Schweiz
Gesundheit

Studie: Bei höheren Krankenkassenprämien gehen Menschen weniger zum Arzt

Conceptual image of a stethoscope on a credit card, could illustrate ideas around health of ones credit score or economy
Arztbesuche sind teuer – mit steigenden Krankenkassenprämien wächst die Belastung für viele, zeigt eine Studie.Bild: Digital Vision

Steigen die Prämien, verzichten mehr auf Gesundheitsleistungen

Ein Viertel der Genferinnen und Genfer verzichtet aus finanziellen Gründen auf medizinische Leistungen. Eine Ärztin erklärt, warum das gefährlich ist.
05.10.2025, 19:3205.10.2025, 19:49

Die steigenden Krankenkassenprämien führen dazu, dass mehr Menschen in Genf zunehmend auf Arztbesuche verzichten. Das zeigt eine Studie des Genfer Universitätsspitals (HUG).

Anhand von Längsschnittdaten kommt das Forschungsteam zum Schluss: Bei jedem Prämienanstieg um zehn Franken sind es 2,1 Prozent mehr, die aus Kostengründen nicht zum Arzt oder zur Zahnärztin gehen.

Aufruf
Gehst du selbst aus finanziellen Gründen nicht mehr zum Arzt oder zur Zahnärztin und würdest mit uns darüber sprechen? Melde dich unter newsplus@watson.ch.

26 Prozent sparen bei medizinischer Versorgung

In Genf gibt heute jede vierte Person an, in den vergangenen 12 Monaten aus finanziellen Gründen auf medizinische Behandlungen oder Zahnbehandlungen verzichtet zu haben, so das Resultat der Studie «Bus Santé». Zum Vergleich: Im Jahr 2011 war es noch jede siebte Person.

Setzt sich der Trend der steigenden Krankenkassenprämien fort, könnte 2030 jede zweite Person wegen der Kosten den Gang zum Arzt meiden. «Und das in der Schweiz, das ist beunruhigend», sagt Mayssam Nehme, Co-Autorin der Studie und leitende Ärztin am HUG, zu watson.

Mayssam Nehme
Mayssam Nehme zu den Studienergebnissen: «Das ist beunruhigend.»Bild: zvg

Am Schluss landeten viele, die auf Arztbesuche verzichteten, obwohl sie nötig wären, im bereits überlasteten Notfall. Dies komme für das Gesundheitssystem und für die Patientinnen und Patienten im Endeffekt teurer, sagt Nehme. Sie betont:

«Wenn Menschen aus finanziellen Gründen auf medizinische Versorgung verzichten, ist das nie ein gutes Zeichen.»

Am häufigsten verzichteten Menschen aus tieferen Einkommensschichten auf Behandlungen. Zunehmend greife das Problem aber auch auf mittlere und höhere Einkommensschichten über, sagt Nehme. 2011 waren es in dieser Gruppe nur vier Prozent, die aus finanziellen Gründen auf medizinische Versorgung verzichteten, heute sind es 14 Prozent.

Gerade junge, gesunde Menschen würden oft eine höhere Franchise wählen, sagt Nehme: «Wenn sie dann einmal ein Problem haben, merken sie, dass sie zuerst 2500 Franken selbst bezahlen müssen, bevor die Versicherung etwas übernimmt. Da verzichten viele auf den Arztbesuch.»

Bei den Zähnen wird als Erstes gespart

Wenn die Krankenkassenprämie teurer wird, verzichten die Genferinnen und Genfer als Erstes auf den Besuch beim Zahnarzt und danach auf den Gang zur Hausärztin. Bei den Zahnarztbesuchen sieht Mayssam Nehme den Grund vor allem darin, dass diese selten von den Krankenversicherungen abgedeckt sind. «Zahnbehandlungen haben für viele keine Priorität, sie sind aber sehr wichtig», fügt Nehme an.

Die Umfrage bezieht sich zwar nur auf Genf, die Ergebnisse dürften sich von der restlichen Schweiz allerdings nicht grundsätzlich unterscheiden, ist sich Nehme sicher.

