Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Zum Beispiel alt Bundesrat Ueli Maurer. Gerne würde man wissen: Wie hat er sich gefühlt, als er am Mittwoch an der Seite des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, des russischen Kriegstreibers Wladimir Putin und des nordkoreanischen Steinzeitdiktators Kim Jong Un an der bombastischen Militärparade in Peking teilnahm? Hatte er als freiheitsliebender Mensch kein mulmiges Gefühl, als die Atomwaffen vorbeirollten und zehntausende Soldaten im Stechschritt paradierten? Und überhaupt: Was hat den Ex-SVP-Magistraten eigentlich gepackt, der inszenierten Machtdemonstration des kommunistischen Regimes beizuwohnen?
Freilich: Ueli Maurer reiste als «Privatmann». Man habe ihn eingeladen, also gehe er hin, sagte er im Vorfeld. Es sei «ein Zeichen des Respekts» gegenüber China. Grund für die Einladung sei zudem wohl auch gewesen, dass er nach seinem Ausscheiden aus dem Bundesrat weiter Kontakte zu Unternehmen aus der chinesischen Finanzbranche gepflegt habe, so Maurer gegenüber der «NZZ».
Das ist interessant: Handhaben es alle langjährigen Schweizer Finanzminister so, dass sie nach dem Ende ihrer Amtszeit dort weitermachen, wo sie aufgehört haben? Oder geht es dem Privatmann Ueli Maurer bei seinen Finanzkontakten in China nur darum, wie er sein steuerfinanziertes Ruhegehalt von jährlich 220‘000 Franken (18‘000 Franken pro Monat) richtig anlegen kann?
Im Ernst: Natürlich ist es grotesk, dass der Ex-Bundesrat der Schweizerischen Volkspartei den Diktatoren dieser Welt seine Aufwartung macht. Dass er sich als ehemaliger Bundespräsident von China gezielt instrumentalisieren und als eine der westlichen Trophäen vorführen lässt, ist offensichtlich. Doch Maurer scheint da völlig schmerzfrei zu sein. Warum auch immer.
Bleibt die Frage: Hat er mit seinem China-Besuch der Schweiz geschadet? Nein. Dafür ist sein Auftritt zu unbedeutend. Maurer ist alt Bundesrat und hat als solcher keine offizielle Funktion mehr.
Wem er geschadet hat, ist sich selbst. Maurer war lange einer der beliebtesten Bundesräte der Schweiz. Er galt als volksnah, humorvoll und bodenständig. Nach allgemeiner Wahrnehmung machte er – wenn man einmal von seiner umstrittenen Rolle beim Untergang der Credit Suisse absieht – auch einen soliden Job. Als er 2023 zurücktrat, wurde er mit Wohlwollen verabschiedet.
Seither aber demontiert Maurer sein politisches Erbe zuverlässig. Mal solidarisiert er sich mit radikalen Impfgegnern, mal biedert er sich am AfD-Parteitag bei der Führung der deutschen Rechtspopulisten an («Hoi Alice und Grüezi mitenand»). Dazu stellt sich die Frage: Was ist eigentlich aus der alten Blocher-Maxime geworden, dass man zu den Rechtsparteien im Ausland möglichst auf Abstand bleiben soll?
Daneben fällt Maurer mit Aussagen auf, wonach man in der Schweiz angeblich nichts mehr sagen dürfe, ohne das Risiko einzugehen, weggesperrt zu werden. Bei vielen Menschen sorgen solche Worte aus dem Mund eines ehemaligen Bundesrats für Irritation. Bei der SVP feiern sie ihn dafür.
Das ist das eigentliche Problem bei Maurers China-Reise. Maurer ist kein alter Politveteran, der seine Narrenfreiheit geniesst. Vielmehr bewegt er sich in jeder Hinsicht auf Parteilinie. Auch die SVP findet, dass die Schweiz zu allen Mächten auf der Welt möglichst den gleichen Abstand halten solle. Dabei ist es egal, ob sie unsere Weltanschauung teilen. Oder aber Diktatoren wie Putin sind, die andere Länder überfallen.
Wer diese indifferente Schulterzucker-Mentalität kritisiert, wird gerne als Moralisierer abgestempelt. Bezeichnenderweise sagte Maurer zu seiner Reise, es sei schon fast ein «Gütesiegel», wenn sich Leute darüber aufregen würden. Immerhin habe China der Schweiz noch nie etwas zu Leide getan. So kann man es natürlich auch sehen.
Aber wie US-Präsident Donald Trump für einmal treffend festgestellt hat, «verschwört» sich das machthungrige China gerade zusammen mit Putin und dem Schurkenstaat Nordkorea gegen den kollektiven Westen, zu dem auch die Schweiz gehört. Das müssten doch auch Maurer und die SVP erkennen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen. Aber wahrscheinlich haben sie «kä Luscht». (aargauerzeitung.ch)
Die SVP wiederum thront im gewohnten Hochsitz: Migration böse, EU teuflisch, Schweiz gut. Das immergleiche Menü, dessen Schärfe nur darin besteht, den ewiggleichen Pfeffer jedes Jahr aufs Neue zu verwenden. Innovation? Fehlanzeige. Hauptsache Schlagzeilen. Und der Anhängerschaft ist’s eh egal.