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Welche Grossverteiler am stärksten wachsen – und welche kämpfen

Coop schlägt alle: Welche Grossverteiler am stärksten wachsen – und welche kämpfen

In den letzten zehn Jahren wurden Hunderte Supermärkte in der Schweiz eröffnet. Besonders Coop legte zu und könnte bald auf über 1000 Filialen anwachsen, während die Migros hinterherhinkt und Spar schrumpfte. Das zeigt eine exklusive Auswertung.
20.01.2024, 08:3820.01.2024, 09:16
Stefan Ehrbar / ch media
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Knapp 1000 Menschen leben im Verzascatal im Kanton Tessin. An schönen Tagen kommt ein Vielfaches an Touristinnen und Touristen dazu, die über die Römerbrücke in Lavertezzo schlendern. Bald tun sie das auch mit einem Dreieckssandwich und einer Cola aus dem Supermarkt in der Hand: Coop eröffnet in voraussichtlich einem Jahr eine neue Filiale im Tal.

Es ist einer von über 20 neuen Supermärkten, die der Detailhändler plant. Eine Auswertung der Zahlen der letzten zehn Jahre zeigt: Kein anderer Grossverteiler hat hierzulande so viele Filialen eröffnet. Ende des nächsten Jahres oder Anfang 2026 soll die Marke von 1000 Supermärkten laut Coop geknackt werden.

Der Eingang der neuen Coop to go Filiale fotografiert anlaesslich der Medienkonferenz zur Lancierung eines neuen Ladenkonzeptes fuer die schnelle Verpflegung am Stadelhofen Zuerich, am Dienstag, 18. A ...
Kein Detailhändler eröffnete in den letzten zehn Jahren so viele neue Filialen wie Coop.Bild: KEYSTONE

Ebenfalls aufs Gas getreten sind die Verantwortlichen der Mi­gros-Discounttochter Denner: Sie steigerten die Zahl ihrer Supermärkte um 129 auf 601. Nicht einberechnet sind die von externen Partnern betriebenen Filialen, die «Satelliten». Deren Zahl ist zwischen 2013 und 2023 von 312 auf 270 zurückgegangen.

Damit hat Denner beinahe aufgeschlossen zur Migros. Diese legte mit klassischen Supermärkten der Formate M, MM und MMM nur um 74 auf 635 per Ende 2022 zu. Die Zahlen für 2023 liegen noch nicht vor. Damit eröffnete die Nummer 1 im Schweizer Detailhandel in den letzten zehn Jahren etwa gleich viele Filialen wie Lidl und Aldi.

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Die Zahlen relativieren sich etwas, wenn berücksichtigt wird, dass die Migros-Genossenschaft Zürich (GMZ) bis heute zusätzlich 23 auf Bioprodukte spezialisierte Alnatura-Supermärkte eröffnete. Dass Coop bei den Filialen mehr Tempo vorgibt, bleibt aber ein Fakt.

In der Branche gilt Coop auch dank der zentralisierten Organisation als schneller. Der Fokus auf grössere und umsatzstarke Filialen ist aber auch Teil der Migros-Strategie, während Coop stärker mit kleinen und mittelgrossen Quartierläden expandierte, die etwa im Bereich zwischen 400 und 1000 Quadratmetern Fläche angesiedelt sind. GMZ-Geschäftsführer Jörg Blunschi bezeichnete dies unlängst in der «Handelszeitung» als eines der Probleme der Migros: «Wir expandieren zu wenig schnell mit den Supermärkten und kleineren Verkaufsformaten.»

Während der Coronakrise schnitten die Supermärkte von Coop deshalb besser ab. Sie sind oft näher an den Wohnorten der Kundschaft, die vermehrt zu Hause blieb. Ob die Basler davon dauerhaft profitieren, bleibt aber abzuwarten. Im letzten Jahr legten die Migros-Supermärkte beim Umsatz wieder stärker zu als jene von Coop. Dieses Jahr will die Migros 15 neue Filialen der Formate Migros, Voi, Alnatura und Läden von Partnerbetrieben eröffnen – und dürfte damit etwa gleichauf liegen mit der Nummer 2.

Nicht als Konkurrenz etablieren konnte sich der Händler Spar, der seit 1989 in der Schweiz aktiv ist und seit 2016 der südafrikanischen Spar Group gehört. Er legte zwar netto um 84 Läden zu – aber nur dank der «Spar Express»-Läden, die etwa an Tankstellen gebaut wurden. Das Ladennetz mit klassischen Supermärkten der Formate Spar und Eurospar schrumpfte in den letzten zehn Jahren sogar. Der Umsatz in der Schweiz sank zwischen 2013 und 2023 um fast einen Viertel, während Coop um 28.5 Prozent zulegte und die Migros um 19.5 Prozent.

