Schweiz
Gesundheit

Schweiz: Versicherte könnten auf Krankenkasse-Rechnungen sitzen bleiben

Zusatzversicherte aufgepasst: Darum könntest du auf Rechnungen sitzen bleiben

Nicht alle Spitäler haben Verträge mit den Krankenkassen für Privatversicherte abgeschlossen. Das könnte für betroffene Patienten zu einer unschönen Überraschung führen, wenn die Leistungen durch die Spitalzusatzversicherung nicht gedeckt sind.
20.05.2025, 07:26
Anna Wanner / ch media
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Seit Anfang Jahr dürfen Krankenkassen im Bereich der Zusatzversicherung nur noch zahlen, was bei einer Behandlung nachweislich als Zusatzkosten anfällt. Das ist ein Paradigmenwechsel: Die Finanzmarktaufsicht, die auch für Privatversicherungen zuständig zeichnet, rügte 2020 die Tarifpartner, weil Spitäler teilweise Fantasierechnungen stellten und die Versicherer diese zahlten.

Eine Aerztin wartet auf einen Patienten, im Coronavirus Testzentrum in Mendrisio, am Dienstag, 28. April 2020. Das Testzentrum in Mendrisio ist eines von vier Testzentren zur Entlastung der Arztpraxen ...
Nur der ausgewiesene Spezialist darf operieren: Was ist den Versicherten die freie Arztwahl wert?Bild: TI-PRESS

Der Vorwurf der Finma: Patienten mit halbprivater oder privater Spitalzusatzversicherung werden so abgezockt. Die Aufsichtsbehörde verlangte einen besseren Schutz der Versicherten und stellte Anfang Jahr zwar Fortschritte fest, ist aber noch nicht zufrieden, wie sie mitteilte. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle zeigte sich, dass die alte Praxis weiterlebt, wie die Finma schreibt. So habe eine Krankenkasse die Hotelleistungen pro Nacht in der Halbprivatabteilung eines Spitals mit 191 Franken bewertet. Die Kasse einigte sich dann aber mit dem Spital auf einen Preis von 855 Franken.

Zahlreiche Verträge würden weiterhin nicht den Anforderungen der Finma entsprechen, weil sie die Mehrleistungen gegenüber der obligatorischen Krankenversicherung nicht abgrenzen. Doch das ist nur ein Aspekt des anhaltenden Konflikts: Es gibt weiterhin Spitäler und Ärzte, die sich nicht mit jeder Krankenkasse auf einen neuen Vertrag einigen konnten.

Für Zusatzversicherte kann das teuer werden: Fehlt ein solcher Vertrag bei einem Spitalaufenthalt, bleibt der Patient unter Umständen auf der Rechnung sitzen. Tritt ein solcher Fall ein, reagieren die Krankenkassen unterschiedlich. Manche zeigen eine gewisse Kulanz und steuern trotzdem einen Teil an die Kosten bei. Andere stellen sich auf den Standpunkt, dass die Hauptlast der medizinischen Behandlung sowieso über die Grundversicherung gedeckt sei. Wieder andere zahlen Geldbeträge an Versicherte, wenn sie auf die Zusatzleistung verzichten und sich in der allgemeinen Abteilung des Spitals behandeln lassen.

Empfehlung an Versicherte: Kostengutsprache einholen

Ob das der Weisheit letzter Schluss ist? Klar ist: Wer über Jahre viel Geld zahlte, um die Extraleistung zu versichern, will diese auch im Krankheitsfall wahrnehmen.

Immerhin: Die Zahl der fehlenden Verträge sinkt. Die Situation hat sich seit Anfang Jahr verbessert, als immer noch bis zu 30 Prozent der Verträge nicht abgeschlossen waren. Bei den meisten Versicherern stehen nur noch einzelne Verträge mit Spitälern offen – häufig mit Privatkliniken in Genf, in der Waadt oder auch in Zürich oder im Aargau.

Die Versicherten würden informiert, bei welchen Spitälern die Leistungen nicht gedeckt sind, halten die Krankenkassen auf Anfrage fest. Sie führen entsprechende schwarze Listen. Die Krankenkassen empfehlen überdies, bei einem anstehenden Eingriff eine Kostengutsprache des Versicherers einzuholen, damit die Finanzierung gewährt ist. Besteht mit dem Wunschspital kein Vertrag, wird nach einer passenden Alternative gesucht.

