arbeitskollegin zu: «Seit der Umstellung habe ich mehr Energie und Lust, mich öfters im Pool zu melden.»
Während des Gesprächs ist spürbar, dass Langer begeistert ist von der Umstellung. Sie sagt: «Ich fand das ein tolles Signal vom Haus. Es wurde nicht lange darüber diskutiert im Vorhinein, der Entschluss kam recht schnell. Das wurde bei uns im Team sehr positiv aufgenommen.»
«Die Personen, die hochprozentig arbeiten, merken das schon. Erfreulicherweise sieht man mehr freie Tage im Arbeitsplan als vor der Umstellung», erklärt Langer.
Ihre Lebensqualität habe sich seit der Umstellung verbessert. Sie sagt: «Ich habe endlich wieder mit dem Joggen begonnen. Das klingt jetzt blöd, aber diese Energie hätte ich vorher einfach nicht gehabt.» Uhr und Langer müssen beide schmunzeln.
Noch immer lachend sagt sie: «Ich freue mich, mehr Zeit zu Hause verbringen zu können. Aber meine zwei Teenie-Kinder verdrehen dann die Augen und fragen: ‹Hast du schon wieder frei?›»
Auch Uhrs Lebensqualität hat sich verbessert. Sie sagt: «Die Umstellung gibt mir die Möglichkeit, die Kinderbetreuung und die Arbeit besser zu vereinbaren. Ich bin eine alleinerziehende Mutter. 60 Prozent zu verdienen, aber nur etwas mehr als 50 Prozent zu arbeiten, macht finanziell viel aus für mich.»
Beide Pflegefachfrauen sind der Meinung, dass das neue Schichtmodell ein Schritt in die richtige Richtung ist. Aber Uhr denkt, dass man es noch grosszügiger ausgestalten könnte: «Das aktuelle Modell ist nur entlastend für die Angestellten, die in der Schichtarbeit sind. Es gibt aber ebenfalls Pflegende, die in einem Aufwachraum oder im Ambulatorium arbeiten, sie arbeiten auch sehr hart und sie profitieren nicht von dem neuen Modell.»
Sie denkt nochmals nach und sagt: «Es ist ein guter Anfang, aber langfristig kann man nicht nur bei dieser Umstellung bleiben.»
Langer fügt an: «Ich würde mir wünschen, dass das Spital sich entscheiden kann, das weiterzuführen. Denn ich glaube, der Zeitraum ist zu kurz, um zu sagen, ob sich das für das Spital gelohnt hat. Für uns ist es wirklich eine tolle Wertschätzung.»
Ob das Modell zum neuen Standard werden soll im Spital, ist indes unklar. Aktuell warte man noch die Ergebnisse der Begleitstudie der Universität Bern ab, so Schürmeyer.
Sie erklärt: «Wir klären die Weiterführung ab und würden uns diese insbesondere für unsere Mitarbeitenden wünschen. Das neue Arbeitszeitmodell zieht Pflegefachkräfte an. Es ist jedoch eine relativ teure Sofortmassnahme zur Umsetzung der Pflegeinitiative, welche unser Spital nicht alleine tragen kann.»
Für den CEO GZO Spital Wetzikon, Matthias P. Spielmann, ist klar, dass sich politisch etwas ändern muss: «Mit den Tarifstrukturen, die wir aktuell im Spitalwesen schweizweit haben, ist ein solches Arbeitszeitmodell langfristig nicht finanzierbar. Wir tun, was wir können, um die Attraktivität im Pflegeberuf weiterhin hochzuhalten. Eine Verlängerung unseres Modells erfolgt in Abstimmung mit den Beschlüssen zur Pflegeinitiative und kann daher nur befristet erfolgen. Wir brauchen bessere politische Lösungen, die langfristig tragbar sind.»
Bitte weiterführen und nach und nach für die ganze Gesellschaft übernehmen. Sowas müssen wir uns leisten können. Spart am Ende wohl auch Geld wegen weniger Krankheit, Stress, Burnout, etc.