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Interview

Krankenkasse-Experte erklärt: «Kinder werden vermehrt hospitalisiert»

Ein leeres Spitalbett steht im Korridor auf der Abteilung fuer COVID-Patienten im HFR Freiburg Kantonsspital, am Donnerstag, 26. November 2020 in Fribourg. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Übernachtungen im Spital, der Reha oder Psychiatrie gehören zu den stationären Leistungen.Bild: keystone
Interview

Krankenkasse-Experte erklärt: «Kinder werden vermehrt hospitalisiert»

Anfang 2023 haben die Bruttokosten bei den stationären Leistungen markant zugenommen. Von rund 193 Franken auf 223 Franken pro versicherte Person. Eine Studie bringt nun Licht ins Dunkel.
17.01.2024, 11:2717.01.2024, 12:59
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Ein grosses Sorgenkind bei der Entwicklung der Krankenkassenprämien sind die Kostenexplosionen der ambulanten Leistungen in den vergangenen Jahren.

Eine neue Studie des Forschungsbüros BSS im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) untersuchte nun einen anderen Bereich. Und zwar, weshalb Anfang 2023 auch die Kosten der stationären Leistungen, also mit Übernachtung im Spital, Reha oder Psychiatrie, um knapp 20 Prozent gestiegen sind.

BSS-Studienautor Boris Kaiser erklärt im Interview, wie diese Entwicklung zustande kam und was sie für die nächste Prämienerhöhung bedeutet.

Im ersten Quartal von 2023 sind die Kosten für stationäre Leistungen der Grundversicherung um fast 20 Prozent gestiegen. Laut Ihrer Studie vor allem wegen «buchhalterischen» Effekten. Was bedeutet das?
Boris Kaiser:
Die Studie hat gezeigt, dass die abgerechneten Leistungen gestiegen sind. Das ist das Schlüsselwort und bedeutet zunächst einmal nur, dass in diesem Zeitraum mehr Leistungsbelege bei den Krankenversicherern gelandet sind.

Konkret?
Wir haben untersucht, weshalb zu diesem Zeitpunkt 2023 die abgerechneten Kosten gestiegen sind. Ein Drittel des Anstiegs war, weil im stationären Bereich der Rehabilitation 2022 ein neuer Tarif eingeführt wurde. Eine solche Umstellung ist für die Kliniken aufwändig, weshalb es zuerst zu Abrechnungsverzögerungen und später eben zu einem «Aufholeffekt» kam.

Zur Person
Boris Kaiser hat in Mikroökonometrie an der Universität Bern promoviert und beschäftigte sich in seiner Forschung mit Fragen zum Arbeitsmarkt und zum Gesundheitswesen. Seit 2014 arbeitet er als Berater bei BSS.
quelle: bss

Kann man sagen, dass dieser Tarifwechsel zu höheren Kosten geführt hat?
Nein, das kann man so nicht sagen. Die eine Seite ist, wie viele Patienten die Spitäler behandeln und zu welchen Preisen. Und die andere Seite ist der Rechnungseingang im selben Zeitraum bei den Versicherern. Wenn man das Eine anschaut, kann man nicht auf das Andere schliessen.

Laut ihrer Studie ist die veränderte Rechnungsstellung schuld an der Kostenexplosion und nicht die Zunahme an Behandlungen?
Das effektive Behandlungsvolumen bei stationären Leistungen entwickelt sich in einem normalen Rahmen, es ist nichts Besorgniserregendes. Der stationäre Teil ist somit kein wesentlicher Kostentreiber für die Prämien, diese muss man woanders suchen.

Wo?
Das ist etwa der ambulante Bereich, bei dem die Kosten gestiegen sind, vor allem bei ambulanten Arztbehandlungen in Spitälern. Auch die Medikamentenkosten steigen, etwa weil neue, teure Medikamente auf den Markt kommen. Zudem haben sich die Kosten für Laboranalysen und Physiotherapie innert zehn Jahren verdoppelt.

Wie gross ist denn der Effekt der stationären Kostensteigerung auf die Krankenkassenprämien?
Klein. Stationäre Behandlungen sind zwar mit rund 19 Prozent ein bedeutender Kostenblock in der Grundversicherung. Die Statistik des BAG zeigt aber: Seit zehn Jahren sind diese Kosten relativ stabil. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass Eingriffe vermehrt ambulant, also ohne Übernachtung, durchgeführt werden. Diese Verlagerung ist erwünscht.

«Der stationäre Bereich ist kein Sorgenkind.»
Boris Kaiser

Sie schreiben, dass die abgerechneten Kosten für stationäre Behandlungen nicht bei allen Altersgruppen gleich waren. Weshalb?
Bei älteren Leuten ab 66 Jahren und Kindern war der Anstieg überdurchschnittlich. Bei den Älteren handelt es sich vermutlich ebenfalls um einen Abrechnungseffekt.

Und bei den Kindern?
Kinder müssen glücklicherweise nur sehr selten stationär behandelt werden. Wir sehen aber seit 2021, dass Kinder vermehrt hospitalisiert werden. Dies könnte mit der Pandemie und der RS-Virenwelle zusammenhängen.

Abschliessend: Was muss die Politik nun tun?
Ich glaube, es ist wichtig zu wissen, dass der stationäre Bereich kein Sorgenkind ist. Wir haben ein gut funktionierendes, nationales Tarifsystem, das jährlich weiterentwickelt wird. Ganz im Gegensatz zum ambulanten Bereich, bei dem man schon lange auf den Tarifwechsel wartet. Stichwort: der veraltete Tarmed. Dort muss man ansetzen, um die Kosten in den Griff zu bekommen. Vor allem pauschale Vergütungen für ambulante Eingriffe können beitragen, das Kostenwachstum zu dämpfen.

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51 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Clife
17.01.2024 11:47registriert Juni 2018
Ich persönlich finde, dass man insbesondere bei den Gehältern von Versicherungen sparen könnte. Verkauf hin oder her, wie lassen sich die absurden Gehälter in Einstiegspositionen rechtfertigen?
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Antigone
17.01.2024 12:29registriert November 2018
Jaja, immer die Schuld den Patienten geben. Aber nie die gierigen Leistungserbringer erwähnen, welche zum Teil Dienstleistungen doppelt oder dreifach verrechnen, aus „Versehen“ natürlich.
Ich arbeite in dieser Branche und ich finds eine Frechheit wie immer wieder den Patienten/Kunden die Schuld gegeben wird…
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Acai
17.01.2024 12:03registriert März 2017
Wir sollten die jährlichen Prämiensteigerungen unseren Parlamentariern aufbürden. Die Kosten würden spätestens nach einem Jahr sinken, weil das Lobby-Geld die Kosten nicht aufwiegen würden.
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