Freie Arztwahl bleibt Knacknuss

Etwas schwieriger laufen die Verhandlungen mit Belegärzten. Vor allem mit den Verbänden in der Romandie erweisen sich die Verhandlungen als schwierig – aber nicht nur. Denn das Problem ist grundsätzlicher: Will der Patient von seinem bevorzugten Arzt operiert werden, der als Belegarzt keine Festanstellung an einem Spital hat, muss ein entsprechender Vertrag zwischen einer Versicherung und dem Belegarzt bestehen. Im Unterschied zur Hotellerie oder zum Aufpreis für ein Einzelzimmer lässt sich die freie Arztwahl aber nur schwer quantifizieren: Was ist einem die Behandlung bei einem bestimmten Spezialisten wert?

Dass es darauf keine eindeutige Antwort geben darf, ist Teil der Kritik des Verbands der Belegärzte. Sie setzt allerdings schon viel früher an, wie Florian Wanner, Sekretär der Schweizerischen Belegärzte-Vereinigung, erklärt: «Die Finma stellt Forderungen, die keine rechtliche Grundlage haben.» Die Behörde setze sich gar über die Rechtsprechung des Bundesgerichts hinweg: Im Sozialversicherungsrecht gelte das Austauschprinzip.

Vereinfacht gesagt, dürften Versicherer und Spitäler gemeinsam Preise festlegen, die nicht an das heutige System der Fallpauschalen gebunden sind, sofern Zusatzleistungen ausserhalb der grundversicherten Pflichtleistungen erbracht werden. Im Zusatzversicherungsbereich wurden bis anhin häufig Honorare auf Einzelleistungsbasis in Rechnung gestellt.

Die DRG-Fallpauschalen, die einen Spitalaufenthalt als Ganzes verrechnen, erschweren das System. Die Zusatzversicherer möchten nun am liebsten einen Faktor bestimmen, der sämtliche Zusatzleistungen aufgrund der Fallpauschale abgelten soll. Ist ein Faktor 1,5 mit dem Spital vereinbart worden, kostet der Spitalaufenthalt für Zusatzversicherte 1500 statt 1000 Franken.

Vertragsverhältnis zwischen Patient und Arzt in Gefahr

Was genau wem vergütet wird, muss das Spital quasi nachträglich auflisten. «Die DRG-Fallpauschalen weisen keinen Arztanteil aus. Ein Vergütungssystem, das darauf aufgebaut ist, ist überhaupt nicht transparenter», findet Wanner. Es vereinfache die Arbeit der Versicherungen, nicht aber jene der Spitäler. Und für die Belegärzte sei das fatal, weil damit das direkte Vertragsverhältnis zwischen Patient und Belegarzt wegfällt.

Die freie Arztwahl werde damit verwässert, weil das Spital alleiniger Vertragspartner ist und bestimmen könnte, welcher Arzt eine Leistung erbringt. Laut Wanner führt die strikte Umsetzung der Finma-Vorgabe in den Abgrund: Kurzfristig könnten die Prämien entlastet werden. «Mittelfristig wird das System Zusatzversicherung zerstört.» Das sei schlecht für die Patienten – und auch für die Medizin. (aargauerzeitung.ch)

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56 Kommentare
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Poci
20.05.2025 07:43registriert November 2017
Mich dunkt die Versicherten werden einfach nurnoch abgezockt. Wieso dürfen die vereinbaren, wenn etwas 191 Franken kostet, dass man dann einfach 855 Franken verrechnet?? Und anstatt 1000 Franken 1500?? Nur weil Zusatzversichert?? Schon klar steigen die Prämien Jahr um Jahr! Das ist doch reiner Wucher und dass in einem Bereich, in welchem es um die Gesundheit geht. Gleichzeitig verklickert man, man könne Fachfrau/mann Gesundheit nicht mehr bezahlen. Gleichzeitig gehen x Spitäler bankrott oder müssen gerettet werden. Wohin fliesst das ganze Geld????
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[CH-Bürger]
20.05.2025 07:44registriert August 2018
der Ansatz der Finma ist gut gemeint.
Aber eben nur gut GEMEINT...

Das System mit den Fallpauschalen war von Vornherein zum Scheitern verurteilt.
Die "Martkware Patient" kann man nicht vereinheitlichen! Jeder Mensch reagiert auf Medis und Operationen unterschiedlich, Kinder und Erwachsene wiederum anders

Mein Ansatz wäre:
- die Spitäler verrechnen nach Aufwand
- die Versicherer hätten Einsichtsrecht in die Akten
- eine staatliche Aufsichtsbehörde macht Stichproben und bei Verdacht auf Schummelei gezielte Kontrollen (analog des Lebensmittelinspektorats)
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Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
20.05.2025 07:48registriert Juni 2016
Natürlich alles zum Wohl der Kunden 🙃
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