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Schweizer Festivals kämpfen nicht nur gegen horrende Gagen: «Die Terror-Warnungen halten die Amerikaner von Touren in Europa ab»

B.B. King war einer der ganz Grossen, der am «Live at Sunset» spielte.
B.B. King war einer der ganz Grossen, der am «Live at Sunset» spielte.
Bild: KEYSTONE
Interview

Schweizer Festivals kämpfen nicht nur gegen horrende Gagen: «Die Terror-Warnungen halten die Amerikaner von Touren in Europa ab»

20 Jahre lang hat das «Live at Sunset»-Festival die Massen in seinen Bann gezogen. Jetzt ist Schluss – zumindest vorübergehend. Für dieses Jahr musste das Openair abgesagt werden. Veranstalter Hanswalter Huggler nennt im Interview die Gründe. 
04.02.2016, 08:5504.02.2016, 12:08
Felix Burch
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Das «Live at Sunset»-Festival ist eine Erfolgsgeschichte. Was als kleine Veranstaltung vor 20 Jahren, gleich nach der Schliessung der Drogenszene auf dem Platzspitz begann, wurde zur festen Grösse in der Schweizer Musik-Szene. Sting war da, B.B. King, Elton John oder Joe Cocker. Über all die Jahre pilgerten 500'000 Besucher zur Veranstaltung in Zürich. Dieses Jahr gibt es kein «Live at Sunset», wie die Veranstalter Anfang Woche mitteilten. Die Zukunft ist ungewiss. Hanswalter Huggler, Inhaber und Veranstalter, zeigt auf, mit welchen Problemen die Branche zu kämpfen hat. 

Das traditionelle Festival «Live at Sunset» fällt dieses Jahr aus. Was ist der Grund?
Hanswalter Huggler: Die Bands sind schlicht zu teuer geworden, die Gagen unerhört. Mittlerweile ist es wie an der Börse, es ist eine Lotterie: Wir offerieren, dann pokern die Acts und verlangen mehr; wir offerieren erneut und sie verlangen noch einmal mehr. So geht das Spiel immer weiter. Für uns ist das Mass jetzt voll, wir können und wollen diese Beträge nicht mehr bezahlen. 

Hanswalter Huggler, Inhaber und Veranstalter «Live at Sunset». 
Hanswalter Huggler, Inhaber und Veranstalter «Live at Sunset». 
bild: zvg 

Können Sie Zahlen nennen? 
Sagen wir es mal so: ​Für eine wirklich grosse Band zahlen Sie in der Schweiz sofort über eine Million Franken. Zahlreiche Acts verlangen das Dreifache, das sie noch vor fünf Jahren wollten. Festivals, wie das Openair St.Gallen oder das Gurtenfestival, können das auffangen, indem sie ein paar wenige Grosse engagieren, dafür dann beim Rest aber sparen. Das können wir nicht, wir müssen während zwölf Tagen jeden Abend Bands präsentieren, die Leute anziehen. 

Können Sie nicht einfach die Ticket-Preise erhöhen?
Nein. Wir wollen die horrenden Gagen schlicht nicht auf die Zuschauer überwälzen. Und: Die Leute sind auch nicht mehr bereit dafür. Vor zehn Jahren waren bei uns immer zuerst die teuersten Plätze weg, jetzt ist es umgekehrt. Phantasie-Preise zahlt niemand mehr. Dass Madonna das Hallenstadion nicht füllen konnte, ist ein Zeichen dafür. 

«Terror ist in der Musik-Branche ganz allgemein ein Thema momentan.»

Sind diese hohen Preise nicht auch eine Folge des zunehmenden Konkurrenz-Kampfes? In kaum einem Land ist die Openair-Dichte so hoch wie in der Schweiz. 
Das spielt auch mit​. Mit dem Zürich Openair und dem Zermatt Unplugged gibt es zwei Player auf dem Markt mit fast unerschöpflichen Geldquellen. Dieses Privileg haben wir nicht. Ich kenne den Markt und kann ihn gut einschätzen. Dieses Jahr hätten wir schlicht mehr Geld ausgeben müssen, also wir hätten einnehmen können. Die Rechnung ist einfach. 

Jetzt haben wir lange über Gagen und Geld gesprochen. Gibt es noch andere Gründe für den momentan sehr unruhigen Musik- und Konzertmarkt?
​Ja. Aber aber fast niemand will darüber sprechen. Momentan schwingt in der Branche die Terror-Angst mit. Vor allem bei den US-Amerikanern – und die sind nach wie vor dominierend auf dem Schweizer Markt. 

Wie meinen Sie das? Was heisst «mitschwingen»? 
Dieses Jahr hat es auf den Booking-Lists etwa 50 Prozent weniger amerikanische Bands als sonst. Ich bin mir fast sicher, dass der Grund dafür die jüngsten Attentate sind. Der Anschlag auf das Konzert von Eagles of Death Metal im Bataclan in Paris, aber auch die jüngsten Terror-Warnungen halten die Amerikaner ab von Touren in Europa. 

Hatten Sie Absagen mit dem Grund «Terror-Angst»?
Wie gesagt, es spricht niemand darüber, deshalb kann ich das nicht so nachweisen. ​Aber Terror ist in der Musik-Branche ganz allgemein ein Thema momentan. 

Inwiefern?
Sämtliche Grossveranstalter zittern vor möglichen Auflagen. Kommt es noch einmal zu einem Attentat an einem Konzert oder zu einem Anschlag auf ein Fussballspiel könnte ein Metalldetektor-Obligatorium sehr rasch die Folge sein. Dies wäre mit grossen Kosten für uns Veranstalter verbunden. Zudem wäre das logistisch nicht ganz einfach zu lösen. Wie wollen sie grosse Menschenmengen innerhalb kurzer Zeit durch solche Detektoren schleusen? Nach 9/11 ging es nicht lange, bis die Detektoren an allen Flughäfen eingeführt werden mussten. Wir sind also gewarnt. Zudem könnte es sein, dass Bands fast unbezahlbare Auflagen betreffend ihrer eigenen Sicherheit und die des Publikums fordern. 

Das sind unschöne Aussichten. Trotzdem: Gibt es 2017 wieder ein Live at Sunset? 
​Ich kann es zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht sagen. Tun würden wir es auf jeden Fall gerne und wir werden alles versuchen. 

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16 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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peeti
04.02.2016 09:58registriert März 2015
Kann Hugglers Entscheid nachvollziehen. Ein weiterer möglicher Grund: Die wenigsten kaufen noch Musik, weshalb die Bands/Management mit Konzerten umso mehr herausholen wollen.
Einzige Lösung: Hin zu kleineren, feinen Openairs. Die Frage ist, ob dann noch genug Leute kommen...
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