Das legen auch Daten des International Health Policy Survey von «The Commonwealth Fund» nahe. Gemäss deren Umfragedaten verzichtete 2023 ein bedeutender Anteil der Schweizer Bevölkerung aus finanziellen Gründen auf zahnärztliche Behandlungen oder Kontrollen.

Dort zeigt sich ein ähnliches Muster wie in Genf: Menschen mit wenig Einkommen sind am stärksten betroffen, aber nicht nur sie verzichten. Unter Menschen aus unteren und mittleren Einkommensschichten war es jede dritte Person, unter Personen aus höheren Einkommensschichten jede fünfte, die eine zahnärztliche oder medizinische Behandlung oder Kontrolle aus finanziellen Gründen nicht in Anspruch nahm.

Mit Blick auf die Studie der HUG sagt Nehme: «Wir müssen diese Resultate sehr ernst nehmen. Und wir müssen darüber nachdenken, wie Gesundheitsbehandlungen abgedeckt werden. Lösungen dafür zu finden, ist Sache der zuständigen Behörden.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Krankenkasse 2026
1 / 5
Krankenkasse 2026

Die Krankenkasse steigt um 4,4 Prozent.

Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Womit habt ihr das verdient?» – das sagen Menschen aus Zug zur Prämiensenkung
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
Du hast uns was zu sagen?
Hast du einen relevanten Input oder hast du einen Fehler entdeckt? Du kannst uns dein Anliegen gerne via Formular übermitteln.
95 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Leshi Peci
05.10.2025 19:49registriert September 2025
Das Schweizer Krankenkassensystem ist längst absurd: Prämien steigen, Leute sparen sich den Arztbesuch bis sie im Notfall doppelt so teuer im Spital landen. 💸 Gesundheit ist kein Luxusgut, sondern Grundrecht. Wer krank wird, darf nicht erst das Konto checken müssen
1648
Melden
Zum Kommentar
avatar
Pointless Piraña
05.10.2025 20:09registriert Dezember 2019
Oh, das würde ja bedeuten, dass... Also, Moment... Wow.
Höhere Prämien generieren NICHT weniger Gesundheitskosten, obwohl die Leute weniger zum Arzt gehen. Die Versicherten sind somit NICHT die Kostebtreibenden.
Das würde ja bedeuten, dass wir immer mehr zahlen, aber das Geld der Versicherten anderswo abgeholt wird. Tja, und nun stellt sich doch die Frage: Wo genau?
13912
Melden
Zum Kommentar
avatar
Legal
05.10.2025 20:08registriert September 2020
Damit sind die „Krankenkassen“ keine „Versicherungen“ mehr, sondern Schutzgeld-Erpresser. Wir liefern ihnen unseren Lohn ohne Gegenleistung ab, damit sich die Verwaltungen und ihre Verwaltungsräte (oft aus der SVP) bereichern können. Als Gegenleistung werden wir nicht betrieben. So haben wir in den letzten 10 Jahren etwa Fr. 80000.00 „abgeliefert“. Die Arztkosten haben wir selber getragen. So stellen sich bügerliche Politiker einen Sozialstaat vor. Wer solche „Lobbyisten in eigener Sache“ wählt, muss sich über das Ergebnis nicht wundern.
10223
Melden
Zum Kommentar
95
Beschlagnahmte Autos, eine Kryptowährung und eine Art Guru – welche Rolle spielte Zug?
Crypto Valley Zug soll Schauplatz eines von Belgiern gesteuerten Grossbetrugs um eine Kryptowährung gewesen sein – allerdings gibt es auch eine erstaunliche andere Sicht der Dinge.
Am 22. Juni 2021 schlug die Justiz zu. Die belgische Tageszeitung «Het Laatste Nieuws» titelte: «Kryptocoin Vitae scheint ein Betrug zu sein: Justiz nimmt Website offline und beschlagnahmt Token».
Zur Story