Bundesrat lehnt Kompass-Initiative ohne Gegenvorschlag ab
Der Bundesrat will die neuen Verträge zwischen der Schweiz und der EU nicht dem obligatorischen Referendum unterstellen. Er ist gegen die sogenannte Kompass-Initiative, die für das Vertragswerk nebst dem Volks- auch das Ständemehr verlangt.
Auch einen Gegenvorschlag lehnt der Bundesrat ab, wie er am Mittwoch mitteilte. Die Landesregierung schlägt damit vor, die neuen Verträge mit der EU lediglich dem fakultativen, nicht aber dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Damit wäre für eine Ratifizierung das Volksmehr, nicht aber das Ständemehr vonnöten. Unabhängig von der Initiative wird über jene Frage noch das Parlament zu entscheiden haben.
Die Volksinitiative «Für eine direktdemokratische und wettbewerbsfähige Schweiz – keine EU-Passivmitgliedschaft (Kompass-Initiative)» fordert, dass sämtliche Staatsverträge, welche die Übernahme von wichtigen Recht setzenden Bestimmungen vorsehen, von Volk und Ständen gutgeheissen werden müssen.
Stimmvolk sagte bereits einmal Nein
Sowohl die Stimmenden als auch das Parlament hätten das Kernanliegen der Volksinitiative in der Vergangenheit mehrfach abgelehnt, schrieb die Landesregierung am Mittwoch zu Begründung ihres Neins. Sie bekräftigte damit frühere Aussagen von Aussenminister Ignazio Cassis. Dieser hatte bereits im April an einer Medienkonferenz an das Nein zur Volksinitiative «Staatsverträge vors Volk» im Jahr 2012 erinnert.
Der Bundesrat macht für seine Haltung rechtliche Gründe geltend. Die Bundesverfassung sehe in derartigen Fällen kein obligatorisches Referendum vor, argumentiert er.
Eine Ausnahme sei nur angezeigt, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag einen schwerwiegenden Eingriff in die innere Struktur der Schweiz mit sich bringe oder eine grundlegende Neuorientierung der schweizerischen Aussenpolitik bewirke, schrieb er am Mittwoch. Dies sei bei den Verträgen mit der EU nicht der Fall.
Prominente im Initiativkomitee
Die Landesregierung warnte ausserdem vor den längerfristigen Folgen, würde die Initiative angenommen. Die Konsequenzen wären ihrer Ansicht nach weitreichend und beträfen längst nicht nur die Europapolitik. Die Frage der grundsätzlichen Erweiterung des obligatorischen Staatsvertragsreferendums dürfe nicht an einen Einzelfall gekoppelt werden, so der Bundesrat.
Getragen wird die im Herbst 2024 lancierte Kompass-Initiative von einer Gruppe von Unternehmern um die Gründer des Asset-Management-Unternehmens Partners Group mit Sitz in Baar ZG. Ende August reichten die Initianten rund 140'000 Unterschriften bei der Bundeskanzlei ein. Davon waren nach ihren Angaben mehr als 115'000 beglaubigt.
Teil des Initiativkomitees sind weiter auch Parlamentsmitglieder aus den Reihen von SVP und FDP, «Nebelspalter»-Chefredaktor Markus Somm sowie der frühere Skirennfahrer Bernhard Russi und Ex-SRF-Moderator Kurt Aeschbacher.
Gegenseite sieht taktische Motive
Die Urheber der Kompass-Initiative argumentieren, die neuen Verträge brächten tiefe Einschnitte in die direkte Demokratie und die Souveränität der Schweiz. Die dynamische Übernahme von EU-Recht und die Rolle des Europäischen Gerichtshofes kämen einer «EU-Passivmitgliedschaft» gleich. Zudem verwässere die dynamische Rechtsübernahme die Standortvorteile und die globale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
Befürworterinnen und Befürworter der neuen Verträge mit der EU unterstellen den Initianten dagegen taktische Motive. Es gehe darum, die Hürden für eine Vertragsanpassung zu erhöhen, so der Vorwurf. Die Behauptung, ein Ständemehr sei nötig, sei eine Erfindung der Gegner, schrieb beispielsweise der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer Ende April auf der Plattform X. (sda)
