Die Mitte-Partei von Gerhard Pfister hat ein Herz für Verheiratete. Mit der Initiative «Ja zu fairen AHV-Renten auch für Ehepaare» will sie erreichen, dass verheiratete Paare zwei volle AHV-Renten erhalten statt wie heute höchstens nur eineinhalb. Man spricht vom Rentenplafond von 150 Prozent. Begründet wird dieser mit anderen Vorteilen für Ehepaare, etwa der Witwer- und Witwenrente. Und dem Umstand, dass einem Paar, das gemeinsam in einem Haushalt wohnt, geringere Kosten im Alltag entstehen als Alleinstehenden.
Die Mitte-Partei argumentiert, heute würden viele unverheiratete Paare in einem gemeinsamen Haushalt leben und erhielten trotzdem zwei volle Renten. Diese Ungleichbehandlung zum Nachteil der Verheirateten solle beseitigt werden. Beim Bundesrat drang sie damit nicht durch: Schon zwei Mal hat dieser die Mitte-Initiative ohne Gegenvorschlag zur Ablehnung empfohlen. Nicht zuletzt wegen der Kosten von rund 3,8 Milliarden Franken.
Doch nun ist das Parlament am Zug, und da kommt Bewegung ins Dossier. Am Freitag hat SVP-Präsident Marcel Dettling im «Blick» einen AHV-Deal skizziert, mit dem er der Mitte bei der Ehepaarrente entgegenkommen will. Und schon zwei Tage vorher wurde bekannt, dass auch der Präsident des Gewerkschaftsbunds, SP-Ständerat Pierre-Yves Maillard, Pläne wälzt, wie die Forderungen der Mitte-Initiative umgesetzt werden könnten.
Auf Anfrage nimmt Mitte-Präsident Gerhard Pfister erstmals Stellung zu den Avancen von rechts und links. «Die Vorschläge zeigen, dass sowohl Pierre-Yves Maillard als auch Marcel Dettling davon ausgehen, dass unsere Initiative in einer Volksabstimmung gute Chancen hat», stellt er fest. Beide Vorschläge «würden faktisch auf einen Gegenvorschlag zu unserer Initiative für faire Ehepaar-Renten hinauslaufen».
Allerdings bleibt noch erheblicher Diskussionsbedarf. Denn Maillards Ideen und Dettlings Vorschlag sind alles andere als deckungsgleich. So sagte der SVP-Präsident im Blick: «Wir bieten Hand zur Anpassung der Witwenrenten, wenn im Gegenzug der Ehepaar-Plafond in der AHV auf mindestens 175 Prozent steigt.»
Er nahm damit Bezug auf einen anderen Entscheid des Bundesrats. Die Regierung will die lebenslangen Hinterlassenenrenten für Witwen abschaffen. Stattdessen sollen Witwen und Witwer künftig bis zum 25. Altersjahr des jüngsten Kindes eine Rente erhalten. Heute bekommen Witwen lebenslang eine Rente, auch wenn sie keine unterhaltsberechtigten Kinder haben. Witwer hingegen erhalten sie nur bis zur Volljährigkeit des jüngsten Kindes. Der Bundesrat reagiert mit dem Vorschlag auf ein Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, der die Schweiz verpflichtet, diese Ungleichbehandlung zu beenden.
Der Bundesrat nutzte das Urteil des Gerichts in Strassburg für eine Sparvorlage – bis 2030 könnte die AHV damit um bis zu 350 Millionen entlastet werden. Die Linken laufen Sturm gegen den Vorschlag, die Bürgerlichen begrüssen ihn mehrheitlich.
Doch offensichtlich ist die SVP-Spitze um Marcel Dettling zur Ansicht gelangt, dass eine reine Abbauvorlage in einem Referendum einen schweren Stand haben dürfte. Zumal die SVP-Basis bei AHV-Vorlagen stets mehrheitlich wie die linken Parteien stimmt. Mit dem Zückerchen, den Rentenplafond für Ehepaare von 150 Prozent auf 175 Prozent zu erhöhen, könnte Dettling seine Basis beruhigen – und zugleich Pfisters Mitte-Initiative Wind aus den Segeln nehmen.
«Man hat den Eindruck, die SVP beginnt, auf ihre Basis zu hören», kommentiert Gewerkschaftsboss Maillard Dettlings Vorschlag. Und er stellt fest: «Immerhin haben wir jetzt Chancen, eine Kehrtwende bei den Renten endlich zu konkretisieren.»
Inhaltlich lehnt Maillard den Vorschlag Dettlings jedoch ab: «Aus offensichtlichen Gründen kann die Erhöhung der Ehepaarrente keine Kompensation für die betroffenen Witwen sein.» Die Finanzierung des Ausbaus der Ehepaarrenten möchte er mit der künftigen Finanzierung der AHV verknüpfen, auch mit der vom Volk beschlossenen 13. AHV-Rente.
Gesamthaft dürfte es um über 8 Milliarden Franken pro Jahr gehen. Und diese Summe möchten die Linken nicht allein über zusätzliche Mehrwertsteuer-Prozente finanzieren, sondern auch mit Lohnprozenten. Maillard hat ein Auge auf die Lohnabzüge für die Arbeitslosenversicherung (ALV) geworfen, deren Kassen voll sind. So voll, dass die Lohnabgaben voraussichtlich 2028 gekürzt werden können beziehungsweise «müssen», wie der Gewerkschafter sagt: «Bei der ALV gibt es eine Vermögensbremse, sie darf nicht unbegrenzt Geld anhäufen.» Die Lohnbeiträge würden global eher stabil bleiben, deswegen gebe es «Platz für einen guten Kompromiss».
Mit anderen Worten: Statt die Reduktion der ALV-Beiträge an die Arbeitnehmenden weiterzugeben, würden die AHV-Lohnprozente erhöht. Im Portemonnaie der Arbeitnehmenden würde sich nichts ändern, weder zum Guten noch zum Schlechten. Laut einem Bericht der NZZ hat Maillard in der zuständigen Kommission des Ständerats letzte Woche bereits durchgebracht, dass die Bundesverwaltung zusätzliche Abklärungen zur Finanzlage der AHV treffen muss. Inklusive Erhöhung der Ehepaarrente.
Doch welche der Offerten gefällt Gerhard Pfister nun besser, jene von links oder jene von rechts? «Beide wollen den Plafond für Ehepaare erhöhen», konstatiert der Mitte-Präsident. Er hält aber am vollen Ausgleich auf 200 Prozent fest und erklärt: «Dass wir die Initiative zurückziehen, schliesse ich aus. Warum zurückziehen, wenn ihr sogar die Konkurrenz Mehrheitsfähigkeit zugesteht?»
In zwei Sätzen skizziert er das weitere Vorgehen: «Wir müssen in den Vorberatungen des Parlaments zwar auf die Vorlage zu den Witwenrenten eintreten, das ist ein Auftrag des Gerichtshofs für Menschenrechte, insofern haben wir Handlungsbedarf», sagt er. «Doch danach sollten wir sie an den Bundesrat zurückweisen, bis das Volk über unsere Initiative entschieden hat.» So schnell gibt Pfister seinen Trumpf nicht aus der Hand.