Egal, welche Hilfsorganisation man derzeit fragt, ob das HEKS, die Caritas oder Terre des hommes, die Antwort ist immer dieselbe: Die Palästinenserinnen und Palästinenser brauchen dringend Strom und Wasser. Denn ohne Strom funktioniert gar nichts mehr. Kein Licht, kein Wasserkocher, kein Internet, keine Geräte in den Spitälern. Und ohne sauberes Trinkwasser fangen sich die Menschen allerlei Krankheiten und Infektionen ein.
Im Grunde fehlt es im Gazastreifen aber an allem, sagen die Non-Profit-Organisationen (NGOs): Essen, Medikamente, Hygieneartikel, warme Kleidung für den Winter, sichere und wintertaugliche Notunterkünfte. «Bisher konnte der Bedarf mit den zugelassenen Hilfslieferungen kaum gedeckt werden. Der Raum für humanitäre Arbeit ist äusserst prekär», schreibt auf Anfrage die Caritas, die mit ihrer Partnerorganisation Catholic Relief Services (CRS) vor Ort vertreten ist.
Warum kaum Hilfe im Gazastreifen ankommen kann, dafür gibt es fünf Gründe.
Die Zivilbevölkerung mit Hilfsgütern und -leistungen zu versorgen, ist im Gazastreifen schwieriger als im Ukrainekrieg. Denn wie Martina Ziegerer von der Stiftung Zewo sagt: «Im Ukrainekrieg können die Organisationen die Menschen zum Beispiel während ihrer Flucht unterstützen.»
Im Gazastreifen ist das jedoch nicht möglich. Das palästinensische Gebiet ist so gut wie abgeriegelt. Flüchten können die Menschen nur innerhalb von Gaza. Wollen Hilfsorganisationen helfen, müssen sie das direkt im Kriegsgebiet tun, wie das HEKS (Hilfswerk der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz) und Terre des hommes bestätigen. Das ist nicht nur gefährlich, sondern auch schwierig. Denn Hilfsorganisationen werden nur begrenzt in den Gazastreifen hereingelassen.
Terre des hommes (Tdh) war von Anfang an mit elf Mitarbeitenden im Kriegsgebiet präsent. Denn sie sind Palästinenserinnen und Palästinenser, die seit Jahren für die Kinderrechtsorganisation arbeiten. Ihr Büro war im Norden des Gazastreifens stationiert und wurde zerstört. Deshalb mussten sie in den Süden von Gaza flüchten, wo sie nun bei Familienmitgliedern oder in Unterkünften der UNRWA unterkommen. Viele von ihnen haben inzwischen enge Familienangehörige, Freunde, Bekannte verloren. Dennoch versuchen sie weiterhin aus Gaza dafür zu sorgen, dass die richtigen Hilfsgüter an die richtigen Orte gelangen.
Jezerca Tigani ist bei Tdh Einsatzleiterin für den Mittleren Osten und eng mit den Mitarbeitenden vor Ort in Kontakt: «Sie berichten von ständigen Bombardements, die besonders nachts nicht aufhören wollen.» Die Situation sei unübersichtlich, sich überhaupt fortzubewegen gefährlich.
Ähnlich prekär tönt es von der Caritas: «Rund 60 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unserer Partnerorganisation mussten selbst vor den kriegerischen Auseinandersetzungen fliehen und viele von ihnen haben enge Familienangehörige verloren.»
Die Mitarbeitenden der Hilfsorganisationen, die im Gazastreifen stationiert sind, sind also genauso vom Krieg betroffen wie die Zivilbevölkerung. Dieter Wüthrich vom HEKS fasst ihre Situation wie folgt zusammen: «Anhaltende Bombardierungen, ungeschützte Fluchtwege und die nach wie vor drastisch eingeschränkte Versorgung mit lebenswichtigen Gütern summieren sich zu einer humanitären Katastrophe kaum vorstellbaren Ausmasses.»
Daneben seien die Menschen vom Krieg traumatisiert und bräuchten Betreuung durch psychologisch geschulte Fachpersonen. Auch Tdh berichtet von völlig traumatisierten Kindern, die nicht mehr sprechen können oder sich selbst verletzen.
