In einem Extrazug haben GC-Fans am Wochenende dermassen gewütet, dass das gesamte Zugpersonal auf offener Strecke aus dem Zug flüchten musste – inklusive Lokführer und Transportpolizei. Was bedeutet ein solcher Vorfall für das Verkehrspersonal?
Manuel Avallone: Damit ist eine neue Eskalationsstufe erreicht. Man muss sich das einmal vorstellen: Wenn gewaltbereite Fussballfans in einem fahrenden Zug auf das Personal losgehen, hat dieses kaum Fluchtmöglichkeiten. Im aktuellen Fall verschanzten sich die Zugbegleiter und die Transportpolizei zunächst im hintersten Wagen. Doch die Angreifer waren offenbar so aggressiv, dass sie sogar versuchten, die Zwischentür einzuschlagen. Die Mitarbeiter fühlten sich dermassen bedroht, dass sie keine andere Möglichkeit sahen, als die Notbremse zu ziehen und den Zug mitten auf der Strecke zu verlassen. Hooligans, die sogar den Lokführer aus dem Zug vertreiben – das ist beispiellos.
Wie geht es den betroffenen Mitarbeitern?
Nicht gut, der Schock sitzt immer noch tief. Ich weiss, dass manche der Betroffenen in Zukunft keine Extrazüge mehr begleiten wollen. Diese Personen wurden alle speziell geschult für heikle Situationen. Sie wissen, wie man sich deeskalierend verhält. Aber nun ist offensichtlich ein Punkt erreicht, an dem sogar die Transportpolizisten um ihre Sicherheit fürchten. Es ist ohnmächtig, wenn die Politik und der Fussballverband einfach zuschauen, wie die Lage eskaliert.
Was müsste aus Ihrer Sicht geschehen?
Die Fussballklubs müssen finanziell und juristisch zur Rechenschaft gezogen werden, wenn im Zug Sachschaden entsteht oder sogar Personen angegriffen werden. Es kann doch nicht sein, dass eine Minderheit innerhalb der Fans der Öffentlichkeit auf der Nase herumtanzt und das Personal die Folgen ausbaden muss. Grundsätzlich muss das betroffene Personal bei der Lösungsfindung miteinbezogen werden.
Das Parlament hat vor einem Jahr bewusst darauf verzichtet, die Regeln für Fantransporte zu verschärfen. Stattdessen sollten die involvierten Akteure gemeinsam eine Lösung suchen. Ist der Versuch nun definitiv gescheitert?
Der Vorfall zeigt, dass immer noch Handlungsbedarf besteht. Es gibt durchaus Klubs, die die Fantransporte vorbildlich organisieren. Paradebeispiel sind die Young Boys. Von den Kollegen, die in den Berner Extrazügen unterwegs sind, höre ich, dass die Fanarbeit dort tadellos funktioniert. So sind etwa jedes Mal YB-eigene Security-Mitarbeiter zugegen. Andere Klubs, wie beispielsweise GC, lassen dieses Engagement leider vermissen.
Die SBB hat mit den GC-Verantwortlichen vereinbart, dass bis auf weiteres keine Extrazüge mehr zu den Auswärtsspielen des Klubs fahren. Ist das eine sinnvolle Lösung?
Langfristig sicher nicht. Wenn man keine Extrazüge mehr bereitstellt, dann fahren auch die gewaltbereiten Fans in den Regelzügen und gefährden dort im schlimmsten Fall andere Kunden. Das wäre die schlechteste aller denkbaren Lösungen. Wenn man die Extrazüge nun aber vorübergehend aussetzt, um gemeinsam eine Lösung zu suchen, halte ich das für vertretbar.
Sehen Sie noch einen anderen Hebel, bei dem man ansetzen könnte?
Ich denke beispielsweise an Geisterspiele. Es ist zwar bedauernswert, wenn darunter die grosse Mehrheit von echten Fussballfans leidet. Aber wir reden hier von Zuständen, die nur schwer vorstellbar sind für normale Menschen, die Fussball noch als Spiel betrachten.