Thomas Borer ist alt Botschafter in Rente. Schillernd. Nicht verlegen um markige Worte und auch nicht um originelle Ideen. So analysierte er auch in dieser Zeitung das Scheitern der Schweizer Regierung in den Zollverhandlungen mit US-Präsident Donald Trump.
Der Bundesrat habe sich darauf verlassen, dass in den USA die üblichen diplomatischen Usanzen gelten und ein auf Ministerebene ausgehandeltes Abkommen durch die oberste Führung abgesegnet werde, sagte Borer: «Aber Präsident Trump sieht sich nicht als normaler Politiker. Er will persönlich immer das Beste für sein Land herausholen und nachverhandeln.» Borer fand lobende Worte für die Idee, der Bundesrat solle doch Fifa-Präsident Gianni Infantino in die Verhandlungen mit Trump einbeziehen.
Seine Aussagen sind jeweils gespickt mit Hinweisen auf seine guten Kontakte und Insiderwissen. Borer sagte etwa, dass nach «meinen Informationen ein Teil der Schweizer Verhandlungsdelegation den USA von Anfang an ein grösseres Angebot unterbreiten wollte» – inklusive Konzessionen bei den landwirtschaftlichen Produkten. Oder, dass Präsident Trump «gemäss meinen Informationen» tiefere Medikamentenpreise «so oder so durchsetze».
Dass Thomas Borer derzeit ein beliebter Gesprächspartner für Medien ist, hat gute Gründe. Er kennt sich mit Problemen zwischen der Schweiz und den USA bestens aus. So leitete er zwischen 1996 und 1999 die Task Force Schweiz–Zweiter Weltkrieg. In dieser Funktion führte er Verhandlungen mit der US-Regierung und den internationalen jüdischen Organisationen. Er ist fest davon überzeugt, dass die Schweiz keine Lehren aus dieser Krise gezogen und es verpasst hat, ein nachhaltiges Netzwerk in den USA aufzubauen, inklusive PR- und Lobbyingfirmen.
Trotz der Expertise: Nicht überall kommen Borers Äusserungen gut an. In der Bundesverwaltung reden sich manche Mitarbeitenden richtiggehend in Rage, wenn sie den Namen nur schon hören.
Die neuste Episode: Am letzten Donnerstag – noch bevor die Bundesräte Karin Keller-Sutter und Guy Parmelin nach ihrer Reise nach Washington vor die Medien traten – gab Borer der international führenden Nachrichtenagentur Bloomberg ein Interview. Die «NZZ am Sonntag» schrieb dazu: «Gewohnt selbstbewusst, als wäre Borer der Bundesratssprecher, skizziert er der Weltöffentlichkeit, was der sein soll.»
«Strategic Action Plan»: Das steht für die «attraktivere» Offerte, welche der Bundesrat letzte Woche bei der US-Regierung platziert hat. Sie bildet die Basis für die neuen Gespräche mit Washington. Ziel der Schweiz bleibt es, die Zölle von 39 Prozent runterzuhandeln – wenn auch nicht um jeden Preis, wie Bundespräsidentin Keller-Sutter sagte.
Was in der Offerte steht, ist geheim: «Wenn man alle Karten auf den Tisch legt, hat man verloren», sagte Guy Parmelin. Immerhin liess sich das Bundesratsduo entlocken, dass die neue Offerte gut ankomme in den USA.
Bei Bloomberg liess Borer verlauten, die Schweizer Regierung werde nun einen Plan vorlegen, um das Handelsdefizit von 38 Milliarden Dollar runterzubringen. Trump stört sich bekanntlich daran, dass die Schweiz mehr Güter in die USA verkauft als umgekehrt.
Der Plan, so Borer, sei zwischen der Regierung und der Wirtschaft ausgehandelt worden. So sollen Schweizer Raffinerien künftig das Gold in den USA verarbeiten, die Swiss Boeing-Flugzeuge kaufen, die Pharmafirmen mehr in den USA investieren, und hiesige Firmen sollen Flüssiggas kaufen. Der Bund soll zudem Waffen in den USA kaufen, wie die EU. «Das wird der strategische Plan sein, den die Schweizer Regierung hoffentlich bereits heute Nachmittag bekannt geben wird», sagte Borer.
Bekannt gegeben hat der Bundesrat den Plan bekanntlich nicht. Offen ist, ob Borer recht hat oder nicht. Auf alle Fälle gibt es Stimmen beim Bund, die Borer kritisieren. Sein Auftritt schade der Schweiz auf jeden Fall. Falls die Angaben Borers zur neuen Offerte stimmten, würde der ehemalige Spitzendiplomat die Verhandlungsposition des Bundesrates schwächen. Und selbst wenn die Angaben nicht stimmten, sei dies schlecht. Weil Borer den Anschein erweckte, dass der Bundesrat diese Offerte unterbreitet habe.
Borer selbst kann die Aufregung nicht verstehen. Er sagt, er habe nicht den Plan des Bundesrates bei Bloomberg präsentiert, sondern nur Vorschläge gemacht: «Meine Vorschläge orientieren sich an der EU und am gesunden Menschenverstand.» Er habe keine Kenntnisse von den Plänen des Bundesrates, hoffe aber, dass es sie gebe.
Thomas Borer ist heute als Berater tätig. Im Zusammenhang mit dem Zollstreit habe er kein Mandat, sagt er. Und fügt an: «Ich helfe aber gerne, wenn ich gefragt werde – und verlange dafür kein Geld.» (aargauerzeitung.ch)
Meint der Bundesrat wirklich Angebote machen zu können die die private Wirtschaft auszuführen habe?