Zum internationalen Frauentag haben Frauenorganisationen und Gewerkschaften am Freitag in der ganzen Schweiz mit verschiedenen Aktionen auf Mängel bei der Gleichstellung von Männern und Frauen aufmerksam gemacht. In diversen Städten kam es zu Veranstaltungen oder Standaktionen von Frauen.
In Lausanne versammelten sich etwa 2500 Menschen zu einer Demonstration, um «alle Ungerechtigkeiten, Ungleichheiten und Diskriminierungen» anzuprangern. In Genf waren es 1500 Menschen, die gegen sexistische Gewalt protestierten.
In Zürich fand eine Standaktion gegen sexualisierte Gewalt als Waffe im Nahen Osten statt. Dabei warben die Initiantinnen auch für eine Petition an den Bundesrat, welche eine verstärkte internationale Zusammenarbeit zur Durchsetzung von Gesetzen gegen Gewalt an Frauen und die Schaffung von Rahmenbedingungen gegen Online-Gewalt fordert.
Für den Abend waren in zahlreichen Städten Veranstaltungen angekündigt. So war beispielsweise in Biel BE ein Filmabend geplant, in Luzern ein Treffen des feministischen Streiks. Zudem versammelten sich in Zürich um 18.00 Uhr rund 200 Personen zu einer Kundgebung, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vor Ort beobachtete. Auch in den Städten Genf und Basel waren Demonstrationen und Kundgebungen angekündigt.
Der Arbeitnehmerverband Travail Suisse und die Gewerkschaft Syna legten Bundespräsidentin Viola Amherd derweil den Evaluationsbericht zum revidierten Gleichstellungsgesetz vor. Dieser zeige, dass das Gesetz bedeutende Lücken und Mängel aufweise. Sie forderten die Verabschiedung eines griffigen Gesetzes gegen die Lohndiskriminierung.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) forderte am Freitag ein Ende der Einkommensungleichheit zwischen den Geschlechtern. Noch immer würden Frauen deutlich öfter in Tieflohnbranchen arbeiten als Männer. Als Folge der tiefen Löhne erhielten Frauen zudem auch ein Drittel weniger Rente als Männer.
Um dies zu ändern, müsse Lohndiskriminierung konsequent bekämpft und die Löhne in «feminisierten» Berufen wie in der Reinigung, dem Detailhandel oder der Betreuung deutlich angehoben werden, hiess es in der Mitteilung des SGB weiter.
Gerade im Bereich der Betreuungs- und Sorgearbeit würden Frauen in der Schweiz die Hauptverantwortung übernehmen. Dies geschehe immer noch auf Kosten ihrer Existenzsicherung, obwohl es sich dabei um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handle.
Auch die Gewerkschaft Unia forderte am Freitag höhere Löhne und entschlossene Massnahmen gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Die Unia legte den Fokus dabei auf das Gastgewerbe. «Mein Körper ist nicht Dein Bier», lautete ein Motto.
Die SP-Frauen forderten am Freitag entschiedene Massnahmen, um die Sicherheit der Frauen in der Schweiz zu verbessern. Es brauche endlich genügend finanzielle Mittel für Frauenhäuser und Opferberatungsstellen – sowie eine verstärkte Täter- und Präventionsarbeit.
Bereits am Vormittag wurden mehr als 350 Frauen aus allen Landesteilen und Bereichen der Gesellschaft von Ständeratspräsidentin Eva Herzog (SP/BS) im Bundeshaus empfangen. In ihrer Eröffnungsrede stellte Herzog die finanzielle Unabhängigkeit von Frauen ins Zentrum. «Damit Frauen frei und selbstbestimmt agieren können, müssen sie auch finanziell unabhängig sein», sagte Herzog in ihrer Rede.
Heute habe sich die Arbeitsmarktbeteiligung von jungen Frauen und Männern zwar deutlich angenähert. Die finanzielle Unabhängigkeit bleibe jedoch für viele Frauen eine Herausforderung. Die Lohngleichheit sei nicht erreicht.
