Der Zorn bei FDP-Gemeinderat Patrik Brunner ist auch einen Tag später riesig: «Ich ärgere mich massiv, ich bin stinkhässig.»
Stein des Anstosses ist eine Motion der Alternativen Liste (AL), die am Mittwochabend im Zürcher Stadtparlament mit 58 zu 57 Stimmen eine knappe Mehrheit fand. AL, SP und Grüne wollen Werbeflächen im öffentlichen Raum massiv reduzieren und bewegte Werbung auf Bildschirmen ganz verbieten. Auch Reklame auf von der Strasse einsehbaren privaten Grundstücken und Schaufenster wären von der Regelung betroffen.
Die Begründung: Werbung bringe zahlreiche negative Folgen mit sich, sie verstärke den Konsum und damit den Ressourcenverbrauch. Dies wiederum befeuere die Zerstörung der Umwelt und die Erwärmung des Klimas.
Die Werbung im öffentlichen Raum sei besonders störend, weil man ihr nicht ausweichen könne. Dies reduziere etwa die Aufenthaltsqualität an öffentlichen Orten. «Das inhärente Ziel von Werbung ist es, uns zu manipulieren», sagt AL-Gemeinderat Michael Schmid.
FDP-Politiker Brunner ist ausser sich:
Brunner nervt sich vor allem über die Argumentation, wonach Werbung zu Überkonsum führe. «Das ist ein riesiger Hafechäs. Werbung verstärkt im Normalfall bereits vorhandene Bedürfnisse.»
Die Menschen seien sehr wohl in der Lage, sich von einem Plakat nicht ungewollt beeinflussen zu lassen. Er betont: «Würde stimmen, was die Linken sagen, hätte jeder von uns 20 Autos in der Garage. Die Linken sprechen den Menschen jegliche Vernunft ab. Das geht uns Liberalen als Kinder der Aufklärung komplett gegen den Strich.»
Befürchtet Brunner Folgen für die Wirtschaft? «Natürlich. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.» Komme die durch die Motion geforderte Verordnung zustande, «werden viele Leute ihren Job verlieren».
Der FDP-Gemeinderat kündigt bereits Widerstand an: «Wir werden die Gesetzesvorlage im Rat bekämpfen und danach das Referendum ergreifen.» Zudem hofft er auf die Gesamterneuerungswahlen im nächsten Jahr:
Unterstützung erhält Brunner von SVP-Gemeinderat Jean-Marc Jung. Dieser sagte in der gemeinderätlichen Debatte: «Werbung ist Teil des effizienten Handelns von Gütern und Dienstleistungen. Wollen Sie etwa zurück zum Tauschhandel? Zum Neandertaler? Es tönt fast so.»
Der Homo Sapiens habe den Neandertaler ablösen können, weil er Handel betrieben habe. Jung betonte in Richtung Links-Grün:
Ganz anderer Meinung als die bürgerliche Ratsseite ist SP-Gemeinderätin Anna Graff. Digitale Werbeflächen und andere Formate mit dynamischem Inhalt würden den öffentlichen Raum «besonders invasiv kommerzialisieren und zu Reizüberflutungen führen». Graff sagte:
SVP-Gemeinderat Bernhard im Oberdorf wiederum warf Links-Grün an den Kopf: «Dann geht doch, wenn ihr gegen Werbung seid, alle zusammen ins Kloster und werdet dort glücklich.»
Am Ende reichten sämtliche Einwände aus dem bürgerlichen Lager nicht, die Motion zu verhindern. Die Zürcher Stadtregierung hat nun zwei Jahre Zeit, eine neue Verordnung auszuarbeiten.
In den vergangenen Jahren hat Links-Grün bereits zwei Postulate zum Thema an den Stadtrat überwiesen, aus Sicht der Befürworter geschah jedoch zu wenig. Durch die Motion ist der Stadtrat nun verpflichtet, eine Verordnung auszuarbeiten.
Die links-grün dominierte Stadtregierung kann den Forderungen von AL, SP und Grünen wenig abgewinnen. Reklame habe in Städten eine lange Tradition und mache eine geschäftige Stadt aus. In Bezug auf die Regulierung von Werbeanlagen im öffentlichen Raum existiere in Zürich ein vergleichsweise strenges Regime.
Der Stadtrat befürchtet, dass in Zürich Arbeitsplätze verloren gehen. Darüber hinaus müsste die Stadt Zürich auf Einnahmen in Millionenhöhe verzichten.
Gewisse Formen von Werbung wären auch nach einer neuen Verordnung erlaubt, wie die AL explizit schreibt. Dazu gehören die Beschriftung von Geschäften vor Ort, Werbung für lokale Gewerbetreibende und Veranstaltungen, unkommerzielle Angebote oder zum Zweck der politischen Meinungsbildung. Ebenso Informationen der öffentlichen Hand.
Und dass nicht jeder 20 Autos zu Hause hat ist wohl eher eine Sache des Geldbeutels und nicht der Vernunft. Denn man sieht ja oft wo die Vernunft bleibt wenn der Geldbeutel stimmt.
Ausserdem ist der öffentliche Raum öffentlich und gehört allen und sollte nicht käuflich sein.