Am 28. November stimmt die Schweizer Stimmbevölkerung über drei eidgenössische Vorlagen ab. Eine davon ist die Justiz-Initiative. Fünf Dinge, die du darüber wissen musst.
Wer mit dem Bundesgericht zu tun bekommt, der schlägt sich schon länger mit Gerichten rum und hofft auf einen endgültigen Entscheid. Denn das Gericht mit Sitz in Lausanne beurteilt als letzte Instanz Rechtsfälle aus nahezu allen Rechtsgebieten.
Urteile fällen in Lausanne vierzehn Bundesrichterinnen und vierundzwanzig Bundesrichter. Hinzu kommen 19 nebenamtliche Richterinnen und Richter. Gewählt oder im Amt bestätigt werden die insgesamt 57 Juristen vom Parlament alle sechs Jahre. Die Justiz-Initiative will dieses Wahlprozedere ändern. In Zukunft soll per Losverfahren entschieden werden, wer im Gerichtsgebäude in Lausanne arbeiten darf. Bevor das Los gezogen wird, soll eine unabhängige Fachkommission entscheiden, wer überhaupt für den Job geeignet ist.
Weil die Bundesrichter vom Parlament gewählt werden, haben parteilose Richterinnen und Richter keine Chance. Anwärterinnen auf eine Position am Bundesgericht müssen de facto Mitglied einer Partei sein. Genau das kritisieren die Befürworter der Justiz-Initiative.
Fällt eine Bundesrichterin ein Urteil, das bei der eigenen Partei umstritten ist, müsse sie um eine Wiederwahl bangen, so der Vorwurf. So geschehen bei SVP-Bundesrichter Yves Donzallaz, den die eigene Partei nicht zur Wiederwahl empfahl.
Aufgrund dieses Wahlverfahrens sei es den Bundesrichtern nicht möglich, politisch unabhängig zu urteilen. Nur ein zufälliges Wahlverfahren können eine von der Politik unabhängige Justiz garantieren, so die Initianten. Das Losverfahren soll den Richterinnen und Richter also mehr Unabhängigkeit bringen.
Architekt der Initiative ist der 77-jährige Unternehmer und Millionär Adrian Gasser. Schon lange wurmte Gasser, dass sich Richterinnen und Richter vom Parlament wählen lassen müssen. Doch erst jetzt erlaubten es ihm die Lebensumstände, eine Initiative zusammen mit weiteren zehn Personen zu lancieren. «So etwas muss seriös angegangen werden. Das braucht Zeit und Geld», sagte Gasser 2018 gegenüber der «Luzerner Zeitung».
Um die nötigen Unterschriften im Vorfeld zu sammeln, wendete Gasser laut eigenen Angaben etwa eine Million Franken auf. Und auch im Vorfeld der Abstimmung am 28. November kämpft er an vorderster Front für sein Anliegen.
Im Parlament hatte die Initiative einen schweren Stand: Der Nationalrat empfahl die Initiative mit 191 zu 1 Stimme zur Ablehnung, im Ständerat waren es 44 Nein-Stimmen. Auch im Abstimmungskampf haben alle grossen Parteien die Nein-Parole ergriffen.
Der Bundesrat und das Parlament finden folglich unisono, dass sich das bisherige Wahlsystem bewährt habe. Auch, weil das Parlament freiwillig darauf achtete, dass sich das Bundesgericht aus Richterinnen und Richter verschiedener Parteien, Sprachregionen und Geschlechter zusammensetzt. Würde ein Losverfahren eingeführt, würde Glück entscheiden und nicht die Fähigkeit einer Person und der Parteienproporz wäre bedroht.
Das ist der offizielle Teil der Begründung. Inoffiziell geht es auch um ziemlich viel Geld. Sozusagen als Dank für ihre Wahl zahlen die gewählten Richterinnen und Richter ihrer jeweiligen Partei eine Abgabe.
Die Höhe dieser sogenannten Mandatssteuer variiert von Partei zu Partei. Bei den Grünen beträgt sie 15'000 Franken, bei der SP 13'000 Franken und bei der Mitte 6000 Franken. FDP und SVP geben die Höhe der Abgabe nicht an. Für die Juristinnen sind diese Beträge nicht allzu hoch – sie verdienen jährlich 363'000 Franken. Für die Parteien sind es wichtige Einnahmequellen. So machen die Mandatssteuern bei der SP etwa fünf Prozent des Parteibudgets aus.
Weil sich alle Parteien bereits gegen die Initiative ausgesprochen haben, wird das Anliegen auch bei Volk und Ständen einen schweren Stand haben.
Kommt hinzu, dass die Initiative gemeinsam mit der Pflege-Initiative und dem Covid-Referendum an die Urne kommt. Letztere beiden Vorlagen geniessen bislang weitaus mehr Aufmerksamkeit. Für viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sei die Initiative zu abstrakt und habe für ihren Alltag kaum eine Bedeutung, sagte Politologe Fabio Wasserfallen gegenüber dem «Tages-Anzeiger».
In den Umfragen zeigt sich ebenfalls eine Niederlage ab. Zwar lag die Zustimmung in der ersten Welle der Tamedia-Umfragen noch bei knapp 50 Prozent, diese ist jedoch mittlerweile in der dritten Welle auf nur noch 37 Prozent gefallen.
Die kommende Woche wird zeigen, wie sich der Abstimmungskampf entwickelt – und ob Adrian Gasser, der Kopf hinter der Initiative, noch weitere Millionen für sein Anliegen aufwenden wird.
Und dafür dass man als Richterin oder Richter einer Partei angehören muss, gibt es genau keinen triftigen Grund – im Gegenteil. U.a. wird dies auch von der europäischen Antikorruptionsbehörde kritisiert.
Unsere Gesellschaft kurz umschrieben. Es geht um die höchsten Richter, über wessen Gesetze entscheiden die wohl?! 🤦🤦♂️