Die Suche der Mitte-Partei nach einem Nachfolger für die abtretende Bundesrätin Viola Amherd gestaltet sich schwieriger als erwartet. Nach Gerhard Pfister sagte am Montag mit Martin Candinas ein zweiter Kandidat ab, der als Topfavorit auf den Job gehandelt worden war.
«So einzigartig und reizvoll das Amt des Bundesrates auch ist, entfacht es aktuell kein inneres Feuer in mir», begründet der Bündner Nationalrat seinen Entscheid. Eine Kandidatur erfordere hingegen volle Überzeugung und Hingabe, weshalb er verzichten werde.
«Mit Verantwortung, Energie und viel Herz widme ich mich weiterhin meinen vielfältigen Aufgaben – mit klarem Fokus auf meine Familie und die Menschen, die mich in den Nationalrat oder in die verschiedenen Mandate gewählt haben und denen ich verpflichtet bleiben will», schreibt Candinas weiter. Das Amt als Nationalrat biete ihm genügend Flexibilität, um Zeit für Familie und Freunde zu haben. «Diesen Freiraum schätze ich sehr, denn er gibt mir Kraft und Motivation für meinen spannenden, abwechslungsreichen und intensiven Alltag.»
Martin Candinas waren in den vergangenen Tagen hervorragende Karten auf den Job eingeräumt worden. Der 46-Jährige verfügt über viel Erfahrung in der Schweizer Politik: 1999 begann er seine politische Karriere als Vorstandsmitglied der Jungen CVP Graubünden, seit 2011 sitzt er im Nationalrat. Diesen präsidierte Candinas in den Jahren 2022 und 2023.
Kurz nach der Absage des Bündners lehnte auch Heidi Z'graggen eine Kandidatur als Bundesrätin ab. «Mein Einsatz und meine volle Kraft gelten den Anliegen des Kantons Uri, der Berggebiete und der gesamten Schweiz», schreibt sie in einer Mitteilung. Die Urnerin war 2018 als Kandidatin für die Nachfolge von Doris Leuthard angetreten, musste damals aber Viola Amherd den Vortritt lassen.
Die 58-jährige ehemalige Urner Regierungsrätin ist seit 2019 Mitglied der kleinen Kammer und arbeitet in der Staatspolitischen Kommission und in der Rechtskommission mit. In beiden Gremien stünden wegweisende Entscheidungen an, schrieb Z'graggen. Sie nannte dabei die Beziehungen der Schweiz zur EU sowie die Zuwanderung. Sie wolle sich ausserdem mit der Schweizer Energie- und Verkehrspolitik befassen. «Diese Themen verlangen höchste Aufmerksamkeit.»
Nach der Absage Candinas' gestaltet sich das Rennen um die Amherd-Nachfolge nun völlig offen. Offizielle Kandidaturen gibt es bislang keine. Einzig Nationalrat Philipp Kutter (ZH) und Ständerätin Andrea Gmür-Schönenberger (LU) haben zumindest erklärt, sich eine Kandidatur zu überlegen. Am Montag dürfte die Spitze der Mitte-Partei das Verfahren für die Vergabe ihres Bundesratssitzes festlegen. Die Partei informiert ab 14.30 Uhr. (dab)