Schweiz
Gesellschaft & Politik

Zürcher Stadtparlament: Linke wollen Werbung verbieten – FDP wütend

Ein Digitaler Werbescreen der Firma Goldbach NEO, fotografiert am Freitag, 1. Maerz 2024 am Zuercher Paradeplatz. (KEYSTONE/Christian Beutler)
Ist der Alternativen Liste ein Dorn im Auge: eine digitale Werbeanzeige im öffentlichen Raum.Bild: KEYSTONE

Motion von Links-Grün lupft FDP-Gemeinderat den Deckel: «Ich bin stinkhässig»

Dicke Luft im Zürcher Gemeinderat: Eine Motion der Alternativen Liste möchte Werbeflächen im öffentlichen Raum reduzieren und in gewissen Fällen ganz verbieten. Die Bürgerlichen sind fassungslos. Am Ende setzt sich die links-grüne Mehrheit knapp durch.
20.03.2025, 17:4520.03.2025, 18:52
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Der Zorn bei FDP-Gemeinderat Patrik Brunner ist auch einen Tag später riesig: «Ich ärgere mich massiv, ich bin stinkhässig.»

Stein des Anstosses ist eine Motion der Alternativen Liste (AL), die am Mittwochabend im Zürcher Stadtparlament mit 58 zu 57 Stimmen eine knappe Mehrheit fand. AL, SP und Grüne wollen Werbeflächen im öffentlichen Raum massiv reduzieren und bewegte Werbung auf Bildschirmen ganz verbieten. Auch Reklame auf von der Strasse einsehbaren privaten Grundstücken und Schaufenster wären von der Regelung betroffen.

Eine Uebersichtsaufnahme waehrend der Sitzung des Zuercher Gemeinderats im Rathaus Hard, am Mittwoch, 11. September 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
Der Zürcher Gemeinderat tagt jeden Mittwochabend im Rathaus Hard.Bild: keystone

Die Begründung: Werbung bringe zahlreiche negative Folgen mit sich, sie verstärke den Konsum und damit den Ressourcenverbrauch. Dies wiederum befeuere die Zerstörung der Umwelt und die Erwärmung des Klimas.

Die Werbung im öffentlichen Raum sei besonders störend, weil man ihr nicht ausweichen könne. Dies reduziere etwa die Aufenthaltsqualität an öffentlichen Orten. «Das inhärente Ziel von Werbung ist es, uns zu manipulieren», sagt AL-Gemeinderat Michael Schmid.

So sicher wie das Amen in der Kirche

FDP-Politiker Brunner ist ausser sich:

«Weil den Linken hier etwas nicht passt, kreieren sie gleich ein Verbot, das alle betrifft. So werden die freiheitlichen Grundrechte unseres Rechtsstaates beschnitten.»

Brunner nervt sich vor allem über die Argumentation, wonach Werbung zu Überkonsum führe. «Das ist ein riesiger Hafechäs. Werbung verstärkt im Normalfall bereits vorhandene Bedürfnisse.»

Patrik Brunner sitzt seit 2021 für die FDP im Zürcher Gemeinderat.
Patrik Brunner sitzt seit 2021 für die FDP im Zürcher Gemeinderat.bild: zvg

Die Menschen seien sehr wohl in der Lage, sich von einem Plakat nicht ungewollt beeinflussen zu lassen. Er betont: «Würde stimmen, was die Linken sagen, hätte jeder von uns 20 Autos in der Garage. Die Linken sprechen den Menschen jegliche Vernunft ab. Das geht uns Liberalen als Kinder der Aufklärung komplett gegen den Strich.»

Befürchtet Brunner Folgen für die Wirtschaft? «Natürlich. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.» Komme die durch die Motion geforderte Verordnung zustande, «werden viele Leute ihren Job verlieren».

Der FDP-Gemeinderat kündigt bereits Widerstand an: «Wir werden die Gesetzesvorlage im Rat bekämpfen und danach das Referendum ergreifen.» Zudem hofft er auf die Gesamterneuerungswahlen im nächsten Jahr:

«Sollte die Mehrheit im Gemeinderat kippen, wird diese Verordnung Geschichte sein.»

«Dann geht doch zusammen ins Kloster»

Unterstützung erhält Brunner von SVP-Gemeinderat Jean-Marc Jung. Dieser sagte in der gemeinderätlichen Debatte: «Werbung ist Teil des effizienten Handelns von Gütern und Dienstleistungen. Wollen Sie etwa zurück zum Tauschhandel? Zum Neandertaler? Es tönt fast so.»