Das wirke sich entsprechend auf Einkommen und Renten aus. «Geld bedeutet Macht. Und wir können mit Geld umgehen und mit Macht auch», so Herzog zu den eingeladenen Frauen. Es brauche neben Zivilcourage systemische Änderungen in der Arbeitswelt, in der Altersvorsorge und im Steuerrecht.
Am Nachmittag standen im Bundeshaus dann Ateliers mit den alt Bundesrätinnen Ruth Metzler, Ruth Dreifuss, Doris Leuthard und Simonetta Sommaruga auf dem Programm. Aus dem Austausch sei eine «tiefe Frauensolidarität» und «der Wille der Frauen in diesem Land, Handwerkerinnen ihrer eigenen Lebensprojekte zu sein», hervorgegangen, sagte Ruth Dreifuss der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Weiter fand auch ein Gespräch mit der amtierenden IKRK-Präsidentin Mirjana Spoljaric statt.
Bundespräsidentin Viola Amherd war wiederum nicht an dem Empfang im Bundeshaus zugegen. Nach der Bundesratssitzung vom Freitag begab sie sich auf die Reise nach New York, wo sie in den kommenden Tagen laut einer Medienmitteilung an einem Treffen der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen teilnehmen wird.
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider äusserte sich derweil in einem Video auf der Plattform X zum Stand der Gleichstellung in der Schweiz. Frauen würden im Durchschnitt 1500 Franken weniger pro Monat verdienen, sagte die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI).
Ihre Altersrenten seien niedriger, das Armutsrisiko höher. Man könne sich also nicht auf den Lorbeeren ausruhen, so Baume-Schneider weiter. «Es muss noch viel getan werden, damit Frauen ein sicheres Leben führen können und finanziell unabhängig sind.» Dies, auch wenn es einige positive Entwicklungen gegeben habe – wie das zunehmende Engagement von Frauen in der Politik.
In Basel haben mehrere Hundert Personen am Freitagabend zum Weltfrauentag demonstriert. Die unbewilligte Kundgebung startete beim De Wette-Park. Dort ermahnte die Polizei mit einem Lautsprecher, dass einen Gang durch die Innenstadt nicht dulden werde.
Eine Route via Elisabethenstrasse und Wettsteinplatz werde aber toleriert, teilte die Polizei weiter mit. Sie hielt sich zunächst im Hintergrund auf und war mit einem Dialogteam im De Wette-Park präsent, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur Keystone-SDA vor Ort beobachtete.
Der Demonstrationszug wählte jedoch einen anderen Weg und bewegte sich in Richtung Heuwaage. Die Kantonspolizei schätzte in einer Nachricht auf X die Anzahl Teilnehmerinnen auf 300 bis 400 Personen.
Die Demonstrantinnen zündeten Petarden und skandierten den Slogan «Gestern, heute, jeden Tag – gemeinsam gegen das Patriarchat». Auf mehreren Transparenten und in Reden wurden unter anderem Femizide und Gewalt an Frauen weltweit thematisiert. Auch der kurdische Slogan «Frau, Leben, Freiheit» war zu lesen, der zum Beispiel bei den Protesten zum Tod von Jina Mahsa Amini im Iran Verwendung gefunden hatte. Im Demozug waren auch einzelne Palästina-Flaggen und Gazakrieg-Parolen gegen Israel zu sehen. Die vordersten Reihen waren teilweise vermummt.
Der Demozug bewegte sich zum Steinenberg, wo die Polizei den Zugang zur Innenstadt abriegelte. Daraufhin bewegte sich die Kundgebung via Bankverein und Wettsteinbrücke ins Kleinbasel. Bei der Claramatte kam die Kundgebung zum Abschluss. Bisher seien keine Sachbeschädigungen bekannt, twitterte die Polizei kurz vor dem Ende der Demo weiter. Während der Kundgebungen kam es zu Unterbrüchen bei mehreren Tramlinien.
Einen anderen Verlauf nahm Demo zum internationalen Frauentag jedoch letztes Jahr in Basel. Damals kesselte die Polizei beim Petersplatz die unbewilligte Kundgebung mit einem Grossaufgebot ein, setzte Gummischrot ein und kontrollierte 215 Personen.
(hah/sda)