Die Corona-Pandemie schlägt je länger je mehr auch auf die Psyche der Jüngsten. Die Schulpsychologischen Dienste des Kantons Zürich verzeichnet derzeit eine starke Zunahme von Neuanmeldungen. «Weil wir mit den Beratungen kaum noch nachkommen, müssen wir priorisieren», sagt Matthias Obrist. Er ist Präsident der Stellenleitungskonferenz der Leitungen des Schulpsychologischen Dienstes in Zürich.
Weil auch die Stellen für psychiatrische Notfälle in Zürich deutlich mehr Notfälle verzeichnen, müssen sich die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen auch häufiger um akute Fälle kümmern. «Dabei werden weniger dringlichere Fälle wie eine Rechenstörung oder Legasthenie nach hinten verschoben. Aber auch das schafft auf längere Sicht Probleme», warnt Obrist.
Während die Beratungsanfragen während des ersten Lockdowns gar zurückgingen, seien sie im Herbst stark angestiegen, so der Schulpsychologe. Im ersten Lockdown waren die Schulen geschlossen. «Einerseits ist die Hürde zur Schulpsychologin zu gehen bei geschlossenen Schulen viel grösser, andererseits hatten die Lehrpersonen weniger Kontakt mit der Schülerschaft. Im Spätherbst stieg die Belastung stark.»
Die Corona-Pandemie sei ein zusätzlicher Stressfaktor, erklärt Obrist. «Kommt dann noch eine Trennung der Eltern hinzu oder das Fehlen von Freizeitaktivitäten, kann das Gleichgewicht kippen.» Auch die zusätzlichen Schutzmassnahmen und die Reaktionen der Eltern würden die Kinder und Jugendlichen manchmal in die Bredouille bringen. «Wenn sie zuhause hören, dass Masken gefährlich sind oder nichts nützen, sie diese aber in der Schule tragen müssen, dann kommen viele Kinder in einen Loyalitätskonflikt, der belastend sein kann.»
Obrist will aber nicht schwarzmalen: «Die meisten Familien und Schulen meistern die schwierige Situation gut.» Es sei jedoch wichtig, Hilfe zu holen, wenn man sie brauche. Und auch die Schulpsychologinnen und Schulpsychologen sprechen sich vehement gegen eine Schulschliessung aus. «Die Schule erfüllt wichtige soziale Bedürfnisse bei Kindern nach Austausch, Kontakt und Verbundenheit ausserhalb der Kleinfamilie. Das ist sehr wichtig für eine gesunde Sozialentwicklung», so Obrist.