Bis zum 20. August bleibt Freisinnigen mit Führungsanspruch noch Zeit, um sich auf einen der wichtigsten Jobs der Schweizer Politik zu bewerben: Dann endet die Bewerbungsfrist für das Präsidium der FDP Schweiz.
Gross war die Aufregung, als Thierry Burkart Anfang Juni seine Demission einreichte. Denn fast gleichzeitig eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum EU-Deal. Das umstrittene Gesetzespaket soll die Handelsbeziehung zu Europa regeln. Wer soll die FDP durch diese schwierige Debatte führen?
Interessierte hatten die ganze Sommerpause Zeit, sich Gedanken zu machen – und den Kreis der Unterstützer zu sondieren. Eine offizielle Kandidatur gibt es nicht. Noch immer geistern die gleichen Namen der Favoriten umher wie im Juli: Die Ständeräte Damian Müller und Benjamin Mühlemann sowie die Nationalräte Susanne Vincenz-Stauffacher und Damien Cottier zählen zu den meistgenannten Favoriten für die Nachfolge von Thierry Burkart.
Nur einer hat sich aus dem Rennen genommen: Andri Silberschmidt. «Das Präsidium ist eines der spannendsten Ämter, das man in der Schweiz ausüben kann. Aber für meine Lebenssituation ist es heute einfach zu früh», sagte er am Dienstag im Interview mit dem Tages-Anzeiger. Er führte seine Rolle als junger Vater an und auch habe er erst gerade eine Firma aufgebaut. Gleichzeitig liebäugelt er mit einem Sitz im Zürcher Regierungsrat. 2027 stehen im Kanton Wahlen an und es ist gut möglich, dass Wirtschaftsdirektorin Carmen Walker-Späh nicht mehr antritt.
Fraktionspräsident Cottier hingegen warf jüngst in einem Interview gegenüber «24 Heures» eine neue Idee auf: ein Co-Präsidium an der Spitze der FDP. Konkret darauf angesprochen, sagte Cottier: «Warum nicht? Nichts ist auszuschliessen, es würde eine schwere Last verteilen.» Angesprochen auf seine eigenen Ambitionen, liess sich Cottier kaum in die Karten blicken. Er wolle sich weiter für die FDP engagieren, «ob als Fraktions- oder Parteipräsident ist ziemlich egal».
Aus Gründen der Repräsentanz böte ein Co-Präsidium Vorteile, beispielsweise wenn Romand Cottier gemeinsame Sache mit der St.Galler Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher machen würde. Auf eine entsprechende Anfrage reagierte Vincenz-Stauffacher nicht. Gegenüber dem «Blick» zeigte sich der Glarner Ständerat Mühlemann offen für ein Co-Präsidium. Auch ein starkes Leitungsteam mit Vizepräsidien könne er sich vorstellen. Doch entschieden hat er noch nicht.
Bereits 2019 diskutierte die FDP auf Vorschlag von Nationalrat Marcel Dobler eine Doppelspitze – mit der Kandidatur von Thierry Burkart lösten sich solche Überlegungen rasch in Luft auf. Kritiker dieser Führungsform finden sich in der FDP-Fraktion schnell: Im Unterschied zum SP-Duo Cédric Wermuth und Mattea Meyer zweifle er daran, dass es im Freisinn zwei Personen gebe, die stets deckungsgleicher Meinungen seien, sagt etwa der Berner Nationalrat Christian Wasserfallen.
«Der einfachere Weg ist, wenn jemand alleine die Fahne trägt», sagt auch Beat Walti. Er präsidiert die Findungskommission für Burkarts Nachfolge. Diese schlösse eine Doppelbewerbung keineswegs aus. Offizielle Bewerbungen sind bei ihm noch nicht eingegangen, «aber es laufen viele Gespräche», beteuert Walti.
Fast scheint es, als würde die Wahl mit der ersten offiziellen Bewerbung entschieden, so geschehen auch bei der Mitte-Partei. «Eine kompetitive Situation ist nicht zu erwarten», sagt dazu Walti. Das sei vor allem dem Umstand geschuldet, dass in der Partei derzeit kein Richtungsstreit tobe.
Zwar werden die FDP-Delegierten ihr neues Präsidium am selben Tag wählen, an dem sie auch über die Stossrichtung in der EU-Debatte befinden. Doch nicht einmal das explosive Europa-Dossier verleiht der Präsidenten-Frage zusätzliche Brisanz.
«Ich gehe inzwischen davon aus, dass die FDP-Delegiertenversammlung Ja sagen wird zum EU-Paket», sagt Christian Wasserfallen. Er gilt als einer der ausgeprägtesten Kritiker der EU-Verträge in den Reihen der Freisinnigen. Wer sich umhört in der Fraktion, erhält von vielen die gleiche Antwort. Dass mit Cottier, Müller und Vincenz-Stauffacher sämtliche Favoriten eher ins Lager der EU-Befürworter gezählt werden, passt ins Bild, welches diese Partei derzeit abgibt: Gar nicht so aufgeregt, wie einst gedacht. (aargauerzeitung.ch)
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Bereits 2019 diskutierte die FDP auf Vorschlag von Nationalrat Marcel Dobler eine Doppelspitze
ch media will mich veräppeln, danke