Wegweisung von Flüchtlings-Familien nach Griechenland ist möglich
In Griechenland als Flüchtlinge anerkannte Familien dürfen vom Bund weggewiesen werden, wenn sie sich dort nicht ausreichend um eine eigene Existenz bemüht haben. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden.
Das Bundesverwaltungsgericht hält in einem am Donnerstag publizierten Urteil fest, dass es für als Flüchtlinge anerkannte Familien in Griechenland nach wie vor diffizil sei, sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.
Trotz aller Widrigkeiten sei eine Wegweisung aus der Schweiz aber zulässig und zumutbar, wenn die Betroffenen keine konkreten Anstrengungen unternommen hätten, um in Griechenland Fuss zu fassen. Diese müssten bei Bedarf bei staatlichen Einrichtungen, Sozialbehörden oder Nichtregierungsorganisationen um Unterstützung anfragen.
Mangelnde Griechisch- oder Englischkenntnisse lässt das Bundesverwaltungsgericht als Rechtfertigung für fehlende Bemühungen nicht gelten. Mit Übersetzungsapps, Dolmetschern oder Landsleuten mit längerem Aufenthalt könne vor Ort kommuniziert werden.
Auch seien auf verschiedenen Websites Informationen in verschiedenen Sprachen verfügbar, die Flüchtlingen als Hilfestellung für das Leben in Griechenland dienen könnten. Dort seien teilweise auch Hinweise auf Anlaufstellen aufgeführt, die Unterstützung bieten würden. Einzig der Verweis auf schwierige Aufenthaltsbedingungen reicht laut Gericht nicht, damit eine Wegweisung unzulässig oder unzumutbar ist.
Im Zelt gewohnt
Im konkreten Fall erachtete das Staatssekretariat (SEM) die Wegweisung eines afghanischen Ehepaars mit zwei minderjährigen Kindern und einer erwachsenen Tochter als zulässig. Die Familie war nach einem fünfjährigen Aufenthalt in der Türkei auf eine griechische Insel weitergereist. Der Name der Insel ist im Urteil anonymisiert.
Sie lebten gut einen Monat in einem Container eines Flüchtlings-Camps, bis die Eltern und die minderjährigen Kinder einen Schutzstatus erhielten. Nach 30 Tagen mussten sie den Container räumen. Weil sie keine Wohnung hatten, lebte die Familie in einem Zelt, das sie hinter dem Camp aufstellte. Dort wartete sie eineinhalb Monate, bis auch die Tochter internationalen Schutz erhielt, wie aus dem Urteil hervor geht.
Mit Erlangung des Schutzstatus' erhielten sie Ausweisdokumente und die gesamte Familie verliess die Insel Richtung Festland. Dort hatte sie gemäss eigenen Angaben keinen Zugang zu Unterbringungen oder medizinischer Versorgung. Wegen des Elends und der Perspektivlosigkeit habe die Familie entschieden, in die Schweiz weiterzureisen. Das Geld für die Pässe und die Flugtickets hätten sie von verschiedenen Verwandten geliehen.
Flüchtlingshilfe fordert Verzicht auf Wegweisungen
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) kritisiert das Urteil und fordert, generell auf die Wegweisung von Familien und vulnerablen Personen nach Griechenland zu verzichten. Sie weist darauf hin, dass Personen mit Schutzstatus in Griechenland kaum staatliche Unterstützung erhalten. Die Situation im Bereich der Unterbringung sei besonders prekär: 30 Tage nach Erhalt eines Schutzstatus seien Personen auf sich gestellt.
Das Gericht bestätige den schwierigen Zugang zu einer adäquaten Unterkunft. Es sehe jedoch in der sehr wahrscheinlichen Obdachlosigkeit der Familie nach ihrer Rückkehr kein Hindernis für eine Wegweisung. Dies ist aus Sicht der SFH nicht nachvollziehbar, «zumal minderjährige Kinder involviert sind».
Das Urteil ist abschliessend und kann nicht beim Bundesgericht angefochten werden. (sda)