«Ein Coup, der uns nichts kostet» – das sagt die Schweizer Politik zum US-Zoll-Deal
Der neue Zoll-Deal mit den USA steht: Die amerikanischen Strafzölle auf Schweizer Importe sinken von 39 auf 15 Prozent, wie der Bundesrat am Freitag bekannt gab. Für die Exportwirtschaft fällt damit ein zentraler Wettbewerbsnachteil gegenüber der EU weg. Für diese gelten bereits seit August Zölle von 15 Prozent.
Doch der Preis für den Deal ist hoch: Wie Bundesrat Guy Parmelin an einer Pressekonferenz verkündete, haben sich Schweizer Unternehmen verpflichtet, in den nächsten Jahren 200 Milliarden US-Dollar in den USA zu investieren.
Auch US-Handelsbeauftragter Jamieson Greer hat sich zum Deal geäussert und gesagt, dass die Schweiz nun einen «grossen Teil ihrer Produktion in die Vereinigten Staaten verlagern» würde, um den Handelsüberschuss abzubauen.
watson hat bei den Politikerinnen und Politikern der Wirtschaftskommission nachgefragt, was sie vom neuen Deal halten.
SP-Badran begeistert
Die SP-Nationalrätin Jacqueline Badran fällt ein überraschend positives Urteil: Von einem «Preis» für die Schweiz will sie nicht sprechen. Die 200 Milliarden seien Investitionen der Privatwirtschaft, vor allem der Pharma, «die ohnehin seit langer Hand geplant waren». Der eigentliche Trick liege laut Badran bei der Goldbranche: Die Verlagerung der Goldschmelze in die USA nehme rund 20 Milliarden aus dem Handelsbilanzdefizit gegenüber der Schweiz. «Das kostet uns gar nichts, denn die Wertschöpfung der Raffinerien bleibt hier», sagt sie. Psychologisch sei das aber wahrscheinlich Match-entscheidend gewesen, da Trump bekanntlich Gold liebe.
Ein ähnliches Muster sieht Badran bei den Flugzeugen: Bisher seien die von Swiss bestellten Boeing-Maschinen aus steuerlichen Gründen über Malta importiert worden und somit in die Importbilanz der EU eingerechnet. «Jetzt laufen diese Geschäfte direkt in die Schweiz und in unsere Handlesbilanz. Für uns ändert sich real nichts, ausser dass Swiss etwas mehr Steuern zahlt», sagt sie.
Skeptisch bleibt Badran hingegen bei den neuen Fleischkontingenten: «Psychologisch sei das zwar richtig, weil Trump dann das Gefühl hat, er tue etwas für seine Farmer. Dass wir jetzt ihre Chlorhühner und Hormonfleisch essen, können sie vergessen. Kontingente definieren ist das eine, die Ware muss dann aber auch jemand wollen.»
Die SP-Politikerin hält aber fest:
Laut Badran sei dies vor allem von den Unternehmen eingefädelt worden, weniger von Bundesrat Guy Parmelin. «Trumps Psyche funktioniert so: Er verachtet Politik, Parlament und Justiz. Aber erfolgreiche Unternehmer respektiert er ja anscheinend und die können ihm das auch in seiner Sprache besser verkaufen.»
SVP-Salzmann besorgt um Landwirtschaft
Die SVP war die erste, die ihre Freude über den neuen Deal verkündete. 2 Stunden vor der offiziellen Medienmitteilung des Bundes schrieb sie in einer Mitteilung an die Medien: «Gut gemacht, Herr Bundesrat Parmelin!»
Von SVP-Ständerat Werner Salzmann tönt es auf Nachfrage von watson etwas nüchterner: «15 Prozent Zölle sind klar besser als 39 Prozent. Aber auch 15 Prozent sind eine Belastung für die Wirtschaft.»
