Die Ergebnisse der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2022 zeigen deutliche Unterschiede zwischen Frauen und Männern. So geben Frauen häufiger an als Männer, mit mindestens einer chronischen Krankheit zu leben (55 Prozent gegenüber 44 Prozent). Männer sind hingegen öfter übergewichtig oder adipös (52 Prozent gegenüber 34 Prozent) und rauchen häufiger (27 Prozent gegenüber 21 Prozent).
Die neue Publikation des Bundesamtes für Statistik (BFS) zeigt, dass neben biologischen Faktoren wie dem Geschlecht auch gesellschaftlich geprägte Geschlechterrollen die Gesundheit beeinflussen und diesbezüglich soziale Ungleichheiten verstärken.
🩺Zwischen Frauen und Männern gibt es gesundheitliche Unterschiede, die sich nicht rein biologisch erklären lassen. Sie hängen auch mit dem sozialen Geschlecht zusammen und können zu Ungleichheiten führen. ➡️https://t.co/L1ELAMu8ha #Statistik #BFS #Statistik #Daten #Schweiz pic.twitter.com/e53fRXzZnS
— BFS | OFS | UST | FSO (@StatDataCH) May 19, 2025
Frauen hatten 2022 eine um 3,8 Jahre höhere Lebenserwartung bei Geburt als Männer (85,4 Jahre gegenüber 81,6 Jahren). Der Vorteil der Frauen bezüglich der Lebenserwartung bei Geburt wird jedoch durch den geringeren Unterschied hinsichtlich der Lebenserwartung bei guter Gesundheit abgeschwächt. Sie liegt 0,4 Jahre über jener der Männer (72,1 Jahre gegenüber 71,8 Jahren).
Die zusätzlichen Lebensjahre verbringen Frauen somit oft mit bestimmten Gesundheitsproblemen. Frauen berichten beispielsweise häufiger über Einschränkungen im Alltag seit mindestens sechs Monaten (30 Prozent gegenüber 24 Prozent) und leiden nach eigenen Angaben öfter an mindestens einer chronischen Krankheit (55 Prozent gegenüber 44 Prozent) oder an spezifischen Schmerzen wie Rücken- oder Kreuzschmerzen (50 Prozent gegenüber 40 Prozent).
2022 war die Hälfte der Männer (52 Prozent) und ein Drittel der Frauen (34 Prozent) übergewichtig oder adipös. Obwohl Frauen weniger davon betroffen sind, sind sie insgesamt unzufriedener mit ihrem Körpergewicht als Männer (28 Prozent gegenüber 23 Prozent). Noch deutlicher zeigt sich dieser Trend bei den Übergewichtigen. Dort waren 2022 insgesamt 52 Prozent der Frauen und 29 Prozent der Männer mit ihrem Gewicht unzufrieden.
Das Gewicht wird nicht nur durch biologische Faktoren beeinflusst, sondern auch durch geschlechtsspezifische Normen in Bezug auf Körper und Korpulenz. In der Gesellschaft gilt ein schlanker Körper bei Frauen als Norm für Schönheit und Gesundheit. Bei den Männern hingegen entspricht ein kräftigerer Körper, der positiv mit Stärke konnotiert wird, der Idealvorstellung.
Der geschlechtsspezifische Unterschied beim Rauchen ist seit dreissig Jahren rückläufig. Er hat sich zwischen 1992 und 2022 von 13 auf 6 Prozentpunkte halbiert. 2022 rauchten Frauen zwischen 15 und 24 Jahren gleich häufig wie gleichaltrige Männer (26 Prozent gegenüber 25 Prozent).
Auch der Umstand, dass Frauen später mit dem Rauchen begonnen haben, lässt sich mit sozialen Geschlechternormen erklären. Entsprechend machten sich die gesundheitlichen Folgen des Rauchens wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Atemwegserkrankungen bei den Frauen erst später bemerkbar.
In der Gesundheitsbefragung berichteten mehr Frauen (12 Prozent) als Männer (8 Prozent) von mittelschweren bis schweren Depressionssymptomen. Bei den 15- bis 24-Jährigen ist der Unterschied sogar doppelt so gross (26 Prozent der Frauen gegenüber 13 Prozent der Männer). Frauen zwischen 15 und 24 Jahren befanden sich in den letzten zwölf Monaten nach eigenen Angaben auch deutlich häufiger wegen psychischer Probleme in Behandlung als Männer (14 Prozent gegenüber 4 Prozent).
Diese Geschlechtsunterschiede hinsichtlich des Risikos, im Lauf des Lebens an einer Depression zu erkranken, sind bekannt. Die Unterschiede treten in der Pubertät auf und bleiben bis ins hohe Alter bestehen. Erklärt werden sie teilweise mit den in der Pubertät vermehrt produzierten Sexualhormonen, teilweise aber auch mit geschlechtsspezifischen gesellschaftlichen Faktoren, insbesondere psychosozialem Stress.
Frauen sind häufiger von Sexismus und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum betroffen. Sie sind auch stärker Belastung durch unbezahlte Haus- und Familienarbeit ausgesetzt, die oft unsichtbar ist und zusätzlich zu einer Erwerbsarbeit verrichtet wird. Geschlechtlich und/oder sexuell diverse Personen sind im Übrigen anfälliger für psychische Probleme als heterosexuelle Cis-Frauen und Cis-Männer. (pre/sda)