Der Homo Sapiens habe den Neandertaler ablösen können, weil er Handel betrieben habe. Jung betonte in Richtung Links-Grün:

«Wir wollen Reklamebildschirme, am liebsten schön farbige, wenn Sie sich dadurch gestört fühlen oder zu faul sind, wegzuschauen, können Sie ja auswandern.»

Ganz anderer Meinung als die bürgerliche Ratsseite ist SP-Gemeinderätin Anna Graff. Digitale Werbeflächen und andere Formate mit dynamischem Inhalt würden den öffentlichen Raum «besonders invasiv kommerzialisieren und zu Reizüberflutungen führen». Graff sagte:

«Die Reduktion von Werbeflächen ist eine Massnahme zur ökosozialen Transformation unserer Konsumgesellschaft in eine nachhaltige und zukunftsfähige Form, in der auch unsere Klimaziele erreicht werden können.»

SVP-Gemeinderat Bernhard im Oberdorf wiederum warf Links-Grün an den Kopf: «Dann geht doch, wenn ihr gegen Werbung seid, alle zusammen ins Kloster und werdet dort glücklich.»

Was hältst du von den Forderungen der Alternativen Liste?

Bereits ein strenges Regime

Am Ende reichten sämtliche Einwände aus dem bürgerlichen Lager nicht, die Motion zu verhindern. Die Zürcher Stadtregierung hat nun zwei Jahre Zeit, eine neue Verordnung auszuarbeiten.

In den vergangenen Jahren hat Links-Grün bereits zwei Postulate zum Thema an den Stadtrat überwiesen, aus Sicht der Befürworter geschah jedoch zu wenig. Durch die Motion ist der Stadtrat nun verpflichtet, eine Verordnung auszuarbeiten.

Die links-grün dominierte Stadtregierung kann den Forderungen von AL, SP und Grünen wenig abgewinnen. Reklame habe in Städten eine lange Tradition und mache eine geschäftige Stadt aus. In Bezug auf die Regulierung von Werbeanlagen im öffentlichen Raum existiere in Zürich ein vergleichsweise strenges Regime.

Stadtrat Andre Odermatt, Vorsteher des Hochbaudepartements, auf der Baustelle der Siedlung Leutschenbach, aufgenommen am Mittwoch, 6. Maerz 2024 in Zuerich Seebach. Die zweitgroesste staedtische Wohns ...
Der zuständige Hochbauvorsteher André Odermatt (SP) ist gegen die Motion der AL.Bild: keystone

Der Stadtrat befürchtet, dass in Zürich Arbeitsplätze verloren gehen. Darüber hinaus müsste die Stadt Zürich auf Einnahmen in Millionenhöhe verzichten.

Gewisse Formen von Werbung wären auch nach einer neuen Verordnung erlaubt, wie die AL explizit schreibt. Dazu gehören die Beschriftung von Geschäften vor Ort, Werbung für lokale Gewerbetreibende und Veranstaltungen, unkommerzielle Angebote oder zum Zweck der politischen Meinungsbildung. Ebenso Informationen der öffentlichen Hand.

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280 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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DasUrmel
20.03.2025 18:09registriert Oktober 2023
Wenn es keinen Einfluss auf das Konsumverhalten hat wieso rechnet er denn mit wirtschaftlichen Folgen?
Und dass nicht jeder 20 Autos zu Hause hat ist wohl eher eine Sache des Geldbeutels und nicht der Vernunft. Denn man sieht ja oft wo die Vernunft bleibt wenn der Geldbeutel stimmt.
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kuhrix
20.03.2025 18:07registriert Juni 2014
Bitte auch auf den ÖV ausweiten. Es kann doch nicht sein, dass ich im teuersten ÖV der Welt noch animierte Werbeanzeigen im Bus oder Zug habe. Selbst in der ersten Klasse. Irgendwann haben wir noch Drohnenschwärme am Nachthimmel mit dem Coca-Cola Logo. Gut wird etwas gegen diese Auswüchse unternommen.
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Firefly
20.03.2025 18:11registriert April 2016
Finde ich gut, Webrung ist unnötig und widerspricht der ökonomischen Theorie von Nachfrage das Angebot generiert. Webung braucht es nur, wenn Angebot neue Nachfrage generieren soll.

Ausserdem ist der öffentliche Raum öffentlich und gehört allen und sollte nicht käuflich sein.
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