In den Zugeständnissen der Wirtschaft für Investitionen von 200 Milliarden US-Dollar in den USA sieht Salzmann kein Problem. Kritischer bewertet er hingegen einen anderen Punkt im neuen Abkommen: Dass die Schweiz den USA zollfreien Export von 500 Tonnen Rindfleisch, 1000 Tonnen Bisonfleisch und 1500 Tonnen Geflügelfleisch gewährleisten will. «Das könnte die Schweizer Landwirtschaft unter Druck setzen», sagt Salzmann.
Mitte-Bregy will genau hinsehen
Auch Mitte-Präsident Philipp Matthias Bregy begrüsst den neuen Deal grundsätzlich:
Was die Zugeständnisse der Wirtschaft angehen, will sich Bregy noch nicht auf ein Urteil herauslassen. «Es sollte nicht sein, dass die Unternehmen Arbeitsplätze in die USA verlegen und im Gegenzug in der Schweiz abgebaut wird.» Die Umsetzung dieses Teils des Abkommens werde er deshalb genau beobachten.
FDP-Burkart lobt Wirtschaft
Ähnlich verhalten klingt es von FDP-Ständerat Thierry Burkart: «15 Prozent Zölle sind besser als 39 Prozent, aber die Ausgangslage für die Schweizer Wirtschaft bleibt schlechter als vor dem 1. August.» Was ebenfalls bleibe, seien die Unsicherheiten, die auf die Schweiz als Exportland zukämen, da Trumps Zollpolitik den Welthandel stark einschränke. Zölle, die Trump auf Importe aus anderen Ländern erhebe, hätten auch weiterhin indirekten Einfluss auf unsere Wirtschaft. «Wie sich die Preise entwickeln werden, wird die Zukunft zeigen.»
Bei den zollfreien Kontingenten auf US-Fleischprodukte setzt Burkart auf die Eigenverantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten, damit die Schweizer Landwirtschaft nicht unter Druck kommt. «Wir können den USA schon zollfreie Importe gewähren, aber die Menschen dazu zwingen, das Fleisch zu kaufen, können wir nicht.»
Die Investitionszugeständnisse der Wirtschaft, etwa der Pharma- und Goldindustrie, sieht Burkart als Liberaler durchaus als Einmischung in den freien Markt und daher ungern. Er sagt jedoch: «Ich gehe davon aus, dass ein Teil dieser Investitionen ohnehin geplant gewesen sind. Potenzielle Investitionen in der Schweiz, die stattdessen in den USA getätigt werden, gehen hingegen zulasten unserer Standortattraktivität und indirekt auch zulasten vieler KMU.» Derlei Auswirkungen müssten daher genau analysiert werden.
Grundsätzlich kommt Burkart jedoch zum Fazit:
Grüne kritisieren Vorgehen
Zu einem ganz anderen Fazit als Burkart kommt man bei den Grünen. Der Zolldeal entlaste zwar gewisse Schweizer Unternehmen, sei aber ein gefährlicher Präzedenzfall, schreibt die Partei in einer Medienmitteilung. Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone lässt sich folgt zitieren:
Die Schweiz habe sich die Zugeständnisse mit fragwürdigen Methoden und Goldgeschenken im Gepäck erkauft, statt auf den Entscheid des Supreme Courts, des Obersten Gerichtshofes, zu warten. Es dürfe nicht sein, dass Unternehmen im Namen der Schweiz Abkommen aushandeln, die ihren Partikularinteressen dienen.
Insbesondere der drohende zollfreie Import von Hormonfleisch und Chlorhühnern, seien das Resultat eines undemokratischen Prozesses, der die Schweizer Landwirtschaft und die Konsumenten massiv schädigen werde.
GLP: Freihandel als Ziel
Für die Grünliberalen ist die Senkung der US-Zölle auf Waren aus der Schweiz «eine gute Nachricht». Ziel müsse aber auch mit den USA der Freihandel sein, betont die GLP in ihrer Reaktion auf das Verhandlungsergebnis von Parmelin in Washington.
(mit Material der sda)
