Am Ufer des Davosersee stehen sie im Schnee und warten. Hunderte Schaulustige, zum Teil extra aus dem Unterland angereist. In der eisigen Kälte suchen sie den Himmel ab nach ihm. Immer wieder ein Blick aufs Smartphone. Seine hellblaue Airforce One ist längst in Zürich gelandet und seine Helikopter sind gestartet.
Gleich wird Donald Trump auf dem kleinen Flugplatz landen. Aktivisten ist es gelungen, entlang der Flugroute ein riesiges Banner zu entrollen: «Trump not Welcome», steht darauf. Willkommen heissen wollen ihn nicht alle. Aber sehen schon.
Martin Naville, Chef der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer, stapft durch den Schnee. Den Anflug Trumps will er sich nicht entgehen lassen. Nach einem Znacht mit amerikanischen Ministern am Vorabend ist er optimistisch. Trumps «America First» heisse nicht einfach Abschottung. Die Schweizer Wirtschaft müsse sich nicht sorgen.
Dann hört man die Rotoren. Er kommt mit Getöse. Die US-Helikopter, die man sonst nur in Filmen sieht, begleitet von einem Geschwader der Schweizer Luftwaffe. Schnee stiebt auf. Alle Smartphones auf Aufnahme. Der US-Präsident ist gelandet und Handelskammerchef Naville nicht ganz zufrieden. Als Clinton kam, habe er seine Kampfhelikopter mitgebracht. «Es war wie im Kriegsfilm Apocalypse Now», erinnert er sich.
Kaum ist Trump am Boden, versperren rote Bahnwaggons die Sicht. Die Rhätische Bahn lässt sich vom hohen Besuch nicht den Takt diktieren.
Die Wagenkolonne rollt. 25 Fahrzeuge sind es, samt Schweizer Eskorte. Die Zuschauer rätseln, in welchem der schwarzen Geländewagen er sitzt. Unser Fotograf, André Springer, hat Glück. Trump winkt ihm durchs Fenster zu und er drückt ab.
Oben auf dem Hügel, im Hotel Intercontinental, wartet WEF-Gründer Klaus Schwab. Gleich kommt der Mann, der ihn wieder weltweit auf die Frontseiten hievt. Der US-Botschafter in Bern, Edward McMullen, ist dabei, als Trump Schwab die Hand schüttelt. Er habe von der Landschaft geschwärmt und sich für die Einladung bedankt. «Thank’s for having me.» Glaubt man dem Botschafter, machte dem 71-Jährigen der lange Flug über den Atlantik, über den Zürichsee und durch das Landwassertal nichts aus. «Der Präsident ist niemals müde, er ist ein Duracell-Hase.»
Was Trump heute vor den WEF-Teilnehmern sagen wird, wisse nur er selbst, sagt McMullen.
Drei bullige Typen mit einem Schäferhund durqueren die Hotellobby. Die Amerikaner checken das Hotel – vermutlich auf Sprengstoff. Ein «Blick»-Reporter wird von einem Wachmann gleich nach der Sicherheitsschleuse abgefangen. Auch der «Tagi» muss vor die Tür. Nur noch amerikanische Journalisten seien noch offiziell zugelassen, heisst es. Doch der AZ-Reporter bleibt unbehelligt.
Der Hamburger, den Trump so gerne mag, kostet in der Lobby mit extra Speck und Davoser Käse 52 Franken. Fürs WEF schlagen die Hoteliers noch einmal auf. Doch gegen die Speisen, die in den Staatsbankett-Sälen serviert werden, sind solche Preise sowieso Peanuts.
Trump bleibt kaum Zeit zum Essen. Der Pressetross schlurft schon wieder durch die Lobby. Er selbst nimmt den Hinterausgang. Ab durch die Tiefgarage. Die Präsidenten-Kolonne fährt ab Richtung Kongresszentrum. Ein Polizist wird beinahe umgefahren. Er hat den Konvoi nicht erkannt, aufhalten lässt sich die Trump-Karawane nicht.
Kurz vor 15 Uhr taucht Trump im Kongresszentrum auf, begleitet vom strahlenden Klaus Schwab und seiner Ehefrau Hilde. Sie sind sichtlich stolz über ihren Coup. Jetzt zücken die Manager ihre Smartphones, fotografieren und filmen. Auch Trump ist stolz, winkt nach allen Seiten, schüttelt Hände, lässt sich feiern.
Trump geniesst die Anerkennung, die er aus der überbordenden Aufmerksamkeit ableitet. Der Präsident gibt sogar Autogramme. Als ihn ein Journalist fragt, was seine Botschaft sei, antwortet Trump: «Peace and prosperity» (Friede und Wohlstand). Damit löst er Lacher aus, was ihn aber nicht zu irritieren scheint.
Bald verschwindet er in einem Raum, wo er sich mit Grossbritanniens Premierministerin Theresa May unterhält. Ausgewählte Medienvertreter dürfen danach die Pressekonferenz der beiden Staatschefs besuchen. Alles ist «great»: Mit diesem Adjektiv versieht Trump das Verhältnis der USA zu Grossbritannien, aber auch – man höre und staune – den Freihandel zwischen den beiden Ländern. Geht es nach Trump, werde dieser Handel «tremendously» (enorm) zunehmen und Jobs schaffen. «Great!»
Dann das nächste bilaterale Treffen: Trump bespricht sich mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Draussen im Gang drängeln sich nicht nur Journalisten, sondern auch EU-Spitzenbeamte und CEOs in der Hoffnung, Trump von nahe zu sehen, wenn er rauskommt. Man wartet und wartet. Es erscheinen IWF-Chefin Christine Lagarde, US-Spitzenpolitiker John Kerry und Deutschlands Ministerin Ursula von der Leyen, allesamt grosse Nummern, doch niemand interessiert sich jetzt für sie. Nicht einmal Theresa May wird gross beachtet, als sie vor den Trump-Beobachtern durchspaziert.
Very productive bilateral meeting with Prime Minister Benjamin @Netanyahu of Israel - in Davos, Switzerland! #WEF18 pic.twitter.com/2sZM9YI7tJ
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 25. Januar 2018
Nationalbank-Chef Thomas Jordan, Nestlé-Präsident Paul Bulcke, ABB-Chef Ulrich Spiesshofer und Wirtschafts-Doyen Walter Kielholz gehören zu den Cocktail-Gästen.
Um 19.40 Uhr folgt – ebenfalls im Kongresszentrum – das WEF-Dinner mit Trump. Der Verwaltungsratspräsident eines grossen Schweizer Unternehmens, der eingeladen wäre, bleibt dem Anlass fern: «Ich glaube nicht, dass sich Trump für mich interessiert», sagt er. Die grosse Trump-Show: Es wollen doch nicht alle mitmachen.