Auch in den letzten beiden Geschäftsjahren verzeichnete Spar Schweiz rückläufige Umsätze. Im Herbst berichteten mehrere Medien, dass der Vorsitzende der Spar-Gruppe, Mike Bosman, deshalb einen Rückzug in Aussicht gestellt habe. Spar habe in der Schweiz einen Anteil von nur 3 Prozent am Lebensmittelgeschäft, so Bosman. Spar arbeite zwar knapp profitabel, aber mit zu tiefer Rendite. Das ergebe keinen Sinn, zitierte ihn das Portal Marketscreener.

Beobachter machen für die Flaute bei Spar auch die oft suboptimale Lage der Supermärkte verantwortlich. Gegenüber «Schweiz am Wochenende» dementiert Spar allerdings die Rückzugspläne. In einem Statement von Mike Bosman heisst es – im Widerspruch zu seinen kolportierten Aussagen vom Herbst: «Diese Spekulationen sind, was sie sind: reine Spekulation. Es gibt keine Pläne vonseiten der Spar Group, sich aus der Schweiz zu verabschieden.»

Wie eine Schweiz-Expansion erfolgreich gestaltet werden kann, zeigen die deutschen Discounter Aldi und Lidl, die 2005 und 2009 ihre ersten Läden eröffneten. Zusammen kommen sie bereits auf über 400 Filialen – und legten zuletzt beim Expansionstempo zu. Aldi will dieses Jahr zehn neue Filialen eröffnen. Lidl plant mit acht bis zehn neuen Supermärkten.

Aldi und Lidl eröffneten in den Anfangsjahren vor allem gut mit dem Auto erreichbare Filialen in den Agglomerationen mit einer Fläche von etwa 1000 Quadratmetern. Mittlerweile stossen sie vermehrt auch an Hochfrequenzlagen in den Städten vor. Aldi etwa betreibt in der Stadt Zürich bereits 13 Filialen, darunter solche an prominenten Lagen unweit der Bahnhofstrasse oder beim Bahnhof Stadelhofen. Zum Vergleich: Coop kommt in Zürich auf 60 Supermärkte, die Migros auf 40. In Bern eröffnete Aldi gleich zwei Läden in der Altstadt und auch in Luzern, Genf oder St. Gallen ist der Discounter im Zentrum vertreten.

«Es gibt nicht mehr viele weisse Flecken auf der Landkarte», sagt ein Aldi-Sprecher. «Wir wollen vor allem in den Städten weiterwachsen. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf Zürich und Genf.» Mittelfristig will Aldi 300 Filialen betreiben.

Dieselbe Stossrichtung verfolgt Lidl. «Es entspricht unserer aktuellen Strategie, vermehrt in Innenstädte, Ballungszentren, Stadtkerne und Bahnhofslagen zu gelangen», sagt Sprecherin Vanessa Meireles. Das Hauptaugenmerk liege auf den Grossstädten – also Zürich, Genf, Basel, Lausanne, Bern und Winterthur. Die Expansion sei «anspruchsvoll», sagt Meireles, speziell in den Städten. Die wenigen freien Flächen seien umkämpft.

Zumindest einem Händler kommen Aldi und Lidl damit nicht in die Quere: dem Dorfladenbetreiber Volg, einer Tochter der Agrargenossenschaft Fenaco. Acht Filialen will Volg dieses Jahr eröffnen, und zwar im ländlichen Gebiet, wie Sprecherin Tamara Scheibli sagt. Städte seien kein Thema. Besonders in der Westschweiz wolle Volg wachsen. Die Beliebtheit der Dorfläden sei auch nach der Coronakrise ungebrochen, sagt sie: «Die neu gewonnen Kundinnen und Kunden kaufen weiterhin regelmässig im Dorfladen ein.» (aargauerzeitung.ch)

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74 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Rodger
20.01.2024 09:30registriert November 2020
Leider nutzen mir die grossen Zwei etas zu viel Ihre Marktmacht aus und sind sich für manche Dinge nicht zu schade, bei denen ich den Kopfschütteln muss (siehe Preisüberwacher Biofleisch). Zudem kehren Sie sich von sozialen Gepflogenheiten ab, weshalb ich immer mehr sagen muss, dass es die deutsche Discounter in der Schweiz (Deutschland ist da anders) nicht schlechter machen. Ich verstehe jedenfalls warum sich die Lieferanten über Aldi und Lidl freuen.
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Katerchen
20.01.2024 08:47registriert März 2023
Spannende Strategie von Coop vielerorts werden privaten Dorf oder Quartierläden Coop Läden. Da ist die Kundschaft berei mehr zu zahlen weil sie einen kurzen Weg hat.
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Chill Dude
20.01.2024 10:14registriert März 2020
Wusste gar nicht, dass Coop in Togo auch Läden hat.
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