Wie viel Freude haben Sie daran, wieder zurück im Nationalrat zu sein?
Aline Trede: Die erste Session fiel mir schwer. Die Abwahl wurde dadurch wieder präsenter. Alle wussten: Ich bin wieder nachgerutscht. Inzwischen bin ich aber zurück im Kampfmodus (lacht).
Gab es dumme Sprüche?
Ja, recht viele. Auch die Hassmail-Schreiber haben sich gleich vom ersten Tag an wieder bei mir gemeldet. Die meisten Nationalratskolleginnen und -kollegen freuten sich aber, dass ich zurück bin, auch politische Gegnerinnen und Gegner. Und es haben mir Leute geschrieben: «Du bringst Punk ins Parlament, es ist gut, bist du zurück.» Es half mir, zu wissen: Es gibt Leute, die wollen, dass ich im Nationalrat bin.
Sie wussten beim zweiten Mal schon, was Sie erwartet im Nationalrat. Machte es das einfacher?
Ja, aber nicht ganz so freudig. Beim ersten Mal dachte ich: «Was für eine riesige Ehre! Jetzt mache ich eine Arschbombe in dieses Haifischbecken!» Diese Freude war beim zweiten Mal nicht mehr so gross, aber eine Ehre ist es auf jeden Fall. Was auch interessant ist: Während der Aufschrei-Debatte hatte ich über Sexismus im Bundeshaus geredet. Jetzt gibt es eine Gruppe älterer Herren, die ganz anders mit mir umgehen: keine Sprüche mehr, mehr Respekt.
Sie sind jung Nationalrätin geworden, waren erfolgsverwöhnt. Dann kam nach zweieinhalb Jahren überraschend die Abwahl. Wie war das für Sie?
Ich wusste immer, dass der dritte grüne Sitz ein Wackelsitz ist, dass ich verlieren kann. Aber das musste ich verdrängen, sonst hätte ich gar keinen freudigen, positiven Wahlkampf machen können. Ich hab nur an die Wiederwahl gedacht, hatte keinen Plan B.
Wenn Sie an den Tag der Abwahl zurückdenken: Woran erinnern Sie sich?
Ich hatte den ganzen Tag über viel zu tun, hatte einen TV-Auftritt nach dem anderen. Irgendwann am Abend haben wir gerechnet und gesehen: Wenn der dritte Sitz der Grünen weg ist, trifft es mich. Kurz bevor die Resultate öffentlich wurden, bekam ich eine SMS: «Liebe Frau Trede, es hat leider nicht gereicht.»
Kurz und knapp!
Realisiert habe ich das Ganze erst später. Ich ging nach Hause, bedankte mich auf Social Media bei allen. Ich konnte an diesem Abend keinen Alkohol trinken, weil ich schwanger war. Sonst hätte ich mir wahrscheinlich einfach den Gong gegeben.
Wie waren die Reaktionen am nächsten Tag?
Alle wollten etwas, Journalisten, Parteikollegen, politische Gegner. Ich fühlte mich schlecht, wäre am liebsten zuhause geblieben und hätte nichts gesagt. Aber ich wollte meine Niederlage selber kommentieren. Daher riss ich mich zusammen und stellte mich eine halbe Stunde lang den Medienfragen. Immerhin konnte ich mich so einmal wie ein Star fühlen, weil viele Journalisten kamen (lacht).
Wie schlimm war es für Sie, dass das Scheitern öffentlich geschah?
Die Abwahl ist quasi eine Kündigung mit einem Monat Kündigungsfrist. Dass es öffentlich ist, macht es noch fieser. Es gab Leute, die mir ins Gesicht sagten: «Ha, endlich bist du weg!» Es war anstrengend, immer wieder darauf angesprochen zu werden. Ich wurde auch von Podien ausgeladen: Offenbar interessierte dort nicht meine Einschätzung, sondern nur meine Funktion als Nationalrätin.
Haben Sie die Abwahl als Misstrauensvotum gegen Sie erlebt?
Nein, aber ich war natürlich enttäuscht: Ich habe ein klares Profil, habe niemandem etwas vorgespielt, habe kein Wahlversprechen gebrochen, bin unabhängig von Interessensgruppen. Das wurde offenbar nicht goutiert.
Sie sind während Ihrer Zeit im Nationalrat Mutter geworden und haben Ihren Job aufgegeben. Sie haben also mit der Abwahl auch Ihr Einkommen verloren. Wie haben Sie sich wieder aufgerappelt?
Die Jobsuche war schwierig, gerade wegen meiner Bekanntheit als linke Politikerin. Zum Teil hiess es: Ihr Dossier ist super, aber wir können es uns nicht leisten, Ihr Gesicht auf unserer Website zu haben. Da war ich ziemlich verzweifelt; ich konnte meine Zeit im Nationalrat ja nicht ungeschehen machen.
Wie sind Sie mit diesen Niederlagen – der Abwahl, den Absagen – umgegangen?
Ich hatte immer das Gefühl: Es kommt schon gut. Auch wenn ich manchmal traurig war. Gleichzeitig wusste ich: Es ist nicht das Ende der Welt, anderen geht es viel schlechter. Schliesslich habe ich eine Weiterbildung absolviert und mich mit meiner Kampagnenfirma selbstständig gemacht – im Nachhinein die beste Entscheidung. Beim Aufbau der Firma halfen mir dann mein Name und mein grosses Netzwerk.
Was haben Sie gelernt aus dieser Zeit?
Ich bin gelassener geworden. Ich habe erlebt, dass Politik nicht fair ist, dass man sehr aktiv sein kann und es trotzdem nicht reicht. Es gibt Parlamentarierinnen und Parlamentarier, die engagieren sich viel weniger und werden trotzdem wiedergewählt. Ich finde es aber auch nicht schlecht, wenn man mal «uf d’Schnurre» fliegt. Ich konnte es ins Positive drehen: Jetzt habe ich zwei Kinder, ein Nationalratsmandat und eine eigene Firma – und ich schaffe das alles. Auch wenn nicht immer gleich gut.
Wie blicken Sie auf die Wahlen im Herbst?
Ich würde natürlich gern wiedergewählt werden. Aber ich bin entspannt, mache mir keinen Stress. Ich versuche vor allem, viel für das Grüne Team zu machen.
Was würden Sie einem frisch gewählten jungen Nationalrat, einer jungen Nationalrätin raten?
Ein zweites Standbein zu haben. Ich wusste immer, dass es nicht gut ist, keines zu haben. Es ist aber schwierig, gerade als junge Person in einer kleinen Partei und mit Kindern. Hier muss sich noch viel ändern an unserem politischen System und unserem gesellschaftlichen Denken und Handeln.
In diesem Zusammenhang finde ich spannend, dass man immer wieder liest, dass Politprofis dann Mühe bei der Stellensuche bekunden, wenn es wieder zurück in den normalen Arbeitsmarkt geht. Wie kommt es, dass man trotz seines grossen Netztwerks, seinen Qualitäten (die man den Wählern ja verkauft hat) und seiner erhöhten Leistungsbereitschaft keine Arbeitsstelle findet?
Im Gegenzug wollen sie dann aber mit ihrem eigenen Business immer gleich erfolgreich sein, aufgrund ihres Netzwerks und ihrer immensen Erfahrung.
Wo ist der Haken?