Endlich wieder feiern, endlich wieder tanzen: Das wünschen sich wohl viele Menschen rund um den Globus. Doch die Corona-Pandemie macht es vielerorts unmöglich. Zu hoch ist das Risiko einer Ansteckung, zu labil die epidemiologische Lage.
Doch was wäre, wenn man nur negativ getestete und geimpfte Personen ein Konzert besuchen lässt? Wenn alle Eintritte genau überprüft würden? Könnte so ein Ansteckungsrisiko nicht minimiert werden?
Diese Fragen stellt sich auch die hiesige Veranstaltungsbranche. Ende März legte Alexander Bücheli von der Schweizer Bar- und Clubkommission dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein Konzept vor, mit dem eine Pilot-Cluböffnung wissenschaftlich begleitet werden soll. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtet, wollte Bücheli Partys im Namen der Wissenschaft veranstalten. 500 geladene Gäste, die entweder getestet, geimpft oder genesen sind. Und wer kommt, verpflichtet sich, sich sieben Tage nach der Veranstaltung einem kostenlosen PCR-Test zu unterziehen.
Die Idee, Veranstaltungen wissenschaftlich zu begleiten, ist nicht neu. In Grossbritannien, Spanien und den Niederlanden gab es bereits Feldstudien. Und die ersten Auswertungen aus Holland lassen hoffen.
Gemeinsam mit dem niederländischen Gesundheitsministerium, Wissenschaftler:innen und der Event-Branche wurden diverse Veranstaltungen durchgeführt. Darunter ein Konzert in der Ziggo-Dome-Halle in Amsterdam, zwei Fussballspiele, eine Theateraufführung und ein Technofestival in Biddinghuizen.
Der holländische Professor für Infektionskontrolle Andreas Voss war an den Pilot-Versuchen beteiligt und zeigte sich nach den ersten Events gegenüber der niederländischen Abendzeitung «NRC» positiv gestimmt.
Nach dem Technofestival in Biddinghuizen wurden 82 Prozent der Teilnehmer:innen fünf Tage später erneut auf das Coronavirus getestet. Bei sechzehn Personen schlug der Virentest positiv aus. Voss' Team untersuchte darauf die infizierten Personen. «Wir haben die Virusstämme aller Infektionen untersuchen lassen und unterschiedliche Stämme gefunden. Das deutet darauf hin, dass sich die meisten Menschen nach dem Festival irgendwo anders angesteckt haben», so Voss gegenüber «NRC».
Dennoch räumt der Mikrobiologe im Interview ein, dass die Experimente nicht 100 Prozent risikofrei seien. Denn eigentlich hätte auf dem Gelände des Festivals, sowie auch bei allen anderen Pilot-Veranstaltungen eine Maskenpflicht gegolten. Doch die wenigsten Festivalbesucher:innen in Biddinghuizen hielten sich daran. «Die Leute trugen die Masken eher als Partyhut denn als Mundschutz», sagte Voss.
Doch Voss betonte, dass die Pilot-Veranstaltungen eine gute Sache seien. «Im Vorfeld wurden 102 von 17'000 Besucher:innen positiv getestet. Diese haben wir nicht auf das Gelände gelassen, um Infektionen zu verhindern.»
Trotz den verhältnismässig geringen Ansteckungszahlen wurden weitere Feldversuche in Holland gestoppt. Für kommenden Samstag wäre ein weiteres Festival geplant gewesen. Doch viele Holländer:innen, davon auch Mitarbeitende aus dem Gesundheitswesen, wehrten sich dagegen. Zu gross war die Angst, dass die Party trotzdem zum Superspreader-Event werden könnte – und das mitten in der dritten Welle. Zudem drohte auch die Polizei damit, in den Streik zu treten, würde die Veranstaltung durchgeführt.
Kritisiert wurde auch die finanzielle Unterstützung der Veranstaltungen: Die holländische Regierung stellte rund 925 Millionen Euro der Wissenschaft und der Eventbranche zur Verfügung, um die Feldstudien durchzuführen. Das niederländische Kabinett stellte sich nach der Kritik hinter den Entscheid und betonte, dass die Pilotprojekte nicht einfach eine Ausrede seien, um Spass zu haben, sondern als «Forschung für die Durchführbarkeit und Sicherheit zukünftiger Veranstaltungen diene».
Ob auch bald hierzulande solche Diskussionen geführt werden, bleibt unklar. Noch hat sich das Bundesamt für Gesundheit nicht konkret zu Pilotprojekten geäussert. Veranstaltungen im kleineren Rahmen könnten aber bald wieder möglich sein: Gemäss den Plänen des Bundesrates sollen bereits im Juli Events mit bis zu 5000 Personen möglich sein.
Für die Wissenschaft!