Das HEKS versucht darum in Zusammenarbeit mit seinen lokalen Partnerorganisationen, psychologische Betreuung durch Fachpersonen und Freizeitaktivitäten für die Kinder zu organisieren. Allerdings ist dies momentan nur im Süden des Gazastreifens möglich. Und auch das ist aufgrund der anhaltenden Kampfhandlungen für die Mitarbeitenden «hochriskant», wie Wüthrich sagt.
Wo ist es derzeit sicher? Wo halten sich die Hilfsbedürftigen auf? Welche Güter brauchen sie am dringendsten? Welche Transportwege sind passierbar? Hilfsorganisationen brauchen Antworten auf all diese Fragen, damit sie die Palästinenserinnen und Palästinenser überhaupt unterstützen können. Doch der Informationsaustausch ist eingeschränkt.
Der Krieg hat die Infrastruktur in Gaza weitestgehend zerstört. Die Kommunikation via Telefonnetz oder Internet ist schwierig. Jezerca Tigani bei Tdh versucht mit ihrem Team jeweils mehrmals täglich ihre Mitarbeitenden in Gaza zu erreichen. «Das Warten auf ein Lebenszeichen ist sehr belastend», sagt Tigani.
«Es wird berichtet, dass mehr als ein Drittel der Krankenhäuser im Gazastreifen und fast zwei Drittel der Kliniken für die medizinische Grundversorgung bereits schliessen mussten», heisst es von der Caritas. Auch Berichte von Operationen, die ohne Anästhesie durchgeführt werden müssen, sind zu hören. Jezerca Tigani von Terre des hommes kann das bestätigen und sie hält fest:
Es sei schwer zu sagen, wer darüber entscheidet, wie viele Lastwagen mit humanitärer Hilfe an einem Tag passieren dürften. Das ist auch der Grund, weshalb Tdh am Mittwoch nur neun Lastwagenlieferungen Hilfsgüter im Gazastreifen verteilen konnte. Sechs weitere Lastwagen warten derzeit vor der Grenze zu Gaza.
watson hat das Zewo, das HEKS, Caritas und Terre des hommes kontaktiert und nachgehakt, wer für diese prekäre Ausgangslage für humanitäre Hilfe verantwortlich ist. Keine der Hilfsorganisationen wollte oder konnte auf diese Frage antworten. Am ehesten formuliert Dieter Wüthrich vom HEKS eine Kritik: «Das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung und einen eigenen Staat wurde jahrelang hinausgezögert. Die internationale Gemeinschaft hat sich vor allem mit den Symptomen des Konflikts befasst und nicht mit den eigentlichen Ursachen.»
Doch auch Wüthrich vermeidet es, eine Konfliktpartei beim Namen zu nennen. Die Hilfsorganisationen bewegen sich nicht nur im Kriegsgebiet auf gefährlichem Terrain, sondern auch was ihre Kommunikation anbelangt. Sonst könnten sie das Wohl der Zivilbevölkerung und ihrer Mitarbeitenden gefährden.
Sie alle fordern darum nur zwei Dinge: eine sofortige Waffenruhe und die Einhaltung des humanitären Völkerrechts.
Nicht vergessen, es sind 250 Geiseln im selbstverwalteten Gaza die gefoltert werden. Da zieht kein "What about West Bank, da sind die Siedler". Und dass Palästina noch kein souveräner Staat ist, liegt nicht nur an Israel, sondern auch an den Palästinensern und zusätzlich den Ägyptern und Jordaniern.
Sorry, aber genau das ist doch das Problem..!
Immer wieder lese ich von einer "Spirale der Gewalt". Was ich wahrnehme, ist jedoch viel mehr eine Spirale des Schweigens..!
Wenn nicht einmal Angestellte internationaler Hilfsorganisationen sich getrauen den Mund aufzumachen und das Problem, Hamas, beim Namen zu nennen, wie soll sich dann jemals etwas zum besseren verändern..?!